Hohmann und Gottlose

Weitere Strafanzeige gegen Hohmann et al. wegen Hetze gegen "Gottlose"

Pressemitteilung (23. November 2003) http://antitheismus.de/ 

Gegen den CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann wurde erneut Anzeige u.a. wegen Volksverhetzung gestellt, diesmal wegen seiner die Menschenwürde von Atheisten angreifenden Äußerungen.

Achim Stößer von antitheismus.de erklärt dazu: "In seiner Rede zum deutschen Nationalfeiertag 2003 hatte Hohmann die Frage nach 'den Juden' als 'Tätervolk' aufgeworfen, was er gegen Ende der Rede halbherzig zurücknahm, um damit durch die Hintertür seine nationalistischen Phrasen zu untermauern. Dabei präsentierte er zugleich das, was er als Christ als Tätervolk angibt: die Atheisten."

"Hohmann suggeriert in seiner Rede, allein Personen, die dem Glauben an Götter anhängen, würden 'nicht morden' und damit im Umkehrschluß, Atheisten wären 'die Täter'", so Stößer weiter. "Ein Blick in ein Geschichtsbuch oder eine Tageszeitung - etwa, was Kreuzzüge, 'Hexen'verfolgung, Religionskriege, in jüngerer Geschichte und Gegenwart beispielsweise Ruanda und Nordirland betrifft, zeigt, daß damit also die Realität in ihr Gegenteil verkehrt wird. Die allgegenwärtige Diffamierung von Atheisten werden wir nicht länger stillschweigend hinnehmen - daher haben wir heute Anzeige erstattet."

Während Hohmanns antisemitische Propaganda zurecht für Aufruhr sorgte, ging dabei seine nicht einmal ansatzweise relativierte Hetze gegen Atheisten unter: "Die [Nationalsozialisten] entstammten einem christlichen Elternhaus", bemerkt er zunächst richtig, fabuliert dann jedoch: "Sie hatten aber ihre Religion abgelegt und waren zu Feinden der christlichen und der jüdischen Religion geworden. Verbindendes Element des Bolschewismus und des Nationalsozialismus war also die religionsfeindliche Ausrichtung und die Gottlosigkeit. Daher sind weder 'die Deutschen', noch 'die Juden' ein Tätervolk", und fährt in die historischen Fakten auf den Kopf stellendem Revisionismus fort: "Mit vollem Recht aber kann man sagen: Die Gottlosen mit ihren gottlosen Ideologien, sie waren das Tätervolk des letzten, blutigen Jahrhunderts."

Mit dem bemerkenswerterweise selbst heute noch negativ konnotierten Wort "Gottlose" werden Menschen diffamiert, die nicht an Osiris, Poseidon, Wotan, Huizilopochtli, Baal, Manitou, Jahwe, Hurakan, Nialich, Zeus, Allah, Thor, Vishnu, Indra, Apoll, Izanami, Quetzalcoatl oder sonstige Götter glauben.

Stößer: "Hohmann weist also mit seiner Rede in geschichtsrevisionistischer Manier den Atheisten die Täterschaft an den Verbrechen des Nationalsozialismus zu, während in Wahrheit beispielsweise der Antisemitismus der Nationalsozialisten bekanntermaßen auf dem christlichen Antisemitismus basierte."

Tatsache ist, daß sowohl die Vorgeschichte als auch die Geschichte des Nationalsozialismus wesentlich theistisch geprägt sind. Die Parallelen des "Führerprinzips" zum Theismus (Gott), insbesondere dem Christentum (Jesus) und hier besonders dem Katholizismus (Papst) sind zumal angesichts des katholisch erzogenen "Führers" des "3. Reichs" Adolf Hitler kaum zu leugnen. Die religiöse Untermauerung des Faschismus bestand primär im Christentum, dazu ein wenig "heidnische" Religion, germanische Götter. Hierzu gehört neben dem erwähnten christlichen Antisemitismus auch die Unterstützung Hitlers durch den Papst, durch bischöfliche Hirtenbriefe uvm., und es setzte sich nach Kriegsende fort mit der "Ratline", die unter Beteiligung des Vatikan Nazis Fluchthilfe bot.

Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, meinte zur Rede Hohmanns, es sei ein Skandal, daß "viele Menschen das einfach so akzeptiert haben, was da gesagt worden ist". Bezogen auf Hohmanns atheistenfeindlichen Aussagen gilt, daß nahezu alle Menschen sie widerspruchslos hinnehmen.

Desweiteren wurde wegen Verbreitung dieser Rede bei der Staatsanwaltschaft Fulda Anzeige gegen Mitglieder des Vorstands der CDU Neuhof sowie den Webmaster deren Website erstattet, auf der die Rede wochenlang zugänglich war.

Weitere Informationen hierzu, u.a. die Hohmann-Ansprache im vollen Wortlaut, den in einem Schulbuch von 1940 abgedruckten Luther-Text "Von den Jüden[sic!] und ihren Lügen", das Koppelschloß der Wehrmacht mit der Aufschrift "Gott mit uns" usw. sind im Internet unter http://antitheismus.de in der Rubrik "Gott und die Faschisten" zu finden.

Anhang: Auszug aus der Hohmann-Rede

"Die Juden, die sich dem Bolschewismus und der Revolution verschrieben hatten, hatten zuvor ihre religiösen Bindungen gekappt. Sie waren nach Herkunft und Erziehung Juden, von ihrer Weltanschauung her aber meist glühende Hasser jeglicher Religion. Ähnliches galt für die Nationalsozialisten. Die meisten von ihnen entstammten einem christlichen Elternhaus. Sie hatten aber ihre Religion abgelegt und waren zu Feinden der christlichen und der jüdischen Religion geworden. Verbindendes Element des Bolschewismus und des Nationalsozialismus war also die religionsfeindliche Ausrichtung und die Gottlosigkeit. Daher sind weder 'die Deutschen', noch 'die Juden' ein Tätervolk. Mit vollem Recht aber kann man sagen: Die Gottlosen mit ihren gottlosen Ideologien, sie waren das Tätervolk des letzten, blutigen Jahrhunderts. Diese gottlosen Ideologien gaben den 'Vollstreckern des Bösen' die Rechtfertigung, ja das gute Gewissen bei ihren Verbrechen. So konnten sie sich souverän über das göttliche Gebot 'Du sollst nicht morden' hinwegsetzen. Ein geschichtlich bisher einmaliges millionenfaches Morden war das Ergebnis. Daher, meine Damen und Herren, plädiere ich entschieden für eine Rückbesinnung auf unsere religiösen Wurzeln und Bindungen. Nur sie werden ähnliche Katastrophen verhindern, wie sie uns Gottlose bereitet haben."

Anhang: Auszug aus dem Strafgesetzbuch

§ 130

Volksverhetzung

(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

  1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder
  2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

  1. Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Haß gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, daß Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
    1. verbreitet,
    2. öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,
    3. einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder
    4. herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder
  2. eine Darbietung des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk verbreitet.

Staatsanwaltschaft beim Landgericht Fulda

02.03.2004

Auf die Strafanzeige des Achim Stößer in Salmünster vom 23.11.2003

g e g e n
a) den Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann
b) den Vorstand der CDU Neuhof
w e g e n des Vorwurfs der Volksverhetzung und Beleidigung

wird die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgelehnt, § 152 Abs. 2 StPO.

Gründe:
I.
Am 03.10.2003 hielt der Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann in Neuhof vor ca. 150 Zuhörern zum Tag der Deutschen Einheit eine Rede u. a. zum Thema „Gerechtigkeit für Deutschland“.
Der Text der Rede wurde mit Zustimmung des Angezeigten auf der Internetseite des CDU-Gemeindeverbandes in Neuhof veröffentlicht.

