Kritik am DGB vom 1.Mai 2003

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"Wachstum und Beschäftigung fördern - Sozialstaat erneuern" 
DGB-Presseerklärung v. 1.5.2003 zur Rede von Michael Sommer

Kritik

Die Wachstums- und Beschäftigungskrise in Deutschland erfordert nach Ansicht des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer klare Reformen in der Finanz- aber auch der Sozialpolitik. Auf der zentralen 1.Mai-Kundgebung des DGB in Neu-Anspach (Hessen) verurteilte Sommer den Sparkurs der rot-grünen Koalition. DGB verurteilt den Sparkurs = falsch, denn die Staatsausgaben stehen in keiner vertretbaren Relation zur wirtschaftlichen Leistungskraft und verletzen im zweiten Jahr nacheinander die geldpolitischen Vorgaben der EU, was zu Strafzahlungen in Mrd.-Höhe führen kann.
"Richtig wäre es, die Steuerreform insbesondere für die Bezieher geringer und mittlerer Einkommen vorzuziehen, um die Massenkaufkraft zu stärken", sagte Sommer. DGB fordert Steuersenkung für geringe und mittlere Einkommen = falsch, weil die Überschuldung des Staatshaushalts im Moment überhaupt keine Steuerentlastungen erlauben kann.
Außerdem müsse der Bund gewerbliche und private Investitionen durch direkte Zuschüsse fördern. DGB fordert weiteren Subventionen = falsch, a) weil Subventionen zu weiterer Staatsverschuldung führen, b) weil Subventionen den Wettbewerb verzerren und c) ungesunde Wirtschaftsverhältnisse fördern.
Auch die Kommunen bräuchten "direkte Investitionshilfen", damit sie in der Lage seien, "Straßen zu reparieren, Schulen zu renovieren und Ganztagseinrichtungen für Kinder zu schaffen". DGB fordert Ausgabenerhöhung in den Kommunen = falsch, denn die Kommunen hätten genügend Geld, wenn der öffentliche Dienst in die Mitverantwortung für die Unwirtschaftlichkeit staatlichen Handelns genommen würde.
Das Grundübel der Massenarbeitslosigkeit sei nicht ein überbordender Sozialstaat sondern die seit mehr als zwei Jahren andauernde wirtschaftliche Stagnation. In Folge steigender Arbeitslosenzahlen gerieten natürlich auch die sozialen Sicherungssysteme unter Druck. DGB beklagt wirtschaftliche Stagnation = falsch, denn der "überbordende Sozialstaat" ist mitverantwortlich für die wirtschaftliche Stagnation.
Sommer kritisierte die zunehmende Verantwortungslosigkeit vieler Arbeitgeberfunktionäre, Manager und Besitzer großer Vermögen. Während die einen "schwitzen und weinen, gehen diese Herrschaften golfen und greinen". Damit es diesen Leuten noch besser gehe, forderten sie einen Abbau sozialer Sicherheiten. "Sie wollen endlich wieder heuern und feuern wie in Amerika. Und letztlich wollen sie die Löhne drücken." DGB spielt mit Klischees = falsch, denn die soziale Verantwortungslosigkeit findet sich nicht nur auf "Golfplätzen", sondern nicht minder in "Spielhallen", Chef-Etagen von DGB, BDA, regierenden und opponierenden Parteien, die alle und sämtlich in Verfolgung von Partikularinteressen verabsäumen, "Politik" zu machen, also  gemeinsame Lösungen zu erarbeiten.
Sommer forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder auf, die von ihm am 14. März verkündete Reformagenda 2010 zu überdenken. Er dürfe die seit 20 Jahren erfolglose Politik des Sozialabbaus nicht fortsetzen. "Wer erfolgreich modernisieren will, muss wissen, dass das nur auf Basis sozialer Gerechtigkeit geht." DGB fordert Änderungen der "Reformagenda 2010" = richtig, denn die "Reformagenda" ist keine Reform, sondern nur Fortsetzung zweckverfehlender Politik.
Kürzungen von Arbeitslosengeld und -hilfe,

eine Aufweichung des Kündigungsschutzes

oder die Senkung der Nettolöhne durch eine Privatisierung des Krankengeldes

seien keine geeigneten Wege aus der Wirtschaftskrise.

