Freigeld


Provisorien & Dialoglexikon - Löst "Freigeld" die Finanzkrise?

mart2 - 16/12/2008, 20:34
Titel: Löst "Freigeld" die Finanzkrise?
Zum Thema Finanzkrise nahm ich letztens an einem interessanten Vortrag des Ökonomen Prof. Dr. Dr. Wolfgang Berger teil, in dem dieser recht detailliert das Finanz- und insbesondere das Hedgefondssystem beschrieb und die Geldpolitik kritisierte.
Kurz gefaßt u.a. die ökonomisch durchaus haltbare Ansicht, ein Zinssystem wie es uns üblich ist, müsse derart einbrechen, wie es nun geschieht. Schon deshalb, weil Geld sich nicht von allein vermehrt, deshalb Preise wie Zinsen von Menschen erarbeitet werden müssen, die gerade das aber nicht (wertmäßig) endlos können.
Als Alternative käme ihm möglicherweise die alte Idee des Freigeldes oder Fließenden Geldes in Betracht, dass eine Demurrage vorsieht und so zumindest die Finanzstauseen mit ihrer ganzen Konsequenz verhindern könnte. Geldtheoretisch, wie gesagt, interessant, das Ganze.

Wen es interessiert, kann da mal reinschauen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Umlaufgesichertes_Geld

http://www.inwo.de/

http://www.subhash.at/freigeld/geldregiert.html
redaktion - 17/12/2008, 01:04
Titel: Zum Thema "Freiwirtschaftslehre"
@mart2,

seit Geld nicht mehr edel ist, sondern Wertversprechen, führt Geldbehalt zur Geldentwertung per se und ist darüber hinaus betriebliche Realität aller modernen Volkswirtschaften, weil zu versteuern, während Investiertes im Wege der steuerlichen Abschreibung den Nennwert auf Mehrwert spekuliert.

Staatsfinanzliche und gesellschaftliche Armut ergeben sich eher daraus, dass die der Wirtschaft vorbehaltene Abschreibung rechtswidrig privatisiert wird, z.B. den Privatwagen als Firmenfahrzeug auszuweisen usw., ein Szenario, dem nur wenig zuleibe gerückt wird, solange Kommunen, Regionen und Staaten um ihre Wirtschaftspotentaten egoistisch buhlen anstatt im Wege eines globalen Steuersystems die Kapitalmobilität nachzuvollziehen.

Krisenzeiten sind spätestens Zeiten, um Systeme zu überdenken, zugleich aber Zeiten für Mythen und falsche Heilsversprechen. Dagegen ist auch keine Gewähr, wenn die Autoren Professoren sind und ihren Theorien die Mühe des Beweises zu ersparen versuchen, indem sie mit bewährten Zitaten aufwarten, wie "Überzeugungen sind schwerer zu zertrümmern als ein Atom", zumal die Atomspalterei inzwischen leichter ist als es die Überzeugungen zulassen dürften.

Wenn zwar die Finanzkrise Ausdruck auch des Zinssystems ist, der die Gier einerseits und die Überschuldung andererseits beflügelt, so ist sie entgegen Bergers Bildersprache gerade nicht infolge eines "Finanzstausees", sondern infolge gegenseitig vorgetäuschter Wasserentnahme, wo keines mehr angestaut war, Kreditvergabe ohne Deckung, geplatzte Wechsel, zudem an Börsen mit Gemütspapier, zudem mit beschränkter Haftung, zudem mit erlaubten Transparenzdefiziten, zudem Dinge zu handeln, die zu handeln bestreitbar wären usw., also eine Vielzahl von Momenten - und nun alle Übel über einen Trick ins Positive zu wenden, wäre schick, kann imponieren wie das Ei des Kolumbus und ist näher besehen kaputt.

Berger würde zu seiner Geschichtsschreibung, ob zur Antike oder Gegenwart, mühelos die Gegendarstellung bringen, wenn seine Version keine Marktlücke wäre, auf Akzeptanz bereits vor 100 Jahren von Johann Silvio Gesell getestet. Aber die Antike kam weder durch Nullverzinsung zur Blüte noch war je die Prostitution romantisch. Und auch das "Wunder von Wörgl" hält als Beleg nicht stand, als eine Ortschaft die Ärmel aufkrempelte und sich ein Stück weit von Weltwirtschaftskrise entkoppelte.

