Kindereltern
UNICEF-Studie: Außenseiter mit Kind
Köln, 29.5.2002. In den Industrieländern werden jedes Jahr schätzungsweise 1,25 Millionen Teenager schwanger.500.000 von ihnen brechen die Schwangerschaft ab, während 750.000 ihr Baby zur Welt bringen. Dies ist das Ergebnis der ersten internationalen Vergleichsstudie über junge Mütter im Alter von 15 bis 19 Jahren, die UNICEF in 28 OECD-Staaten durchgeführt hat.
Danach hat sich zwar in den reichsten Ländern der Erde die jährliche Zahl der Kinder, die von Teenagern zur Welt gebracht werden, in den vergangenen drei Jahrzehnten mehr als halbiert. Gleichzeitig sind aber die sozialen Probleme dieser jungen Mütter gestiegen. In zahlreichen Ländern der Europäischen Union ist ihr Armutsrisiko doppelt so hoch wie für Frauen, die zu einem späteren Zeitpunkt ihr erstes Kind bekommen. In Deutschland leben über die Hälfte der Frauen, die bereits als Teenager ein Kind bekommen haben, in relativer Armut. Vielfach mussten sie ihre Ausbildung abbrechen und haben auch später kaum Chancen, einen qualifizierten Beruf auszuüben.UNICEF ruft dazu auf, bessere Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für Teenager-Mütter zu schaffen. Gleichzeitig müssen Kinder und Jugendliche in Schule und Elternhaus von früh an lernen, über Gefühle, Sexualität und Partnerschaft zu sprechen. Vertrauensvolle Aufklärungs- und Beratungsangebote für Jugendliche sowie Offenheit in den Familien sind der beste Weg, Heranwachsende zu einem verantwortungsvollen Sexualverhalten zu erziehen. Wenn es gelingt, die Zahl der Teenagerschwangerschaften in den Industrieländern weiter zu senken, so das Fazit der UNICEF-Studie, ist dies ein Weg, das Armutsrisiko von Familien und die Weitergabe von Armutsbiographien von einer Generation an die andere zu verringern.
Die Zahl der Teenager-Mütter im internationalen Vergleich
Die meisten Teenager-Mütter leben nach der UNICEF-Studie in den USA. Dort ist die Geburtenrate in der Altersgruppe zwischen 15 und 19 Jahren mehr als doppelt so hoch wie in den meisten anderen Industrieländern. Auf 1.000 junge Frauen kommen dort 52 Geburten. In Europa hat Großbritannien die höchste Rate. Hier bringen durchschnittlich 31 von 1.000 Teenagern ein Kind zur Welt. In Korea, Japan, der Schweiz, den Niederlande und in Schweden leben die wenigsten Teenager-Mütter mit einer Rate unter 7 pro tausend Jugendliche. Deutschland liegt mit rund 13 Geburten pro Tausend Frauen zwischen 15 und 19 Jahren im Mittelfeld der OECD-Staaten.Wenn Mädchen Kinder bekommen
Teenager-Mütter sind in den Industrieländern heute eine Minderheit - allerdings mit gravierenden sozialen Problemen. Zwar kommen nicht alle aus schwierigen Verhältnissen. Doch können ungünstige soziale Voraussetzungen wie Armut, niedriger Bildungsstand sowie Probleme in den Familien die Wahrscheinlichkeit einer frühen Geburt erhöhen.
- In Großbritannien beispielsweise ist die Wahrscheinlichkeit einer Teenagerschwangerschaft für Mädchen, deren Eltern ungelernte Arbeiter sind, zehnmal so hoch wie für Mädchen, deren Eltern der Mittelschicht angehören.
- In den USA leben 40 Prozent aller Teenager in Haushalten mit geringem Einkommen. Auf diese Gruppe entfallen jedoch 80 Prozent aller Geburten und 60 Prozent der Abtreibungen bei Teenagern.
- In Deutschland ergaben Untersuchungen in Mutter-Kind-Einrichtungen, dass für viele der dort lebenden Mütter Alkoholismus, Vernachlässigung, Erwerbslosigkeit der Eltern, materielle Not, Misshandlungen und auch sexueller Missbrauch zu den prägenden Erfahrungen ihrer Kindheit zählen.
Mädchen, die Kinder bekommen sind auch im späteren Alter in vielen Bereichen benachteiligt:
- Die jungen Mütter müssen plötzlich erwachsen sein, obwohl sie selbst ihre Kindheit noch nicht hinter sich gelassen haben. Sie geraten schnell an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.
- Schule und Berufsausbildung treten in den Hintergrund und werden häufig abgebrochen. Damit sinkt die Chance, später einmal einen qualifizierten Beruf auszuüben.
- Die Folge: Das Armutsrisiko für Mütter und Kind ist deutlich erhöht. Im Alter von 30 Jahren gehören in Deutschland zum Beispiel 54 Prozent der ehemaligen Teenager-Mütter zu den 20 Prozent der ärmsten Haushalte.
Sexuelle Revolution und gesellschaftlicher Wandel
In praktisch allen Industrienationen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein tiefgreifender Wandel der Sexualbeziehungen ereignet. Die Heranwachsenden machen immer früher ihre ersten sexuellen Erfahrungen. In 10 von 12 Industrieländern, für die Daten vorliegen, haben mehr als zwei Drittel der Jugendlichen ihren ersten Geschlechtsverkehr vor ihrem 20. Geburtstag. In Dänemark, Finnland, Deutschland, Island, Norwegen, Großbritannien und den USA sind es über 80 Prozent. In Australien, Großbritannien, und den USA hat ein Viertel der 15-Jährigen bereits Geschlechtsverkehr. Gleichzeitig bekommen Frauen durchschnittlich deutlich später ihr erstes Kind. Ausschlaggebend hierfür sind vor allem das gestiegene Bildungsniveau sowie bessere Ausbildungs- und Berufschancen von Frauen sowie der vergleichsweise leichte Zugang zu Verhütungsmitteln. Viele Jugendliche sind allerdings nur unzureichend auf ihre sexuelle "Freiheit" vorbereitet. Zum einen empfinden sie einen Druck, endlich ihre ersten sexuellen Erfahrungen zu machen. Zum anderen können sie das, was sie über Verhütung und Partnerschaft wissen, vielfach nicht auf ihre eigene Situation übertragen. So benutzt zum Beispiel in England nur jedes zweite Mädchen unter 16 Jahren beim "ersten Mal" ein Verhütungsmittel.