von Sven Redaktion am
6.Mar.2002 15:15
Hallo in die Schweiz!
Ich denke, dass man genehmigte Rechtsextremisten-Aufmärsche auf
zweierlei Weise "kommentieren" kann:
1. die schönere Variante wäre leider die unrealistische, nämlich die
totale Ignoranz seitens der Bevölkerung, aber die Reexes würden schon
dafür sorgen, dass sie auffallen und die Neugierde/Sensationslust der
Menschen lässt sich nicht durch unsere Appelle verringern,
2. also bleibt nur die Gegendemonstration, denn der Gesellschaft und dem
Staat muss signalisiert sein, dass Genehmigungen für
Rechtsextremismus-Demos den Widerspruch der Demokraten hervorrufen, weil
Rechtsextremismus keine tolerierbare Option in einer Demokratie sein
kann.
Wenn solche Gegendemos verboten sind, so sollte man sich andere Formen
des ZIVILEN (=friedlichen) UNGEHORSAMS ausdenken. Aber die Friedlichkeit
ist dabei die oberste Pflicht. Das heißt, dass man sich widerstandslos
von der Polizei abdrängen lässt, dass man sich widerstandslos
einkesseln lässt und auf jede Provokation verzichtet, denn es geht
nicht um die Provokation des Staates und seiner Machtmittel, sondern um
das Signal beharrlicher Friedlichkeit als Alternative zu dem Hass-Kurs
der Rechtsextremisten.
Leute, die Antifaschismus für etwas halten, was im Wettbewerb um das
hasserfüllteste Gesicht gewinnen müsste, während da Nazis staatlich
genehmigt und fast dankbar ihren Aufmarsch absolvieren, schaden dem
Antifaschismus und darüber hinaus der Demokratie allgemein.
Demokratische Entschlossenheit ist keine Sache der Hysterie,
Antifaschistische Entschlossenheit ist bedeutsam genug, um sich in der
Aktion darauf zu konzentrieren,
aber wer die antifaschistische Aktion nur zum Anlass für seine
sonstigen "revolutionären" Ziele degradiert,
gehört einfach nicht dazu und soll seinen Antifaschismus mal in seiner
Isoliertheit treiben.
Die Notwendigkeit breiter Bündnisse gegen alles Faschistische darf sich
nicht an denen orientieren, die durch ihr Handeln gerade solche Bündnisbreite
verhindern.
Wer in seinem Revolutionswahn glaubt, rücksichtslos
Sektierer-Interessen ausleben zu dürfen, bezeugt sich selbst solches Maß
an Anti-Demokratie, dass seine Ausgrenzung von demokratischen Aktionen
gerechtfertigt ist.
Wenn sich nun trotzdem Autonome unter die Gegendemonstranten mischen und
beginnen, die staatliche Macht herauszufordern, dann müssen Demokraten
selbst versuchen, dafür zu sorgen, dass ihnen Einhalt geboten wird.
Wie schwierig das ist, hatte ich als Veranstalter größerer
Demonstrationen mehrfach das Missvergnügen und auch zuletzt als Mitläufer
gegen eine NPD-Demo in Berlin: viele Demokraten neigen dazu, den
Autonomen Freiheiten zu lassen, vollkommen idiotisch im Glauben, dass
Autonome im Antifaschismus "schon mal prinzipiell auf der richtigen
Seite" stünden.
Das genügt jedoch keineswegs, denn autonome Militanz zielt auf die
Zerstörung der "herrschenden", wie auch immer zu
beurteilenden Gesellschaftsstrukturen.
Nicht nur die Einsatz-Polizisten, sondern auch die ALLGEMEINHEIT
schlussfolgern aus diesem Pseudo-Revolutionismus autoritäre
Politikanforderungen und werden latent faschistisch.
Militante Autonome "stehen auf der richtigen Seite", aber sie
leisten dem Faschismus Vorschub und sind in dieser Ernsthaftigkeit von
Demokraten anzusprechen.
Ergibt sich also bei Gegendemonstrationen eine Situation, dass Autonome
militant werden, dann wird man sich von der Demonstration verabschieden
müssen, wenn eine Eindämmung autonomer Gewalt nicht funktioniert.
Weder Polizei noch Allgemeinheit kann verübelt werden, wenn man den
Autonomen zugerechnet wird, weil man ihnen durch Anwesenheit Schutz gewährt,
aus dem heraus sie ihre Aktionen fortsetzen.
Der "revolutionären Aufmerksamkeit" von Autonomen ist
geschuldet, dass häufig von ihnen die Initiative zu antifaschistischen
Aktionen ausgeht, während "Normalos" Mühe haben, ihren Popo
hochzubekommen, um den genossenen Frieden verfassungszuschützen.
Aber auch die Initiativ-Zuverlässigkeit der Autonomen rechtfertigt
deren Teilnahme nicht, sondern muss von Verabredungen abhängig gemacht
werden, die mit ihnen oft auch erzielbar sind.
Es ist alles eine Frage schlussendlich auch der Organisiertheit von
demokratischer Seite.
Mit Organisiertheit meine ich nicht, dass es irgendwelcher
"Kassenwarte" oder "Bündnisvorsitzender" bedürfte,
permanenter Versammlungen etc.,
denn "ein Leben für die Politik" mag zwar ehrenvoll sein,
aber solche Sinnstiftung führt auch zu Verkrampfungen, in denen
wiederum menschliche Politik oft nicht ihr Ergebnis ist.
Mit Organisiertheit meine ich Vernetzung vorhandener demokratischer
Strukturen unter Einbeziehung aller Ebenen, Institutionen, Vereine und
Privatpersonen, die dafür in Betracht kommen, eben auch der Parteien,
Stadträte, Industrie- und Handelskammern,
der Polizei(-gewerkschaft),
den Gewerkschaften allgemein,
den Schülervertretungen, Seniorenvereinen bis hin zur städtischen Müllabfuhr
= Ansprechpartner, die sich flott zu positionieren vermögen,
was allerdings von vornherein nicht gelingen kann,
wenn man nicht stets auch die Widrigkeiten benennt,
die sich aus etwaig teilnehmenden Autonomen ergeben.
DIE AUTONOMEN :-))
jetzt habe ich so hässlich über sie gesprochen, aber meine früheren
Neigungen zur Zusammenarbeit will ich nicht verschweigen:
Ich "besorgte" ihnen ein großes Mietshaus vom damaligen
Bausenator Rastemborski (CDU) zum "Instandbesetzen" und wollte
"Legalisierungen" solcher Maßnahmen gegen
"Leerstandsspekulanten". Einige wenige der Autonomen machten
mit und sind heute vermietende Millionäre:-)), was nicht Sinn der
damaligen Aktionen war,
anderen waren "Legalisierungen und Patenschaften nicht revolutionär
genug" und sie "kämpften" solange mit Polizei und
Justiz, bis sie vollends reif für die "Therapeuten" waren
bzw. selbst welche wurden.
Dieser ganze Revolutionsschrott war Kindergarten-Politik.
Ich sah das im Prinzip schon damals so, aber Konsequenzen zog ich nicht,
weil ich mich zu sehr in "Linkes" eingebunden sah, um dort
welchen "in den Rücken zu fallen",
aber genau das war falsch, denn gerade denen muss man ins Handwerk
pfuschen, denen man sich näher fühlt, wenn sie Unsinn treiben.
Was sich wer auf die Fahnen schreibt, ist (fast) egal.
Ob sie ehrlich daran glauben,
ist ebenfalls (fast) egal.
Entscheidend ist, was sie bewirken.
Grüße von Sven
- privat -
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