Hallo Redaktion,

dieser Beitrag ist nicht ins Web eingebunden, weil ich nach zweitägiger Artikel-Brüterei mal wieder doch zum gegenteiligen Ergebnis gekommen bin:   

Die DEGUSSA-Entscheidung des Kuratoriums ist mir zwar nicht recht, aber richtig, denn ein Holocaust-Denkmal ist ohne Sinn, wenn ihm die Juden oder die Nichtjuden wegbleiben. Es muss ein Mahnmal aller sein.
Und diese dialogische Klippe habe ich argumentativ noch nicht überwunden.  Deshalb lasse ich den Beitrag erst einmal liegen. 

Grüße von Sven

Das Ewig Gestrige

zum Baustopp am Holocaust-Mahnmal
 
Das Kuratorium der Mahnmal-Stiftung will den Chemiekonzern DEGUSSA wegen seiner  NS-Vergangenheit als Hersteller von Zyklon B von den weiteren Bauarbeiten ausschließen.

Einwände einiger Kuratoriumsmitglieder, dass sich die heutige DEGUSSA ihrer Firmengeschichte verantwortlich gestellt habe, vermochten sich nicht durchzusetzen.

Wer darf das Mahnmal bauen? 
  
Mahnmals-Initiatorin Lea Rosh erklärte dazu gegenüber der Berliner Morgenpost: "Über 200 deutsche Firmen hatten sich seinerzeit am Programm 'Vernichtung durch Arbeit' beteiligt. Wir fragten uns: Wo will man heute die Grenze ziehen? Und wir kamen zu der Auffassung, die Grenze ist ganz klar Zyklon B."  Die DEGUSSA werde "nicht so töricht sein, das Kuratorium zu verklagen" und wenn doch, werde man es durchstehen. 

Kuratoriumschef und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sucht schon nach einem "fairen Ausstieg" von DEGUSSA. 

Den Vertragsbruch will man "durchstehen", das Recht "fair" brechen. Die DEGUSSA wird sich in ihr Schicksal fügen, denn sie wird "nicht  so töricht sein" und Zyklon B für gute Werbung halten. 
         

Der offizielle Antifaschismus
 
Es ist das böse Spiel mit Schuldkomplexen, mit dem ein Dulden des Vertragsbruchs, ein Schweigen erzwungen wird, das nur in den Kreisen funktioniert, die sich gegenseitig geben.

Aber dem Normalbürger fehlt es für solch "Funktionieren" an Beziehung und Verstand, weshalb es dort viele "persönlich nehmen", obwohl sie weder gemeint noch eigentlich betroffen sind, noch nicht einmal beachtet, wenn nicht gerade ein Haus brennt und dann zu traurigen Lichterketten gerufen wird, zu denen dann weit weniger kommen als in die Fußball-Stadien, aber genügend Gefolgschaft für die Selbstbestätigung derer, die sich einbilden, die Grauen des Holocaust begriffen zu haben und doch nichts schaffen außer ihrer Symbolik. 

Das ist der "offizielle Antifaschismus", der allein noch die Umfrage-Institute mit den wirklichen Massen in Verbindung treten lässt, die da millionenfach zwischen 1.000 Brandstiftern und 200.000 Empörten vor den Fernsehern hocken und sich "ihren Kopf machen", davon nichts merken, dass  sie "in der ersten Reihe sitzen", wie ihnen ARD und Grundgesetz versprechen. 
 
Das ist der "offizielle Antifaschismus", der sich dann wundert, dass es dort in den Fernsehsesseln "latente" Bewusstseinsprobleme gibt.
 

Kollektivschuld - "nicht so gemeint"
 
Aber wen macht das Kuratorium heute haftbar, wenn es die DEGUSSA von der Mahnmalserrichtung  ausschließt?  Die Entscheider und Mittäter von damals? Leben sie noch? Dann bringe man sie vor Gericht.

Nein, das Haftungsmodell des Kuratoriums ist ein anderes und nimmt Generationen später Menschen eines Unternehmens in die Holocaust-Verantwortung, die so wenig verantwortlich für die Verbrechen sein dürften wie diejenigen, von denen sie jetzt mit historischer Schuld belastet werden, wenngleich das "nicht so gemeint" sein mag. 

Wie will man den Menschen im Land erklären, dass ein solcher Beschluss keine Schuldvererbung sei und keine Kollektivbestrafung?  Wer erklärt dem einfachen Mann, wenn er sich fragt, ob womöglich auch er nicht gut genug für die Mahnmalserrichtung wäre?

Wie soll ein Mahnmal den unschuldigen Opfern des Holocaust gerecht werden, wenn seine Errichtung unschuldige Menschen in stellvertretende Täterverantwortlichkeit nimmt?  