Nichtsdestotrotz soll Alternatives gedacht und experimentiert sein, aber sobald "interessant", dann wirklich eigenes Denken, so oft einem auch versprochen wird, es sei alles bedacht und bedürfe bloßer Gefolgschaft.
redaktion - 17/12/2008, 14:36
Titel: Leitzinsen auf Null
US-Leitzinsen auf Null

Die US-Notenbank Fed senkte die Leitzinsen auf das "Allzeittief" von 0 bis 0,25 Prozent. Die Börsen reagierten zunächst entzückt, aber gaben dann wieder nach, denn auch "Minus-Zinsen" (geldpolitisch durchaus möglich) befördern nur dann Kredite, wenn Zuversicht in deren Rückzahlung ist.
Lingual - 17/12/2008, 16:25
Titel:
"Freigeld" und "Nullzinspolitik" passt gut zusammen, so frei nach Silvio Gesell und der Anhängerschaft der "Initiative für natürliche Wirtschaftsordnung" kurz "INWO" genannt. Nach dem "Geldwunder von Wörgl" sollte man meinen hier eine Möglichkeit zur Reformierung des Kapitalismus gefunden zu haben. Tatsächlich schafft derartiges Raum für die Neubelebung des Mittelstandes! Jedoch ändert es nichts am Charakter kapitalistischer Produktionsmethoden, dem Drang nach stetigem Wachstum und deren Folgen für Mensch und Natur!
Beispielgebend hierfür sei Japan benannt,wo seit Ewigkeiten der Leitzins bei faktisch "Null" liegt.
mart2 - 17/12/2008, 20:20
Titel:
Interessant meint mir ja eben nicht blindes Übernehmen, schon gar nicht von Allheilmitteln, da bietet die Geschichte reichlich davon, die geplatzt sind.

Sven hat folgendes geschrieben:
Staatsfinanzliche und gesellschaftliche Armut ergeben sich eher daraus, dass die der Wirtschaft vorbehaltene Abschreibung rechtswidrig privatisiert wird, z.B. den Privatwagen als Firmenfahrzeug auszuweisen usw., ein Szenario, dem nur wenig zuleibe gerückt wird, solange Kommunen, Regionen und Staaten um ihre Wirtschaftspotentaten egoistisch buhlen anstatt im Wege eines globalen Steuersystems die Kapitalmobilität nachzuvollziehen.

Das und anderes, z.B. auch die zu einfach gemachte Vorgehensweise, simple Schneeballsysteme als Fonds anzudrehen.

Sven hat folgendes geschrieben:
wenn die Autoren Professoren sind

Heißt an und für sich nichts, indiziert aber wenigstens, dass die grundlegende Rechnerei eher stimmen mag.

Die Finanzkrise ist nicht die direkte Folge der Finanzstauseen, die sorgen eher dafür, dass ohne reale Wertmehrung schier unwirklich erscheinende Geldbeträge (rechtsverbindliche Verpflichtungen) wachsen, als verhältnismäßig rasch verfügbare liquide Mittel überall gern genommen (und verzinst) werden. Zum Beispiel von den Banken, die dafür Forderungen verkaufen. Am Ende muss das alles jemand zahlen, und das sind in den USA und wohl auch anderswo die Enden der Kette, die Mittelständler, Kleinanleger, Kreditnehmer.

"Alte Idee" bei mir deswegen, da von Gesell aufgegriffen, wurde schon gesagt.

Also wie gesagt, kein Allheilmittel. Auch viel esoterisches Getue allenthalben um das Thema, und die blühenden mittelalterlichen Landschaften kauft ihm auch keiner ab. Der Gedanke mag für die Diskussion, ob es Alternativen gibt und wenn, welche das sein könnten, dennoch lohnend sein.
Lingual - 17/12/2008, 20:51
Titel:
mart2 hat folgendes geschrieben:

Also wie gesagt, kein Allheilmittel. Auch viel esoterisches Getue allenthalben um das Thema, und die blühenden mittelalterlichen Landschaften kauft ihm auch keiner ab. Der Gedanke mag für die Diskussion, ob es Alternativen gibt und wenn, welche das sein könnten, dennoch lohnend sein.


