Gewaltkinder
Verfasst am: 12.02.2005 17:51 | |||||||
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Die meisten Menschen, die deinen Text lesen, werden denken: "Wenn du so fatalistisch bist, dass dir der "Untergang" unausweichlich scheint, dann tue doch wenigstens bis dahin Dinge, die dir mehr Spaß machen als Raufereien." Aber die meisten Menschen verkennen eben auch, dass es Jugendliche gibt wie dich, denen Prügeleien zumindest für einige "wilde Jahre" das Höchste ist. Auch mir machte es Spaß. Ich war vielleicht fünfzehn. Tatsächlich gab es schon in den Siebzigern "Stress mit Türken", allerdings damal mehr noch mit italienischen Kids, denn Raufelkids gibt es auf allen Seiten - und wenn es nicht ausländische Kids gewesen wären, dann hätten sich die ortsansässigen Raufelkids eben mit Raufelkids aus dem Nachbarkaff gekabbelt. Als ich davon mitbekam bzw. mitkabbelte, wurde daraus mein Einstieg in die "politische Arbeit", denn ich mochte nicht, dass dt. Kids die südländischen Kids als "Schwarzfüße" etc. nannten, wenn in diesem Alter doch vielen Kids die Scheu vor Waschwasser gemeinsames Problem ist. Ich fand auch nicht richtig, dass südländische Kids die dt. Kids "Kartoffelfresser" nannten, was auch deshalb schon Schwachsinn ist, weil ich kaum irgendwelche Kids kannte, denen Nudelgerichte mit Ketchup schlechter schmeckten als Kartoffeln. Also zog ich mit einigen "Intellektuellen" los und gingen in das örtliche Rathaus, wollten zum Jugendamt: mehr Mittel für das Jugendzentrum fordern usw. Auf dem Weg durch die Gänge kamen wir am Ratssaal vorbei, guckten rein, es war grad Sitzung und wir durften Fragen stellen. Anschließend fragte mich eine Reporterin der Ortszeitung, wie viele Personen wir seien, ich sah mich um, es waren vielleicht 8 oder 10, aber wenn die so doof fragt, dann sag ich mal "Siebzig". Untertrieben habe ich selten:-) Dann fragte sie mich, wie wir auf die "Idee gekommen sind, das Rathaus zu besetzen". Ich guckte verdutzt meine Freunde an: "Rathaus-Besetzung?" ... Sie nickten. Tja, dann war es eben eine "Rathaus-Besetzung" und ich gab die "unzureichende Jugendpolitik" an. Dann fragte sie mich, was unsere Forderungen seien. Rasch hatten wir eine Reihe davon. Am nächsten Tag stand alles in der Zeitung:-) Ach, war det lustig. Wir waren "echte Revolutionäre". Es gab mehr finanzielle Mittel usw. Auch den "Stress mit den Ausländern" bekamen wir tatsächlich weg. FALSCH! Denn der Stress ging ja von beiden Seiten aus. Und nur weil das klar gestellt war, war diese Art Stress vorbei, wat nicht heißt, dass wir fortan nur noch geknutscht hätten, aber es war ohne gegenseitigen Nationalismus. Das Jugendzentrum war richtig in unserer gemeinsamer Hand. Der von der Stadt bezahlte "Hausleiter" war viel zu lieb und hatte schnell nischt mehr zu sagen. "Wir regelten alles selbst." Als das Jugendzentrum richtig toll war, kamen aus anderen Stadtteilen immer öfter Neider und Raufkids, mit denen wir uns dann wieder prima rumprügeln konnten. Jeden Tag Polizei, vom Hausleiter gerufen, Krankenwagen, obwohl das Krankenhaus keine 50 Meter entfernt war. Es war eine Stimmung, die dazu führte, dass bald die letzten "Taschengeld-Empfänger" und gesittenen Mädchen nicht mehr kamen und nur noch wir "Schläger" samt einigen "Schlampen" verblieben, wie einige von uns Mädchen nannten und trotzdem "spitz" drauf waren. Ich galt in dem Ding als "Dorfprediger", der immer von'ner heilen Welt träumt, aber gleichzeitig Stress geradezu anzieht, wie Licht die Motten. Vor Gericht kam ich damals nie, weil ich der "anderen Seite immer den ersten Schlag gönnte" - das war dann wahrscheinlich auch zu oft in meinen Predigten enthalten. Jedenfalls machte es Spaß, denn manchen Jungs reicht die (körperliche!!!) "Bewegung" in Sportvereinen nicht, sondern sie brauchen mehr Spannung, das Blut an der Jacke. Meine älteren Geschwister und meine Eltern, Lehrer verstanden das nicht. Sie waren "vermutlich anders". Es folgten Jahre im Spagat: "Weltpolitisch für den Frieden", aber im Nahbereich war Nahkampf angesagt. Man wurde "besser und besser": - "Rocker sind Säufer, du brauchst nur die ersten zwei Minuten durchzuhalten. Anschließend machst du sie fertig." usw. - "Die meisten grölen nur im Pack rum. Nutze die Gelegenheit, stelle sie dir einzeln, dann werden sie schon von selbst zahm." - "Du musst nur aufpassen, dass ... Das gelang allerdings nicht immer. Später noch neben dem Studium einen Job draus gemacht: Europacenter Berlin, damaliges "Tolstefanz". Niemand konnte verstehen, wie solch ordinärer Job mit meinen politischen Aktivitäten zusammenpasste, aber egal, denn ich blieb ja "sauber" und hatte Geld zur Unabhängigkeit vom notorisch nörgelnden Elternhaus - was einem in solchem Alter nicht unwichtig ist. Kurzum: "lieber Gast, ich kann dich verstehen" Nur glaube mir trotzdem: Die Zeit bleibt nicht stehen und du musst zusehen, wenn du ein "Problemkid" bist, dass du sie überstehst, denn ungefährlich sind solche Lebensabschnitte ja nicht.
Das ist überhaupt nicht Sinn unserer Seiten. Ob du es glaubst oder nicht: Wenn ich wat will, dann das >> du sollst dir nicht zu sehr weh tun und auch anderen Leuten nicht. Immer nur so viel, wie du und deine Kontrahenten an Spannung und (körperlicher!!!) "Bewegung" brauchen, aber achtet darauf, dass es keinen dauerhaft schädigt - und auf keinen Fall darf es jemals Leute treffen, die an solch "Stress" kein Interesse haben, sondern friedlich sind. Darum solltest du nichts davon abhängig machen, ob einer deutsch, chinesisch oder sonst etwas ist, sondern ob mir dir eine Runde drehen will und als Gegner genügt, nicht nur Opfer ist. Solche Einstellung lasse dir anmerken. Wenn sie dir fehlt, dann entwickle dir das, denn sonst bist du einfach eines von diesen "Kotzblagen"/Rotzblagen, deren Mundwerk größer wird, je entfernter der "Feind" ist oder je kleiner der Gegner.
Stimmt, es sind "nur Worte". Nun "handle", aber vergiss das Denken nicht. Grüße von Sven ps: irgendwann entsprach dann mein Handeln meinen Worten |
viele denken >> Gewalt finden übrigens alle schlecht