DGB gegen Kürzung des Arbeitslosengelds = falsch, wenngleich auch die "Reformagenda 2010" falsche Ziele verfolgt, denn das Arbeitslosengeld sollte m.E. vollständig neu bemessen werden und vergleichbar der Rentenberechnung die geleisteten Einzahlungen berücksichtigen.

DGB gegen Aufweichung des Kündigungsschutzes = falsch, denn der  gegenwärtige Kündigungsschutz erweist sich keineswegs als Arbeitsplatzsicherungsmaßnahme, sondern ist neben anderen Faktoren ein Hindernis für Neueinstellungen.

DGB gegen Privatisierung des Krankengeldes = falsch, denn solche Aussagen lassen sich weder die Staatsausgaben stehen in keiner vertretbaren Relation zur wirtschaftlichen Leistungskr

Der DGB-Vorsitzende unterbreitete Schröder ein Gesprächsangebot. "Natürlich sind wir bereit, mit Dir über eine sinnvolle Reformpolitik zu diskutieren", sagte Sommer. Allerdings dürfe es dabei "nicht nur um Änderungen von Details gehen". DGB bietet sich zum Gespräch an  = richtig, aber dann sollte er auch mit konstruktiven, finanzierbaren Vorschläge glänzen, woran er sich mitgliedschaftlich ebenso gehindert sehen wird wie der BDI. 
Die Rahmenbedingungen für eine ausgewogene Wirtschafts- und Sozialpolitik sind eben in erster Linie Regierungsverantwortung, wozu die Tarifpartner "gehört" werden sollen, aber deren eigentliches Aktionsfeld sollte wieder der einzelne Betrieb werden.
Sommer forderte eine Erweiterung der Agenda um eine konjunkturgerechte Reform der Finanzpolitik. Außerdem müssten die sozialen Sicherungssysteme neu finanziert werden. "Es ist nicht länger hinnehmbar, dass letztendlich nur die Arbeitnehmer und die personalintensiven Betriebe das System bezahlen und der Rest sich fein raushält." DGB fordert Reform der Finanz- und Steuerpolitik = richtig, aber es halten sich auch all jene "fein raus", die ihre Ansprüche an das  Arbeitsleben zu hoch schrauben, weil sie sich längst mit den Sozialleistungen und  lebenszeitverschwendenden Unterhaltungsangeboten, vor allem TV, Internet etc. abgefunden haben.
Der Faktor Arbeit müsse entlastet werden - aber nicht auf Kosten der Arbeitnehmer, Erwerbslosen und ihrer Familien. DGB fordert Entlastung für den Faktor Arbeit = richtig, aber das kann wiederum nur "nachhaltig" sein, wenn a) mehr nicht immer weniger Menschen für immer mehr Menschen die Sozialleistungen erarbeiten, b) wenn zudem auch die jährliche Arbeitszeit des Einzelnen verkürzt wird.
Eine Arbeitszeitverkürzung kann letztlich nur auf gesetzlichem Wege erfolgen und führt letztlich nicht zu Netto-Gehaltseinbußen, wenn mehr Menschen an der Arbeit beteiligt werden, wodurch sie von den Sozialleistungen unabhängig würden, was auch die Lohnnebenkosten  senken würde. Im Alternativ-Szenario fortgesetzter Bisher-Politik kann sich der Faktor Arbeit nur verteuern.
Die Sicherungssysteme müssten stärker über Steuern finanziert werden. DGB fordert Umfinanzierung durch Steuern = richtig, soweit es um  Personenkreise geht, die durch keine bzw. zu geringe Einzahlungen nicht aus den Beitragstöpfen versorgt werden sollten.
 