Ja sicher! Aber wer ernsthaft "Alternativen" sucht, wird an Marx und Engels nicht vorbeikommen. Auch dann nicht, wenn man zusammenfasst, anders erklärt und das gleiche meint! Es gibt weder Abkürzungen noch einen "dritten Weg" zur Vernunft!
redaktion - 18/12/2008, 14:50
Titel: Sozialismus-Verklärung
@Lingua,

Marx analysierte den Kapitalismus, den Sozialismus vorauszusehen, war ihm nur wenig möglich. Dafür anderen, die siebzig Jahre viel überlegten und experimenten, wie die sozialistische Volkswirtschaft auf die Sprünge zu bringen sei, aber das gelang letztlich nicht und keineswegs nur deshalb, weil sich die sozialistischen Staaten im globalen Wettbewerb mit den marktwirtschaftlichen Systemen befanden (wie z.B. Genossenschaften in Westdeutschland), sondern weil die politische Spruchmaschinerie zu wenig Güter produzierte, Gequatsche macht nur Gequatsche satt, und die Orden für die Helden der Arbeit zielten auf einen Idealismus ab, wie es mit materialistischen Erkenntnissen verhersehbar war, also zu wenig Anreiz bot, die eigene Arbeitskraft der Allgemeinheit und nicht dem privaten Schwarzmarkt zu widmen.
Obwohl Permanentthema in allen Denk- und Entscheidungsbereichen, fand sich keine Lösung, um den wirtschaftlichen Verfall zu stoppen. Stattdessen wurden intern die Verantwortlichkeiten hin und her geschoben, möglichst noch über die Grenzen, weil der eigene Kopf nicht in die Schusslinie geraten durfte.
In den hinteren Reihen gab es neben vielen Karrieristen durchaus viele Leute, die glaubten, das System sei solange nicht therapierbar, wie aus Gründen der Demokratie- bzw. Legitimitätsdefizite nicht gewagt werde, die tatsächliche Dimension der Probleme zu nennen. Daher waren die Hoffnungen groß, als Glasnost und Perestroika eingeläutet wurden, aber der Wandel wurde anderer, als es solchen Kommunisten Wunschdenken war, die den Sozialismus auch tatsächlich für reformierbar hielten, obwohl er schon in übersichtlichsten Einheiten versagte und der Großteil der Machteliten bloß darauf bedacht sein konnte, ihre Privilegien auf Biegen und Brechen zu wahren; und als es dennoch zerbrach, wussten viele dieser Führungskader, in Russland mehr und in Ostdeutschland weniger, alles ihnen greifbare "Volkseigentum" oligarchisch zu privatisieren. - Aus der Traum, der für viele alles andere als ein guter war.

Du glaubst, es gebe "keinen dritten Weg zur Vernunft". Vernunft ist aber das, was die widerstreitenden Interessen harmonisiert, also in Deinem Bild der Wege an den Kreuzungen Ampeln aufstellt, sei es durch Eindämmung oder Förderung von Partikularinteressen, während die Unvernunft dazu neigt, Partikularinteressen zu verabsolutieren, zumeist im Wege, sie zu Mehrheits- oder gar Allgemeininteressen zu verklären. In solcher Verklärung liegt der systemübergreifende und schichtenübergreifende Nenner des Lobbyismus.

Grüße von Sven
Lingual - 18/12/2008, 20:23
Titel:
Lieber Sven,

du sollst nun nicht erwarten, dass ich dir widerspeche. Dem was du schreibst ist nicht zu widersprechen, da kein Bewusstsein vorhanden ist um das Fehldenken, welches aus deinen Worten hervorgeht, zu erkennen. Das soll kein Vorwurf sein, da diese Meinung weit verbreitet ist. Für Opportunisten also nichts ungewöhnliches.

