DPA berichtet |
Dienstag 10. Juli 2001 Entschuldigung für Pogrom von Jedwabne |
Jedwabne (dpa) - Der polnische Staatspräsident
Aleksander Kwasniewski hat sich am Dienstag in der ostpolnischen
Kleinstadt Jedwabne öffentlich für das vor 60 Jahren verübte Pogrom
an den 1600 jüdischen Einwohnern des Ortes entschuldigt. «Ich
entschuldige mich persönlich, als polnischer Staatsbürger und Präsident
Polens», sagte Kwasniewski mit ernster Stimme.
Nie wieder dürfe sich wiederholen, was in Jedwabne geschah, als Einwohner Jedwabnes ihre jüdischen Nachbarn am 10. Juli 1941 brutal ermordeten. Die meisten der Opfer wurden bei lebendigem Leib in einer Scheune verbrannt. Der aus Jedwabne stammende New Yorker Rabbiner Jack Baker umarmte den polnischen Präsidenten nach dessen Rede spontan. Es gehe nicht um eine Kollektivschuld oder darum, die Generation der Kinder für die Sünden der Väter verantwortlich zu machen, sagte Kwasniewski. Doch es gelte, die schmerzliche Wahrheit auszusprechen. «Die Opfer waren schutz- und hilflos. Die Verbrecher fühlten sich straffrei, weil die deutschen Besatzer solche Taten wollten», erinnerte das polnische Staatsoberhaupt an das Verbrechen von 60 Jahren, das durch nichts zu rechtfertigen sei. «Wir können keinen Zweifel haben - hier in Jedwabne sind polnische Bürger durch die Hände anderer Bürger gestorben», betonte Kwasniewski. Die Täter hätten sich nicht nur vor ihren jüdischen Nachbarn schuldig gemacht, sondern auch vor den Traditionen Polens. Jahrhundertelang was Polen der Zufluchtsort von Juden aus ganz Europa gewesen. Der israelische Botschafter Schewach Weiss forderte vor allem die jungen Einwohner Jedwabnes auf, gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenhass zu kämpfen. «Du sollst nicht töten», zitierte er auf polnisch, hebräisch und jiddisch. «Ich hatte das Glück, auch andere Nachbarn zu treffen», betonte der in Ostpolen geborene Diplomat. Er sei nur in der Lage, zu den Versammelten zu sprechen, weil polnische Nachbarn ihn und seine Familie in einer Scheune versteckt hatten. «Ich bin überzeugt, dass nach Abschluss der Ermittlungen auf dem Denkmal (für die Opfer des Pogroms) eine Aufschrift mit der historischen Wahrheit stehen wird, unabhängig wie schrecklich sie ist, und auf diese Weise erfahren die Opfer des Mordes die endgültige Gerechtigkeit», sagte Weiss mit Blick auf die laufenden Ermittlungen, die Ende des Jahres abgeschlossen sein sollen. An der Feier nahmen auch Familienangehörige der in Jedwabne ermordeten Juden und der wenigen Überlebenden teil, die aus Israel, den USA und Südamerika nach Polen gereist waren. Die polnische Regierung wurde durch Außenminister Wladyslaw Bartoszewski vertreten, der während des Zweiten Weltkriegs im polnischen Untergrund einer der führenden Vertreter der Hilfsaktion für verfolgte Juden war. Nach der Gedenkfeier zogen die Teilnehmer in einem Schweigemarsch zu dem Ort der niedergebrannten Scheune, wo seit dem Wochenende ein neugestaltetes Denkmal an die Ermordeten erinnert. Dort beteten Rabbiner und Angehörige mit Psalmen und dem jüdischen Totengebet Kaddisch für die Toten. In Jedwabne selbst blieben viele Einwohner der Feier fern, da sie sich pauschal verurteilt sahen. «Das ist keine Feier für uns» sagte ein Frau am Dienstagmorgen. Noch am Montag hingen in einigen Geschäften Flugblätter des «Komitee zum Schutz des guten Namen Polens», in dem es hieß: «Wir entschuldigen uns nicht. Es waren die Deutschen, die die Juden von Jedwabne ermordet haben.» Der Vorsitzende des Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, Ephraim Zuroff, begrüßte die polnische Entschuldigung. Er forderte gleichzeitig, die Verantwortlichen für das Massaker vor Gericht zu bringen.
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