"Wir brauchen echte Reformen, die unser Land voranbringen" DGB-Presseerklärung v. 1.5.2003 zur Rede von Ursula Engelen-Kefer  
Wir brauchen vor allem eins: mehr Mut. Mut zum Umsteuern, für eine neue Steuer- und Finanzpolitik", forderte die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Ursula Engelen-Kefer auf der 1. Mai-Kundgebung in Bremen.  
Es sei nicht zu begreifen: Große Konzerne hätten über mehrere Jahre nicht nur keine Steuern gezahlt, sondern vom Staat sogar Geld zurückbekommen.  
Genauso wenig sei zu verstehen, dass für hohe Vermögen keine Steuern mehr gezahlt würden. DGB fordert Vermögenssteuer = falsch, soweit damit ertragsloses Vermögen mit Steuern belastet wird. 
Ausnahmen mögen für den Grundbesitz zulässig sein und werden mit der Grundsteuer seit jeher, vor allem seit der "Wende" in hohem Maße besteuert.
Soweit es dem DGB um Spareinlagen ginge, so wird der daraus resultierende "Kaptialertrag" ebenfalls hoch besteuert,
aber Ertragsloses besteuern zu wollen, wie es die Verfechter der "Vermögenssteuer" so gern möchten, halte ich für grundgesetzwidrige Enteignung.
Zulässig wäre allenfalls die höhere Besteuerung der Vermögensbildung, aber an ihr würde man eben leichter erkennen, wie pervers die staatliche Geldgier geworden ist, weil von ihr jeder betroffen wäre.
weiterer Kommentar
Die Einkommensteuer für hohe Einkommen werde immer mehr zu einer Bagatellsteuer. Hier würden Zahlen interessant sein, aber so ist nur Stimmungsmache.
"Die dicksten Brocken", sagte Engelen-Kefer, "tragen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - Tendenz steigend."  
Diese "soziale Schieflage" sei nicht nur ungerecht, sondern gefährde die Binnennachfrage und koste Arbeitsplätze, sagte Engelen-Kefer Sie forderte deshalb: "Wir brauchen mehr Steuerehrlichkeit und eine neue Steuergerechtigkeit. Das wäre eine wahre Sozialreform." Dazu müssten Steuerlücken - insbesondere für die hohen Gewinne, Einkommen und Vermögen - geschlossen werden.  
Unverzichtbar seien auch mehr finanzielle Spielräume für die Kommunen. Insbesondere für Bildung und Forschung, sowie die Entwicklung des Dienstleistungs- und Informationssektors. "Wenn wir den Aufbruch in der Bildung heute nicht schaffen", sagte Engelen-Kefer, "ist die Arbeitslosigkeit von morgen vorprogrammiert". Die öffentliche Infrastruktur für die Erziehung und Betreuung von Kindern werde mit darüber entscheiden, "ob unsere Gesellschaft Kinder erziehen will und kann.". DGB fordert "finanzielle Spielräume für Kommunen" = falsch, weil im Selbstversorgungsdenken des öffentlichen Dienstes befangen.
Engelen-Kefer mahnte zudem Reformen in den sozialen Sicherungssystemen an. So müssten untere und mittlere Einkommen sowie personalintensive Betriebe von Sozialabgaben entlastet werden. Alle Erwerbstätigen müssten in die solidarischen Sicherungssysteme einbezogen werden. "Das wäre gerecht und würde uns alle entlasten".

DGB fordert Entlastung für untere und mittlere Einkommen = nett, aber wie oben bereits gesagt: ohne Ausgabenkürzung keine Einnahmekürzung.

Wichtig sei auch die Gesundheitsreform. "Wir müssen alles dazu tun, dass sich Sozialministerin Ulla Schmidt mit ihren Reformen zur Struktur des Gesundheitswesens durchsetzen kann", sagte Engelen-Kefer. Es gebe schon jetzt ernstzunehmende Zeichen, dass die Reformen bis zur Unkenntlichkeit durchlöchert würden.

DGB fordert Durchsetzung der Gesundheitsreform der Bundesregierung = falsch, denn die eigentlichen Kostentreiber werden durch die Reform nicht in die Schranken gewiesen: 1. Pharmazeutische und Medizingeräte-Industrie, 2. die Abschaffung des antiquierten Apothekensystems, 3. Zulassungspraxis für unsinnige und überteuerte Präparate, 4. die Freistellung von Selbstbeteiligungen für "Sozialschwache", die inzwischen eher zu Versorgungsleistungen kommen als zuzahlungspflichtigen Beitragszahlern möglich ist.