"Bescheidenheit" scheint den meisten Menschen ein Fremdwort zu sein, so misst man den Wert einer Gesellschaft an dem, welche Möglichkeiten sich ergeben "Reichtümer" respektive "Wohlstand" anzuhäufen, ohne lange zu fragen von wem und schon gar nicht woher es kommt! Das der Kapitalismus dem Sozialismus in dieser Frage überlegen ist, ist unschwer zu erkennen! Aber stell dir doch mal vor, dass Ausbeutung und Vernutzung nicht ohne weiteres stetig fortsetzbar sind. Weil irgendwann nichts mehr vorhanden ist, da die Natur inkl. des Menschen nicht soviel hergibt, um jedem das zu bescheren, wovon er glaubt, dass es ihm zustünde! Gerade wegen dieser begrenzten Möglichkeiten wird die imperialistische Globalisierung fortgesetzt. Getrieben von der unstillbaren Gier nach Profit! Meinst du nicht, dass derzeit Missstände und Schieflagen in der "Verteilung" bestehen? Und wo war sie besser geregelt? Von der Moral in Punkto zwischenmenschlicher Beziehungen gar nicht zu sprechen! Was für meine Begriffe an erster Stelle zur Bewertung einer Gesellschaftsordnung zu stehen hat! Und sei es zum Preis dafür "Ampeln" aufzustellen, um jedem "freie Fahrt" zu ermöglichen, statt der Diktatur des Geldes zu unterliegen!
Aber ich kann nur reden. Reichtümer kann ich nicht versprechen, zumindest nicht solche, denen wir gern hinterherlaufen! Besser sind jene, die wir mit dem Sozialismus vorerst verloren haben. Wir sollten uns dieser besinnen und gerecht zu verteilen wissen, besser als in der DDR! Dennoch bleibe ich dabei, wie im anderen Faden zitiert: "Die DDR war eine Epoche weiter und bleibts"(Peter Hacks)

Im übrigen brauchte Marx tatsächlich nicht viel "vorauszusehen"! Unter Anwendung des wissenschaftlichen Materialismus mit den Grundgesetzen aus der Dialektik, ist das so etwas wie "philosophische Mathematik" und der Mathematik zu widersprechen ist schon ziemlich gewagt!

Danke für deine Grüße, die ich hiermit gern erwiedere!
Lingual - 18/12/2008, 20:27
Titel:
Achso!

Statt der "Diktatur desGeldes" kann man ebenso anfügen: "Anarchie des Geldes"! Winken
martin - 19/12/2008, 16:18
Titel:
Hallo Lingual,

dein weichgezeichnetes Genrebild der DDR läuft darauf hinaus, die permanente Mangelwirtschaft, in der alle gar nichts haben (bis auf eine feudal residierende Nomanklatura), als Mittel zur Verbesserung des Zwischenmenschlichen zu empfehlen. Bei aller berechtigten Kritik am Konsumismus unserer Tage glaube ich nicht, dass man irgendjemandem solche Armutssolidarität - Solidarität nicht mit den Armen, sondern Solidarität aus Armut - als politisches Rezept verkaufen kann.

Zitat:
Meinst du nicht, dass derzeit Missstände und Schieflagen in der "Verteilung" bestehen?


Vor allem meine ich nicht, dass ein kommunistisches "Bewusstsein" die Grundvoraussetzung darstellt, um Kritik an ökonomischen Zuständen zu üben.

Grüße von martin
Lingual - 19/12/2008, 17:23
Titel:
Hallo Martin!

Ich pflichte dir bei, dass permanenter Mangel genau so zu verurteilen ist, wie permanenter Überfluss. Wobei es sich mit letzterem scheinbar etwas unkritischer leben lässt, wie mir scheint!

Zumal die Startbedingungen nach dem mörderischem Hitlerfaschismus welcher Schutt und Asche hinterließ, wohl ungleich besser für Westdeutschland gestellt waren. Der Osten hatte keinen "reichen Onkel" aus Übersee, leider nur einen "Bruder" dem auch übel mitgespielt wurde. Zudem wurde der im Lauf der Jahrzehnte gewonne "Wohlstand" in der DDR mit Händearbeit und nicht auf einem Schuldenberg errichtet. Vor der "Wiedervereinigung" hatte ein DDR-Bürger umgerechnet keine 500,-DM Staatsschulden zu tragen. Ein BRD-Bürger hatte derzeit 18.000,- DM "auf der Uhr". Natürlich sind diverse Fehler der DDR-Wirtschaftslenker nicht kleinzureden. Etwas Kopfschütteln erregt bei mir, das närrische Verlangen nach "Konsum" als ob es nichts anderes gäbe, mit dem Menschen ausgelastet sind! Dieses geistige Defizit stellt für mich den größten Posten einer "Mangelwirtschaft" worüber wir uns in der DDR nicht zu beklagen brauchten!
Lingual - 19/12/2008, 17:55
Titel:
martin hat folgendes geschrieben:
....permanente Mangelwirtschaft, in der alle gar nichts haben (bis auf eine feudal residierende Nomanklatura)