Doch auch dieses Argument wird keinen Sinneswandel bringen, denn diese Mahner bekümmern die Emotionen der Menschen nicht. Und weil trotz der notorisch ernsten Minen kaum jemand ernsthaft mit den Mahnern spricht, halten sie möglicherweise den Hinweis auf den öffentlichen Unmut für ein profaschistisches Gerücht oder eben für "der Schoß sei fruchtbar noch".

Das Kuratorium sucht nach neuem Graffitischutz, um den  antifaschistischen Kulissenbau zu perfektionieren, aber das Gespräch mit dem Publikum wäre gescheiter.
      

Kulisse statt Dialog?
  
Und wie hätte man den Holocaust-Überlebenden gegenüber verantworten sollen, dass die DEGUSSA von heute mitbauen darf?  Man müsste ihnen die MENSCHEN zeigen, die das Mahnmal erbauen, denn der einzelne Mensch ist das beste Argument gegen jede kollektive Diskriminierung des Individuums. 

Doch auch dieser Vorschlag wird nicht zählen, kein Teil des Mahnmals sein. Es ist wieder die  Stunde derer, die sich und den Opfern falsche Realitäten präsentieren. So sprach sich auch Berlins Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) gegen die DEGUSSA-Beteiligung aus: "Wir halten eine solche Diskussion nicht durch."
  
Wenn Strieder im Deutschland des Jahres 2003 "eine solche Diskussion nicht durchhalten" kann, welche Diskussion hätte dieser Mann wohl 1938 "durchhalten" mögen?!
  
Die Menschen könnten so vieles "durchhalten", wenn sie bereit wären, auch nur ein bisschen für die Wahrheit zu haften.  Aber mit der Karriere? Das wäre zuviel, denn die Menschen sind heute nicht besser als damals, sondern haben nur mehr Glück, dass es bessere Zeiten sind - in einem  reichen Europa, in dem der Dialog um vieles leichter ist als anderswo. 

Doch im harten Wettbewerb um die Tortenstücke wagt kaum jemand ein Risiko, es sei denn, er glaubt dadurch ein noch größeres zu gewinnen, was sie mitunter durch Populismus versuchen.
    

Holocaust-Mahnmal der unvollendeten Einsicht
 
Deutschland und Kuratorium erweisen sich noch immer als unfähig, ein Mahnmal zur errichten, das nicht noch immer die Herzen nach Rassen trennt.

Die ersten Stelen stehen. Noch ist viel Platz für Bäume. Und Saat für Gras ist im Zweifel besser als Saat für den Unverstand. 

So könnte sich das "Holocaust-Mahnmal" als ein "Holocaust-Mahnmal der unvollendeten Einsicht"  bekennen.
 
Einzig das zentrale Dokumentationszentrum wäre zu wünschen, denn Dokumentation als unaufdringliches Angebot ist zehnfach besser als jede aufgesetzte Symbolik.  
Die geplanten 2.700 Stelen werden den Opfern keine Gutmachung sein können. Und den heutigen Generationen wird dieses Mahnmal nicht anders verständlich als eine Strafe für Verbrechen, die sie nicht taten.  

Wer diese verbreitete Wahrnehmung und auch den Wunsch der Menschen nach Emanzipation von negativer Besonderheit fortgesetzt ignoriert, der schürt den Kollektivschuldkomplex und mag sich für noch so antifaschistisch halten, aber das ist er in der Wirkung nicht, sondern nur sich selbst und im Kreise solcher Mahner, die Menschen gegen Vernunft und Gerechtigkeit über Generationen hinweg haften lassen wie jetzt im DEGUSSA-Streit.

Fast 60 Jahre ist es her, aber zur Emanzipation braucht es länger und weder könnte man sie erzwingen noch von denen erwarten, die sie vielleicht gar nicht wollen.

Der Dialog ist so schwierig, die Propaganda so leicht.  Man muss versuchen, zuzuhören. 
      

Sven INTERNET- JOURNAL  20031027
Hallo Redaktion,

dieser Beitrag ist nicht ins Web eingebunden, weil ich nach zweitägiger Artikel-Brüterei mal wieder doch zum gegenteiligen Ergebnis gekommen bin:   

Die DEGUSSA-Entscheidung des Kuratoriums ist mir zwar nicht recht, aber richtig, denn ein Holocaust-Denkmal ist ohne Sinn, wenn ihm die Juden oder die Nichtjuden wegbleiben. Es muss ein Mahnmal aller sein.
Und diese dialogische Klippe habe ich argumentativ noch nicht überwunden.  Deshalb lasse ich den Beitrag erst einmal liegen. 

Grüße von Sven

Holocaust-Mahnmal Aufruf und Kritik

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