Eine scharfe Absage erteilte Engelen-Kefer den Plänen der Rürup-Kommission, das Rentenalter auf 67 Jahre zu erhöhen. Stattdessen wäre es bei weitem besser, so Engelen-Kefer, endlich konkrete Verpflichtungen für Arbeitgeber festzulegen: zur Ausbildung der Jugendlichen, lebenslanger Qualifizierung, zu altersgerechten Arbeitsbedingungen sowie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

DGB lehnt Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre ab = RICHTIG, denn es ist ein Unding, dass die wenigen, die bis zu ihrem 65. Lebensjahr für so viele Menschen mitarbeiten und Beiträge einzahlen, nun noch länger arbeiten sollen.
Wir haben mehr als vier Mio. Arbeitslose. Die gilt es nicht zu "beschäftigen" in unsinnigen "Umschulungen" und "geförderten Arbeitsplätzen", sondern in die reale Arbeitswelt einzubeziehen.
Dazu würde es mit zunehmender Rationalisierung viel eher einer Lebensarbeitszeitverkürzung brauchen als einer Ausdehnung der Arbeitszeit für einige wenige. >>
Rentenanspruch

 

Mit meiner Kritik am sozialpolitischen Anspruchsdenken des DGB rede ich nicht denen das Wort, die den Gewerkschaften das Mitspracherecht bestreiten oder alten und schwachen Menschen das Brot verweigern wollen,

ich rede auch nicht denen das Wort, die Flüchtlingen aus ärmeren Ländern die Sozialhilfen neiden, ihnen aber gleichzeitig a) verbieten, bei uns zu arbeiten, b) nichts zu einer gerechteren Weltordnung beitragen.

Wohl aber rede ich gegen die vielen Schmerzpatienten und Frührentner, die gleiche Partizipation für sich fordern, ohne sich zu einem sozialen Beitrag verpflichtet zu sehen, den sie nach ihren verbliebenen Fähigkeiten zu suchen und zu leisten hätten.

Es geht uns allen "schlecht" und viele von uns hören morgens  unglücklich den Wecker, aber es schadet der sozialen Solidarität, wenn uns Politik und Leute Solidarität mit Menschen vorschreiben, die uns beim Arbeiten nur zuschauen wollen und dann noch klagen, dass wir nicht genug arbeiten würden.

Tatsächlich sehe ich jeden Menschen, der Ansprüche an andere formuliert, in sozialer Gegenleistungspflicht.  Die Politik traut sich vielfach nicht, solche Dinge auszusprechen, weil mittlerweile so viele Menschen bzw. Wähler vom Arbeitsprozess ausgenommen sind, dass man um deren Wahlverhalten fürchtet, aber solch Opportunismus bringt auf Dauer die wirtschaftlichen Verhältnisse in eine Schieflage, in der nicht nur Redliche, sondern auch die Opportunisten von Bord rutschen werden und das soziale System mitsamt Demokratie zum Kentern bringen werden.

"Wir brauchen und wir wollen Reformen", sagte Ursula Engelen-Kefer, "Aber echte Reformen, die unser Land voranbringen."

Der DGB ist reformwillig = gut
aber "echte Reformen" mahnt er nicht an, sondern vertat den 1. Mai 2003 wieder mit den antiquierten  Forderungen um die Größe des Stücks jener Torte, die trotz allen technischen Fortschritts nur deshalb für viele zu klein zu werden droht, weil zu viel von ihr vergeudet wird. Warum verlangte der DGB  beispielsweise nicht längere Haltbarkeit von Produkten, die gesetzlich leicht durchsetzbar wäre? Warum verlangt die Gewerkschaft nicht solche Reformen, die den Reichtum wahren und mehren, sondern in Rüstungsgütern zu Milliarden verschwenden, mit denen nicht nur eine von den Unionsparteien regierte Bundesrepublik global mitmischen will?

Die Gewerkschaft findet so wenig aus der verheerenden Logik einer auf Verschwendung und Unterdrückung beruhenden Wirtschaft und Welt wie ihr politisches Gegenüber.

Reformen setzen Umdenken voraus. Davon scheinen viele auf allen Seiten und in allen Etagen weit, weit entfernt.

Kommentare von Sven

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zwei Männer, kein Konzept, obwohl die Sonne lacht

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