Wovon sprichst du? Du meinst bestimmt die heutigen Zustände! Naja, ganz so schlimm ist es noch nicht. Aber visuell gesehen sind wir davon nicht mehr weit entfernt! Winken
redaktion - 19/12/2008, 18:12
Titel: Sozialismus kann (nicht) jeder
martin hat folgendes geschrieben:
Vor allem meine ich nicht, dass ein kommunistisches "Bewusstsein" die Grundvoraussetzung darstellt, um Kritik an ökonomischen Zuständen zu üben.

Zumal es mir am "kommunistischen Bewusstsein" nicht gefehlt haben dürfte.

Lingual hat folgendes geschrieben:
Dem was du schreibst ist nicht zu widersprechen, da kein Bewusstsein vorhanden ist um das Fehldenken, welches aus deinen Worten hervorgeht, zu erkennen.

@Lingual, Du müsstest darlegen, was Du unter "kommunistischem Bewusstsein" verstehst. In den ideologischen Führungsetagen des staatlichen Sozialismus wurde zwar reichlich propagiert, dass kommunistisches Bewusstsein Folge vor allem des Industrie-Arbeiterschaft sei, "Klassenstandpunkt des Proletariats", "Sein bestimmt das Bewusstsein" usw., aber ernsthaft hat man darauf nicht vertraut, sondern ein marxistisch-leninistisches Bildungswesen für erforderlich gehalten, um über die Begehrlichkeiten des eigenen Proletariats in den sozialistischen Staaten "wissenschaftlich" zu verklären und zu steuern; und Richtung Westen und übrige Welt revolutionäres und/oder Gerechtigkeitspotential über bloße Robin-Hood-Mentalität hinaus für den Ost-West-Konflikt nutzbar zu machen.

Der kommunistische "Klassenstandpunkt" war obendrein auch nur den wenigsten kommunistischen Führern in die Wiege gelegt, sondern meist fingiert durch Pseudomitgliedschaften bzw. "Ehrenmitgliedschaft" in Gewerkschaften usw., während die Wiege oft genug genau in den "kleinbürgerlichen" Verhältnissen stand, gegen die so reichlich spottete, wer in der Not war, der eigenen kleinbürgerlichichen Herkunft unverdächtig zu sein, obwohl dafür niemand haften sollte, aber ihnen haftete man, wurde im Bildungsweg diskriminiert usw. - und Intellektuelle waren den kommunistischen Parteispitzen per se generalverdächtig, "den Sozialismus zu verraten".

Mit westdeutschen Kommunisten hatten die Staatskommunisten stets so ihre liebe Not, denn im Westen fanden sich einfach zu wenige aus den Reihen der Arbeiterschaft, die mit ihren "Klassenbrüdern" im Osten hätten tauschen mögen.
Stattderer erwärmten sich nicht selten Intellektuelle und/oder Weltverbesserer aus höheren Gesellschaftsschichten für den Sozialismus, mit denen es mangels personeller Alternativen auszukommen galt. Dafür tat man viel, ich durfte in Moskau an der "Parteihochschule" studieren, man bot westlichen Kommunisten mit privilegierten Genossen adäquate Ansprechpartner, die jedoch im kleinbürgerlichen Milieu der sozialistischen Staaten selbst kaum zu sagen hatten oder sich westlichen Kommunisten gegenüber verstellten und möglicherweise nur den östlichen Geheimdiensten Berichterstatter waren.
Das Misstrauen war abgrundtief. Wer trotz der vielen Spitzel und Intrigen auf Vertrauen setzte, war ein Idiot, bestenfalls ein netter. Allein in der Frontstellung zum "Kapitalismus, Imperialismus, ..." war man sich einig, in den Methoden und Zielen weniger.
Ab April 1985 kollabierte die Allianz aus Leuten mit "kommunistischem Bewusstsein" und Leuten, denen "Kommunismus" nur Synonym für ihren persönlichen Egoismus war - und wenn sie gelassen wurden, mühelos in zum "Kapitalismus" mitsamt dem "Volkseigentum" konvertierten.