Der Angezeigte wirft in seiner Rede die Frage auf, ob es bei den Juden eine „dunkle Seite in der neueren Geschichte gebe“ und behauptet, unter maßgeblicher Beteiligung „jüdischer Tschekisten“ hätten im Jahr 1917 und danach ca. 10 Millionen Menschen den Tod gefunden. Der Angezeigte fährt fort, im Hinblick auf den Umstand, dass Juden in „großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka-Erschießungskommandos aktiv“ gewesen seien, könnte man „Juden mit einiger Berechtigung“ als „Tätervolk“ bezeichnen. Zum Schluss seiner Rede kommt der Angezeigte zu dem Ergebnis, die Vorwürfe, die „Deutschen“ wie die „Juden“ seien ein „Tätervolk“, würden von an der Sache vorbeigehen; vielmehr seien (nur) die „Gottlosen mit ihren gottlosen Ideologien das Tätervolk des letzten, blutigen Jahrhunderts“.
Auf der Internetseite der CDU Neuhof wurde die Rede am 30.10.2003 gelöscht.
Als die Rede bundesweit bekannt wurde, stieß diese bei allen im Bundestag vertretenen Parteien und Gesellschaftsschichten überwiegend auf Ablehnung und wurde in allen Medien kritisiert.
Nachdem der Angezeigte sich anfangs nicht von seiner Rede zu distanzieren vermochte, entschuldigte er sich angesichts des drohenden Fraktionsausschlusses öffentlich am 12.11.2003 für die von ihm gebrauchten Formulierungen.
Am 14.11.2003 erfolgte der Ausschluss des Angezeigten aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

II.
Eine Prüfung der nur in strafrechtlicher Hinsicht zu bewertenden Rede des angezeigten Bundestagsabgeordneten Hohmann ergibt, dass im Ergebnis weder § 130 StGB noch § 185f. StGB zu bejahen sind.

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern: jeder soll sagen können, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt oder angeben kann. Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 GG schützt die Meinungsfreiheit sowohl im Interesse der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen, mit der sie eng verbunden ist, als auch im Interesse des demokratischen Prozesses, für den sie konstitutive Bedeutung hat. Auch scharfe und überzogene Kritik entzieht eine Äußerung nicht dem Schutz des Grundrechts. Werturteile sind vielmehr durchweg von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, emotional oder rational sei. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und dem Recht der persönlichen Ehre. Jedoch sind grundrechtsbeschränkende Vorschriften des einfachen Rechts wiederum im Lichte des eingeschränkten Grundrechts auszulegen. (BVerfG NJW 1994, 2934).
Wenn es um die Beiträge zum geistigen Meinungskampf und zur politischen Willensbildung in einer die Öffentlichkeit berührenden Frage geht, spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (BverfG NJW 1992, 1439).
Maßgeblich ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit diese für die Rezipienten erkennbar waren. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird daher den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (BverfG NJW 1990, 3305).
Im Strafrecht ist daher im Zweifelsfall von der für den Beschuldigten günstigsten Auslegung auszugehen (vgl. BVerfG NStZ 2003, 655f.).

III.
1. § 130 Abs. 1 und 2 StGB
Soweit Hohmann in seiner Rede die „Gottlosen“ als „Tätervolk“ bezeichnet und diese für die Verbrechen Bolschewismus, Kommunismus und Nationalsozialismus verantwortlich macht, entfällt eine Strafbarkeit nach § 130 Abs. 1 und 2 StGB, da die „Gottlosen“ kein Teil der Bevölkerung im Sinne von § 130 StGB sind. Angriffsobjekt der Volksverhetzung sind Teile der inländischen Bevölkerung, die sich aufgrund gemeinsamer innerer oder äußerer Merkmale (Rasse, Volkszugehörigkeit, Religion, politische oder weltanschauliche Überzeugung, soziale und wirtschaftliche Stellung) als eine von der Bevölkerung unterscheidbare Bevölkerungsgruppe darstellen und individuell nicht mehr überschaubar sind (OWG Stuttgart NJW 2002, 2893).
Dies trifft auf die sogenannten „Gottlosen“ nicht zu.
Die Rede des Angezeigten wurde im Internet verbreitet. Auch insoweit liegt keine Strafbarkeit vor, da die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 130 Abs. 2 StGB identisch sind mit denen des § 130 Abs. 1, der aber vorstehend bereits abgelehnt wurde.

2. Auch scheidet eine Strafbarkeit nach §§ 185f. StGB aus, da sogenannte „Gottlose“ als Personenmehrheit nicht beleidigungsfähig sind.

Da in der Rede des Angezeigten keine Straftatbestand verwirklicht ist, ist der Staatsanwaltschaft ein Tätigwerden verwehrt, § 152 Abs. 2 StPO.

Die Aufhebung der Immunität des angezeigten Bundestagsabgeordneten war nicht zu betreiben.
Von einer Unterrichtung des Bundestagspräsidenten habe ich abgesehen (Nr. 192a, 191 Abs. 3b RiStBV).

Heblik
Oberstaatsanwalt


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