20 Euro für
jahrelange Ausbeutung
Internationaler Tag gegen Kinderarbeit am 12. Juni
Pressemitteilung UNICEF
12.Juni 2003
Der Handel mit Kindern, die als Arbeiter oder Prostituierte
missbraucht werden, wird in Europa zunehmend professioneller und brutaler.
Schon sechsjährige Kinder werden aus armen Ländern wie Albanien,
Moldawien, Ukraine oder anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion ins
Ausland gebracht und müssen als Straßenhändler arbeiten. Mädchen
werden bereits mit 12 Jahren zur Prostitution gezwungen. Darauf weist
UNICEF anlässlich des Welttages gegen Kinderarbeit am 12. Juni hin. Die
Zahl der Opfer lässt sich nicht genau beziffern. UNICEF schätzt, dass
derzeit rund 15.000 Kinder und Jugendliche in Westeuropa leben, die als
Opfer von Menschenhändlern allein aus Albanien verschleppt wurden.
„Die Macht der kriminellen Netzwerke
ist so groß, dass viele Kinder immer wieder in die Zwangsarbeit zurückkehren,
manche aus Furcht vor den Menschenhändlern, manche weil sie Elend und
Trostlosigkeit zu Hause nicht aushalten“, berichtet der Vorsitzende von
UNICEF Deutschland, Reinhard Schlagintweit, der in Albanien mit Opfern des
Kinderhandels gesprochen hat.
Eine im Auftrag von UNICEF erstellte
Pilotstudie in den Herkunftsländern der Opfer Albanien, Moldawien und Rumänien
zeigt aber auch erste Erfolge auf. Durch intensive Aufklärungsarbeit ist
es UNICEF zusammen mit anderen Hilfsorganisationen gelungen, das Tabuthema
Menschenhandel öffentlich zu machen. So entsteht Druck, der bei
Gesetzgebern und Polizei in den betroffenen Ländern energischeres Handeln
bewirkt hat. Andererseits gelingt es den Händlerringen zunehmend besser,
sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen. Razzien in Bars oder Bordellen
bleiben erfolglos, weil die Zuhälter ihre Opfer mit falschen Papieren
ausstatten oder die Prostitution mit Minderjährigen in private Wohnungen
verlagern.
Kinder aus Heimen im Visier der
Schlepper
Besonders gefährdet sind Kinder, die ohne ihre Eltern in Heimen
aufwachsen, auf der Straße leben oder zu Minderheiten gehören. So
berichtet UNICEF aus Moldawien, dass die Menschenhändler gezielt
Jugendliche ansprechen, die aus den staatlichen Heimen entlassen werden -
oft ohne jede Berufsausbildung und Perspektive. In Albanien bieten
Vermittler armen Familien beispielsweise 20 bis 30 Euro für den sechsjährigen
Sohn und etwas mehr für die ältere Tochter und versprechen, den Kindern
würde es im Ausland besser gehen als zu Hause. Für die Netzwerke der Händler
ist dieses Geschäft äußerst profitabel. Die Tageseinnahmen eines
Kindes, das zum Beispiel auf den Straßen griechischer Städte Blumen
verkauft oder bettelt, betragen oft 50 Euro, an Festtagen mehr. Die Kinder
werden mehrmals täglich abkassiert und streng kontrolliert. Wer zu wenig
abliefert, wird brutal geschlagen oder mit Zigaretten verbrannt.
Wo die Angst regiert…
Wie mächtig die Händlerringe sind, illustriert das Beispiel einer
17-jährigen aus Albanien. Sie wollte nach ihrer Rückkehr gegen ihre Zuhälter
aussagen, doch ihre Eltern wurden so unter Druck gesetzt, dass sie ihr
eine Aussage verboten. Das Mädchen lebt heute in einem Schutzzentrum. Schätzungsweise
die Hälfte der Mädchen und Frauen, die aus Westeuropa nach Albanien zurückkehren,
verschwinden kurze Zeit später wieder - die meisten, weil sie wieder in
die Fänge der Menschenhändler geraten sind. Immer häufiger erwerben die
Schlepper vor Ort ihre Opfer mit Gewalt. Ein fünfzehnjähriges Mädchen
charakterisierte ihre Heimatstadt gegenüber Mitarbeitern von
Hilfsorganisationen als „regiert von Angst, nicht durch das Gesetz“
und berichtete, dass stadtbekannte Menschenhändler sich dort nach wie vor
frei bewegen können.
Weltweit 1,2 Millionen verkaufte
Kinder pro Jahr
Kinderhandel ist eine Menschenrechtsverletzung von weltweitem Ausmaß.
UNICEF schätzt die Zahl der verkauften Mädchen und Jungen auf 1,2
Millionen pro Jahr – mit zunehmender Tendenz. Die Opfer stammen aus
armen Familien in Westafrika, Asien, Lateinamerika und zunehmend aus
Osteuropa. Die internationalen Menschenhändler erzielen
Milliardenprofite. Ihr schmutziges Geschäft ist nach dem Waffen- und
Drogenhandel die einträglichste illegale Einnahmequelle.
Schon mehr als 50.000 Unterschriften für
UNICEF-Kampagne gegen Kinderhandel
UNICEF Deutschland macht mit einer bundesweiten Unterschriftenaktion
gegen Kinderhandel mobil, die bereits mehr als 50.000 Unterzeichner
gefunden hat. Mit der Aktion, die von den 120 ehrenamtlichen
Arbeitsgruppen getragen wird, fordert UNICEF die Bundesregierung dazu auf,
eine Vorreiterrolle im Kampf gegen Kinderhandel zu übernehmen. Konkret
verlangt UNICEF:
• Die Bundesregierung soll sich für eine bessere grenzüberschreitende
Strafverfolgung in Europa einsetzen. Sie soll hierzu zwischenstaatliche
Abkommen schließen und schnellstens den Rahmenbeschluss des Europäischen
Rates zur Bekämpfung des Menschenhandels umsetzen.
• Auch in Deutschland brauchen die Opfer des Kinderhandels Schutz. Hilfe
muss vor Abschiebung gehen. Kinderhandel muss als organisierte Kriminalität
auch über die Landesgrenzen verfolgt werden, damit die international
aktiven Täter bestraft werden können.
• Die Bundesregierung soll ihren Ende Januar verabschiedeten Aktionsplan
gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern schnellstmöglich
umsetzen.
• Die wichtigsten internationalen Abkommen zum Kinderschutz müssen
ratifiziert und umgesetzt werden: Die Bundesregierung soll ihre Vorbehalte
gegen die Kinderrechtskonvention zurücknehmen, das Zusatzprotokoll zu
Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie und das
„Palermo-Protokoll“ zu Menschenhandel ratifizieren und die bereits
ratifizierte Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation
schnellstmöglich umsetzen.
• Die Ursachen des Kinderhandels müssen bekämpft werden: Die
Bundesregierung soll stärker Programme zur Armutsbekämpfung,
Schulbildung und Projekte für die Opfer fördern.
Wer die Aktion unterstützen will, kann hier
unterschreiben oder sich an eine der 120 deutschen
UNICEF-Arbeitsgruppen wenden. UNICEF bittet zudem dringend um Spenden, um
damit zum Beispiel Rehabilitations- und Schutzzentren für Opfer zu
unterstützen.
Spenden
Sie online
oder Spendenkonto 300.000, Sozialbank Köln,
Stichwort: Kinderhandel,
Spendentelefon: 0137/ 300.000
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