"Kommunistisches Bewusstsein" kann nur sein, was an innerer Überzeugung die dem Kommunismus wesentlichen Forderungen umfasst, die revolutionäre Vergesellschaftung der Produktionsmittel, die Diktatur des Proletariats gemittelt durch die Partei Neuen Typs und als Alibi für die eigenen Missstände die Erforderlichkeit des Sozialismus im Weltmaßstab.

"Lingual":-) war das alles kein Problem, denn die "Sprache der Partei" konnte jeder erlernen, der ebensogut hätte Englisch oder Kochrezepte hätte erlernen können, aber welche Probleme sich auftun, wurde schlichtweg ignoriert, vom "kommunistischen Bewusstsein" ausgeblendet, dabei lässt es sich so einfach in kleinsten Experimenten ergründen, was mit größerer Dimension an Problemen mitwächst.

Mein Vorschlag an Kommunisten, Sozialisten ist durchaus wohlwollend, aber folgender: Schaue Dich um, mit welchen zwei, drei oder 400 netten Menschen Du Dich am besten verstehst. Mit denen gründe eine Genossenschaft, die den Gewinn investiert, verteilt oder den Marktpreis unterbietet, lasst gleichwohl etwas für das Finanzamt und andere Projekte übrig, wie es wenngleich nur wenige Kapitalisten tun, damit auch Aufgaben erfüllt werden, die Ihr nicht im Sortiment habt, für welche, die es schwerer haben, oder falls das Experiment scheitert, Euch moralisch auf Sozialhilfe berechtigt.

Fehlt es an Idee, was eine Genossenschaft arbeiten/anbieten könnte, würde Bildung helfen, denn zu tun für diese Welt gibt es wirklich viel, und wenn es nicht nur ungefragtes Geschwätz ist, dann sogar auch mit Verdienst in schnödem Geld. Aber wenn Du nicht wenigstens einen Menschen findest, mit dem Du etwas kannst, dann befrage Dein "kommunistisches Bewusstsein", wieso die Menschheit an Wirtschaft tun sollte, was Du Dir nicht selbst abverlangst, in größer werdenden Experimenten testet. Es sei denn, Du glaubst nicht daran. - Dann aber bliebe von Deinem "Kommunismus" nur Sozialdemokratisches übrig, z.B. die Gewerkschaften in ihren Forderungen zu unterstützen, den Reichen deutlich mehr in die Taschen zu greifen, weltweite Sozialstandards einzufordern.

Lingual hat folgendes geschrieben:
Du meinst bestimmt die heutigen Zustände! Naja, ganz so schlimm ist es noch nicht. Aber visuell gesehen sind wir davon nicht mehr weit entfernt!

Nein, es betraf den Sozialismus. Aber recht hast Du, dass die Verhältnisse keinen Anlass geben, sich auf die "freien Kräfte des Marktes" zu verlassen. Nur braucht es dann Regeln und Haftung, jedoch keine Wende zum Kollektivismus, in dem sich die persönliche Verantwortung von vornherein in bloßes Blabla verflüchtigt.
Lingual - 19/12/2008, 19:52
Titel:
Nein! Ich meinte nicht "kommunistisches Bewusstsein" sondern allgemeingültiges "Bewusstsein" welches ohne Frage nicht nur Kommunisten zugebilligt werden sollte. Deinen Ausführungen ist zurecht zu entnehmen, dass sich hier natürlich auch eine Fassade aufbaute, die der Realität nicht entsprach. Nun möchte ich dem Leser "kommunistische Ideologie" ersparen, da ohnehin verschmäht! Zumindest werde ich mich auf wesentliches beschränken. Wer damit involviert ist, wird wissen das Kommunisten in dem Fall von "Revisionismus" insbesondere von Lenin und Stalin erklärt, sprechen.

