zur redaktionsinternen Kenntnisnahme |
Die Euro-Klage: Diskussion der Schriften von Bandulet und Schachtschneiderzusätzliche Abschlußdiskussion auf spontanen Wunsch der HörerRingvorlesung Energie - Umwelt - Gesellschaft
Diskussionsleitung: Klaus Christmann. HTML-Formatierung: Burkhard Kirste, 1998-02-11, 1998-03-01
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Verfassungsgericht unterstützt den ParlamentsvorbehaltAn die Mitglieder des Deutschen Bundestages und des BundesratesSehr geehrte Damen und Herren! In unserem Brief vom 10.3.1998 hatten wir Sie gebeten, sich bei der Abstimmung über unsere Teilnahme an der Währungsunion nicht nur von der staatlich propagierten Meinung der Euro-Befürworter leiten zu lassen, sondern sich auch über die öffentlich unterdrückten Argumente der Euro-Gegner sachkundig zu machen, wie sie in dem Taschenbuch "Die Euro-Klage" der vier Professoren W. Hankel, W. Nölling, K. A. Schachtschneider und J. Starbatty formuliert sind. Inzwischen ist diese Klage (zusammen mit einer weiteren Verfassungsbeschwerde des Herrn Prof. Dr. Hans Heinrich Rupp) vom Bundesverfassungsgericht (BVG) verworfen worden. Dieses Urteil ist in der Öffentlichkeit vielfach als Bestätigung für die Unbedenklichkeit der Euro-Politik interpretiert worden, da die Verfassungsbeschwerden "offensichtlich unbegründet" seien. Der Bundestag hat daraufhin bereits am 2. April dem Einführungsgesetz zur Währungsunion für den 1.1.99 in erster Lesung zugestimmt. Diese Interpretation des BVG-Urteils beruht allerdings auf einem Mißverständnis: Zu der inhaltlichen Begründetheit der Klagen nimmt das BVG nämlich gar nicht Stellung, da es sich dafür nicht gesetzlich zuständig fühlt, obwohl es den Inhalt der Klagen verständnisvoll und sachlich überzeugend zusammenfaßt (S. 1 und 16 - 25 der Urteilsschrift). Die Verwerfung der Verfassungsbeschwerden wird lediglich formaljuristisch damit begründet, daß die Gesetze für eine einklagbare Verschiebung der Währungsunion keine juristische Handhabe böten, nachdem der Maastricht-Vertrag (trotz sachlicher Mängel) juristisch nicht mehr anfechtbar ist. Ausführlich wird dargelegt, daß der Art. 14 GG keine Handhabe liefere, auf juristischem Wege durch das BVG die Erfüllung der Konvergenzkriterien überprüfen zu lassen (S. 26 und 29 - 37). Zur Beurteilung der voraussichtlichen Stabilität der Währungsunion eröffne nämlich der Maastricht-Vertrag erhebliche Einschätzungs-, Bewertungs- und Prognoseräume, für deren Handhabung nach Art. 23 GG allein Regierung und Parlament verantwortlich seien. Nach Ansicht des BVG reicht der Ermessensspielraum der Politiker nach dem Maastricht-Vertrag anscheinend so weit, daß sie das vielleicht wichtigste Maastricht-Kriterium, wonach die Staatsverschuldung eines Teilnehmers weniger als 60 % seines BIP betragen muß, notfalls von 60 % auf 130 % verändern dürfen, ohne daß das BVG dagegen einschreiten könnte, wenn der Bundestag von seinem Parlamentsvorbehalt keinen Gebrauch macht. Dies gibt einen Vorgeschmack auf den durch den Maastricht-Vertrag vorgesehenen Abbau unserer demokratischen Rechte! Theo Waigel irrt, wenn er aus dem BVG-Urteil den Schluß zieht, "daß der Euro kein Abenteuer ist". Gerade weil das BVG sich nicht dazu berufen fühlt, das Urteil der Europäischen Kommission über die angeblich ausreichende Erfüllung der Konvergenzkriterien zu überprüfen, weist es die letzte Verantwortung für diese politisch notwendige Überprüfung dem Bundestag und dem Bundesrat zu! In Ihrer Entschließung vom 2.12.1992 haben Sie versprochen: "... Der Deutsche Bundestag wird sich jedem Versuch widersetzen, die Stabilitätskriterien aufzuweichen, die in Maastricht vereinbart worden sind. Er wird darüber wachen, daß der Übergang zur dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion sich streng an diesen Kriterien orientiert. ..." Auch der Bundesrat hat diese Entschließung bekräftigt. Das BVG hat in seinem Urteil vom 12.10.93 dieses Versprechen von Ihnen als einen von allen europäischen Regierungen zu respektierenden Vorbehalt erklärt, ohne den Ihre Zustimmung zur deutschen Mitgliedschaft in der Währungsunion nicht wirksam ist. In seinem Urteil vom 31.3.98 hat das BVG diesen "Parlamentsvorbehalt" nochmals zitiert (S. 13 und 14) und damit sein früheres Urteil bestätigt. Sie können das als eine Aufforderung des BVG an den Bundestag auffassen, sich bei Ihrer Abstimmung am 23.4.98 an dieses Versprechen zu halten, das Sie den Wählern am 2.12.1992 gegeben haben! Joschka Fischer sagte am 2.4.98 im Bundestag, ohne den Ausbau zu einer politischen Union fahre die Währungsunion "krachend gegen die Wand". Solange die anderen Länder aber keine politische Union wollen, hat diese wohl kaum noch eine Chance, wenn Deutschland am 23.4.98 den Parlamentsvorbehalt als letzten Trumpf aus der Hand gibt, da der Maastricht-Vertrag die Währungsunion leider auch ohne politische Union zuläßt. Der Parlamentsvorbehalt bietet am 23.4.98 vielleicht die letzte legale Gelegenheit, sich mit einigermaßen begrenzbarem Schaden aus einem Unternehmen zurückzuziehen, das gegenwärtig wegen schon jetzt sichtbarer, unüberwindlicher Interessengegensätze zum Scheitern verurteilt wäre. Die Behauptung, bei Verschiebung der Währungsunion sei der Schaden noch größer als bei ihrem späteren Scheitern, kann ohne ehrliche und detaillierte vergleichende Analyse nicht akzeptiert werden, Über "kreative Buchführung" zwecks scheinbarer Erfüllung der Konvergenzkriterien wird im Ausland offen berichtet, aber deutsche Medien schweigen darüber. Tony Blair hat wegen derartiger Methoden am 4.6.97 vor dem Britischen Unterhaus den Abbruch der Währungsunion gefordert: "I have also made it clear, as we have always said, that the criteria for monetary union should not be fiddled, fudged or botched in any way. If they are, the answer is not to delay - the answer is not to proceed." (Zitat in "Die Euro-Klage", loc. cit. S.69). Um unserer Demokratie willen können wir derartige Methoden nicht akzeptieren. Wenn der Bundestag aber am 23.4.98 ohne Rücksicht auf den Parlamentsvorbehalt dem Eintritt in die Währungsunion zustimmt, würde er damit diese Methoden akzeptieren. Wie können dann die Wähler ihren Abgeordneten in Zukunft noch vertrauen?
Prof. Dr. Roland Reich Freie Universität Berlin, Fachbereich Chemie, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie Interdisziplinäre Ringvorlesung "Energie - Umwelt - Gesellschaft"
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