"Kriegsbefürworter" sind a) etwas anderes als "Kriegstreiber"
und ich kann mir b) mit beiden Begriffen einen leidenschaftslosen,
sachlichen Umgang vorstellen.
Dass fast jeder
"gegen den Krieg" sei, sagen sie uns hinreichend oft und
vielen glaube ich es, aber wenn man fortgesetzte Bombardierungen
"jetzt und ausnahmsweise für unvermeidlich" hält, dann ist
man eben "jetzt und ausnahmsweise ein
Kriegsbefürworter".
Der
"Friedenswille" allein kann aus den moralischen Nöten nicht
befreien, zumindest nicht in Momenten, in denen man sich - und sei es
noch so ungern - zum Krieg bekennt, weil man den sofortigen und
bedingungslosen Waffenstillstand für schlechter hält.
1. Beispiel: Als
die serbische Militärs von den umliegenden Hügeln die Großstadt
Sarajewo beschossen, da forderte ich militärische Maßnahmen gegen das
Regime in Belgrad, denn die politischen Interventionen beeindruckten die
dortigen Machthaber nicht hinreichend, ihr Problem mit den
separatistischen Bewegungen auf dem Verhandlungswege zu lösen.
Insofern war ich
"Kriegsbefürworter", ja sogar "Kriegstreiber",
während andere wegschauten oder sich noch ehrlich und lobenswert um
eine politische Einigung mit Belgrad mühten.
Meine Vorstellung war, dass die UNO bewaffnet werden müsse, zu
intervenieren habe, um einen Waffenstillstand zwischen den verfeindeten
Gruppen zu gewährleisten.
Als sich abzeichnete, wie parteiisch die NATO zugunsten der Separatisten
wurde, disqualifizierte sie sich mir zunehmend als
Befriedungsinstrument, als das sie ohne UN-Mandat nach meiner
Rechtsauffassung ohnehin nicht einzugreifen berechtigt war.
Ausreden, dass die UN handlungsunfähig, unwillig sei, konnte ich nicht gelten lassen, weil dieser unvollkommene Status der
Weltorganisation unübersehbar von denen verschuldet ist, die sich auf
die Unvollkommenheit berufen und berufen fühlen, mit der NATO
ersatzweise zu handeln.
Wäre es nun jedoch in einem Alternativ-Szenario alles nach meinen
rechtlichen Vorstellungen abgelaufen und die NATO hätte im Auftrag der
UN gehandelt, so hätte ich den Bombenkrieg gegen Jugoslawien dennoch für völkerrechtswidrig, weil
unverhältnismäßig gehalten. - Auch zum Recht kann es eben unterschiedliche Meinungen geben.
2. Beispiel:
Wer den Irak-Invasoren eher den "Sieg" wünscht anstatt beiden Seiten den sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand zu empfehlen,
der ist "Kriegsbefürworter" - da beißt sich die Maus keinen
Faden ab.
Mir ging es übrigens in vielen Momenten
nicht anders, in denen ich den "raschen Sieg" der Invasoren für
wünschenswert hielt, weil ich einen "Gesichtsverlust" der USA
und der Briten für gefährlich hielt. Dennoch war ich auch in solchen
Momenten kein "Kriegsbefürworter", weil dieser Wunsch
gegenüber der Forderung nach sofortigem und bedingungslosem
Waffenstillstand absolut nachrangig war.
Und was den "Gesichtsverlust" anbelangt, so wiegt jener
viel schwerer, eine falsche Politik fortzusetzen. - Auch das
musste ich erst lernen, was leichter fiel, wenn ich versuchte, mir den
Krieg aus arabischer Perspektive zu betrachten. Oder aus der Perspektive
von Belgrader Bürgern.
Aber sehr gute Freunde
von mir ließen sich in solchen Momenten zur Umkehrung ihrer
Prioritäten zugunsten des Krieges verleiten. - Es sind gute Menschen,
die es gewiss nicht böse meinen.
Kriege überwältigen nicht nur unser Vorstellungsvermögen, sondern
auch den Intellekt.
sven
2.4.2003 >>
Irakkriegstreiber
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