Wenn es aber nun an "Bewusstsein" mangelt und selbst vermeintliche Kommunisten eine Lösung nach dem "darwinistischen Prinzip" in dem niederes Bewusstsein höheres nie versteht (wie auch Frage Winken ) bevorzugen, dann scheint die Sozialdemokratie ein guter Kompromiss. Wohl aber ein fauler, da sie sich des Opportunismus bedient. Die Wahrheit trotz besseren Wissens verschweigt um mit "Verbrechern" an einem Tisch speisen zu dürfen und den Ansprüchen quantitativen Denkens genüge zu tun. Etwas anderem ist kapitalistisches Demokratieverständnis auch nicht verpflichtet und bisweilen im Volk verankert. Bietet es doch die Gelegenheit an der Vernutzung aller "Reichtümer" gegliedert im Ranking nach edeler Geburt oder erbrachtem "Fleiß" beteiligt zu sein und je nach Mitleid Brosamen zu verteilen. Der selbstgerechten Auffassung der Bourgeoisie entsprechend!

Der von dir, Sven, erwähnte geschichtliche Einblick zur Situation der K-Gruppen und Parteien, welche sich weithin nicht gebessert hat, spricht nicht gegen den Kommunismus, eher dafür! Dazu musst du dich mit dem historischen Materialismus beschäftigen, um eine Erklärung zu finden Winken Ich sag ja: Jegliches braucht seine Zeit. Ich werde sie nicht ungenutzt verstreichen lassen, wir haben sie nicht unbegrenzt!

freundliche Grüße an alle!
Lingual - 20/12/2008, 01:54
Titel: Re: Sozialismus kann (nicht) jeder
redaktion hat folgendes geschrieben:

Mein Vorschlag an Kommunisten, Sozialisten ist durchaus wohlwollend, aber folgender: Schaue Dich um, mit welchen zwei, drei oder 400 netten Menschen Du Dich am besten verstehst. Mit denen gründe eine Genossenschaft, die den Gewinn investiert, verteilt oder den Marktpreis unterbietet, lasst gleichwohl etwas für das Finanzamt und andere Projekte übrig, wie es wenngleich nur wenige Kapitalisten tun, damit auch Aufgaben erfüllt werden, die Ihr nicht im Sortiment habt, für welche, die es schwerer haben, oder falls das Experiment scheitert, Euch moralisch auf Sozialhilfe berechtigt.
Danke für deinen "klugen Rat"!
Zeigt er doch wieder nichts von Kommunismus verstanden zu haben. Die Ökonomie im Sozialismus ist nicht auf Profitmaximierung ausgelegt, sondern auf nachhaltiges, bedarfsgerechtes Wirtschaften. Sei es drum, dass es bisher in keinem Sozialismus im erforderlichen Maß gelungen ist. Beachtet man vom Imperialismus aufgezwungene Rüstungsausgaben, auch nicht verwunderlich! Und komme mir keiner:"das hätten sie nicht gebraucht" Der weiß nicht, wie viele sozialistische Quellenländer niedergedroschen wurden. Vornehmlich durch die USA!
TMoC - 28/12/2008, 15:36
Titel: Re: Sozialismus kann (nicht) jeder
Lingual hat folgendes geschrieben:
Die Ökonomie im Sozialismus ist nicht auf Profitmaximierung ausgelegt, sondern auf nachhaltiges, bedarfsgerechtes Wirtschaften. Sei es drum, dass es bisher in keinem Sozialismus im erforderlichen Maß gelungen ist.


Und damit haste das Kernproblem der Wirtschaft der DDR gefunden, es wurde nie auf Bedarf und Nachfrage reagiert, schau mal nach der Kaffeemaschienenproblematik in der DDR dann verstehst den ersten Teil.
Lingual - 28/12/2008, 16:12
Titel:
Ja, sicher! Weil der dazugehörige Kaffee auch "Mangelware" war, handgebrühter Kaffee eh besser schmeckt, man Kaffeemaschinen nicht essen kann und weil sie unnütz Strom verbrauchen. Die Mühlen der Planwirtschaft waren eben ziemlich lahm, dafür waren die Produkte langlebig, wertbeständig und von hoher Qualität. Um beim Kaffee zu bleiben. Ende der 80iger hatte die DDR endlich die Versorgung im Griff und gesichert. Laut einem Abkommen wurde in Vietnam Kaffee angebaut, er gehört heute zum weltbesten Kaffee überhaupt! Nur haben wir nichts mehr davon und müssen als "Billiglöhner" die Aldibrühe schlürfen! Traurig
TMoC - 28/12/2008, 16:21
Titel:
*lol* wenn ich Dir nen Tip gebe geh dem gefälligst nach....
Lingual - 28/12/2008, 16:45
Titel:
Tja, ich bin doch deinem "Tip" nachgegangen! Bleibt festzustellen, dass Nachhaltigkeit eben Geduld und kluge Planung erfordert! Auf Hauruck kommt da eben nichts zustande! Umweltzerstörung und Kriegstreiberei ist sicher effzienter um an "Wohlstand" zu kommen. Und dann platzt die Seifenblase und das Geheule ist groß!
TMoC - 28/12/2008, 18:59
Titel:
Ok - ich erklärs Dir: In der DDR gabs im Gesamten genug Kaffeemaschienen, aber im Süden worden die gebraucht der Norden trinkt da eher anderes. Aber die Maschienen worden immer gleich verteilt, was am Ende hieß im Süden ständig ausverkauft und Mangelware und im Norden verstaubten die in den Regalen und es ist in den ganze Jahren keiner auf den Trichter gekommen die Teile regional nach Bedarf zu verteilen sondern immer hübsch gleichmäßig, der Stapel im Norden worde größer und der Mengel im Süden auch.
Lingual - 28/12/2008, 19:30
Titel:
Nett von dir, mich mit der Nase draufzustoßen, habe es aus dem Vortext tatsächlich nicht schließen können, was genau du meinst! Klar war das dämlich, daher ist Planwirtschaft doch nicht generell an diesem Umstand zu messen!
TMoC - 29/12/2008, 11:56
Titel:
Du verstehst immernoch nicht: Ideologien scheitern an der Realität wenn man sie als unumstößlich deklarieren will. Alles braucht reale Anpassungen und Einsicht und Entwicklung - um wieder zum Schritt weiter zu kommen den die DDR eben nicht war. Die BRD mag in den Belangen sogar weiter sein, nicht im Großen aber im Kleinen wäre da nicht die Sache mit der EU Verfassung gewesen in der man auch etwas unumstößlich festschreiben wollte was irgendwann von einer positiven Entwicklung hoffentlich beseitigt wird.
Lingual - 29/12/2008, 19:56
Titel:
Unumstößlich ist gar nichts! Ständig wechselt die Erkenntnis! Das rechtfertigt jedoch nicht sein individuelles Leben ohne Rücksicht in den Vordergrund zu stellen und dann noch zu behaupten dies sei "Freiheit"! Die Kritik am gewesenen in der DDR ist durchaus begründet, sie war im eigentlichen Sinn des Wortes nicht "besser" aber gerechter und vernünftiger. Und zwar in Form von Bodenständigkeit, Kultur und Solidarität. Natürlich auch den Umständen geschuldet, dennoch Wegweisend! Und somit "eine Epoche weiter!"
Anonymous - 29/12/2008, 22:38
Titel:
lingual hat folgendes geschrieben:
Das rechtfertigt jedoch nicht sein individuelles Leben ohne Rücksicht in den Vordergrund zu stellen und dann noch zu behaupten dies sei "Freiheit"!

Aber mindestens ebensowenig, eine höchst zweifelhafte Konstruktion einer kollektiven Wohlfahrt als staatlichen Eingriffsgrund zu postulieren, daraus direkt Planwirtschaft mit ihren absurden Produktions- und Nachfrageermittlungsverfahren anzupreisen und das dann als "Gerechtigkeit" andrehen zu wollen.
Lingual - 29/12/2008, 22:59
Titel:
An "Absurditäten" hat es der Planwirtschaft im Sozialismus weithin nicht gefehlt! Daher auch zurecht hier angeprangert und beschrieben. Absurder ist es aber den Menschen samt Umwelt für schnöden Profit zu vernutzen! Ein Plan lässt sich den Bedürfnissen anpassen. Der Raubbau an Natur und Mensch zur Deckung der gehobenen Ansprüche einer Weltminderheit wohl kaum!

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