Mietenpolitik 20190407

näher besehen treibt die Politik jeder Partei ständig Murks, denn ich bin im Berliner Markt Akteur und Zeuge.

So sind alle mir bekannte Ausübung des Vorkaufsrechts bloße "Klientelpolitik". Nicht etwa zugunsten von Ärmsten, sondern von Aktivisten, die es weit weniger nötig haben.

Und Vorkauf oft zu derart überhöhten Preisen, dass Sozial-Neubau billiger gewesen wäre.

Die Bodenspekulation hat irres Format und ist politisch geschuldet, wenn riesige Flächen an "Investoren" verhökert wurden und werden, auf denen jahrzehntelang nichts geschieht.
Anstatt die Flächen zu teilen und für Mietshäuser mit je 15 bis 30 Wohnungen auszuschreiben.

Beispiel: Im Jahr 2009 wurden 250.000 !!! Quadratmeter Güterbahnhofsgelände in Pankow an einen Möbelhaus-Heini verhökert. In bester Mietshaus-Lage mit U- und S-Anschluss.
Und nichts passiert.
Verzögerungstaktik per konstruiert, absurdem Planungsstreit.

Desgleichen die Bodenspekulation mit Industriebrachen, dass es deren Eigentümern statthaft ist, nichts zu tun, auch nicht zu verkaufen, während man Mietshauseigentümern mit hohen Bußgeldern droht, wenn Instandsetzungen nach Amtsauffassung verschuldet länger als 3 Monate brauchen.

Wer verkaufte die Plattenbauten östlich der Berliner Straße in Pankow? Es waren genau die politischen Leute, die heute populistisch mit "Enteignung" auf Stimmenfang gehen.
Statt die Gebäude einzeln zu verkaufen, was viel mehr Geld in die öffentlichen Kassen gebracht hätte, weil es kleinteiliger viel mehr Nachfrage gegeben hätte, verkauft man in einer Größenordnung, wie es dann nur noch für die Größten der Großen möglich war.

Woran liegt das? So bitter es ist: Welcher Partei auch immer angehörend, wird entweder an Klientel verschoben, dann auch kleinteilig - oder man macht es so groß, dass man zwecks Selfmarketing in die RBB-Abendschau kommt.

Ich machte oft Vorschläge Richtung Kleinteiligkeit. Und musste mir dann von vollends geschäftsuntüchtigen Parteisoldaten sagen lassen: "Wir haben da Großes vor." - Aha, "was denn?" - "Das können wir Ihnen im Moment nicht sagen."

Was hilft dagegen?
1. Grundsätzliche Diskussion, welche Flächen in welcher Größenordnung verkauft werden dürfen.
2. Soziale Vorgaben und Mietpreisbindung für möglichst kleinteilige Verkäufe, aber dann öffentliche Versteigerung, also Höchstpreiserzielung für die öffentlichen Kassen.
3. Kontrolle, dass die sozialen Vorgaben eingehalten werden.

Es gibt diese "Patentrezepte" - und sie werden nicht genutzt.

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Ja, @Heiko, aber das macht die Sache halt trauriger, dass sich inmitten des parteipolitischen Gerangels sachlicher Vortrag so schwer tut.
Es gibt so vieles, was sich nur "großteilig" machen lässt, z.B. dieser verkorkste Flughafenbau, wo dann ausgerechnet "kleinteilige" Auftragsvergabe zum Kontrollverlust führen.

Aber im Wohnungsbau bieten sich andere Optionen, es sei denn, man liebt die Eintönigkeit und Monopole.

Wobei auch die Eintönigkeit städtebauliches Stilmittel sein kann, z.B. Frankfurter Allee, aber das lässt sich durch Auflagen absichern - und deren kleinteiligerer Verkauf hätte locker das Vierfache für unsere öffentlichen Kassen erzielen können - z.B. für Sozialen Wohnungsbau.

Wobei ich der Auffassung bin, dass auch der Soziale Wohnungsbau ruhig in privater Hand stattfinden soll, denn es macht zu großen Wirtschaftlichkeitsunterschied, ob jemand eigenes oder Steuergeld verbrät.

Nur stelle ich mir Sozialbindung anders vor, dauerhaft, allenfalls inflationsanpassend. Der Neubau würde nicht zum Erliegen kommen, sondern allenfalls die Grundstückspreise stärker spreizen, denn wer nicht hochpreisig vermieten und dann auch nicht hochpreisig verkaufen darf, der wird eben beim Grundstückpreis weniger zahlen wollen.

Der kommunale Sozialwohnungsbau muss hingegen auf die Bedürftigen zugeschnitten sein, die auf dem Wohnungsmarkt chancenlos sind. - Und solche werden von den Kommunalen überhaupt nicht genommen, landen dann bei mir

Und ganz schrecklich war der politische Fehler, die Fehlbelegungsabgabe abzuschaffen, denn die Wohnungen fehlen für Sozialschwache.
Für eine Aussetzung der Fehlbelegungsabgabe hatte ich sehr wohl Verständnis, denn der Leerstand kommunalen Wohnungsbesitzes wurde uns sonst anders zu teuer, aber längst hätte sie wieder eingeführt werden müssen.

Und das passiert nicht, weil eben "Klientel" betroffen wäre, die geschont werden. Und das geht zulasten der Ärmsten.

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Dein 1. und 2. ist weitgehend stimmig, dein 3. jedoch falsch,
denn die inflationsbereinigt tatsächliche "Nullzinspolitik" ermöglicht auch niedrige Mieten.
Darum sind die Mieten z.B. in Berlin enorm gespreizt, denn nur ein kleinster Teil des Immobilienmarktes ist ein Kaufmarkt.

Die Nullzinspolitik treibt zuvörderst und weitgehend ausschließlich die Kaufpreise.
Während sich die Mietpreise nur bei Neuvermietung signifikant erhöhen.
Anderenfalls sind es Gesetzesbrüche per Modernisierungsumlage, die sich behördlich und gerichtlich abstellen lassen.
Die Neuvermietung geht jedoch seit vielen Jahren zurück, denn das Wohnen mit alten Verträgen ist im Markt des Wohnungsmangels zu billig und lohnt dann für viele Mieter nicht, sich auf eine Wohnungssuche zu begeben, die der persönlichen Bedarfsanpassung entspräche.
./.
Die Besteuerung des Bodens betreffend, zwei Arten:

a) die Grunderwerbssteuer

Jede Ermäßigung und Erhöhung der Grunderwerbssteuer bewirkt viel auf Verkäuferseite, aber nichts auf der Käuferseite, denn den Käufer interessiert im Unterschied zum Verkäufer nicht, aus welchen Größen sich der Kaufpreis zusammensetzt, sondern ausschließlich die Gesamthöhe des Preises.

b) die Grundsteuer

Jede Änderung der Grundsteuer wirkt sich auf den Betriebskostenanteil der Miete aus.
Je höher die Betriebskosten, desto weniger Nettomiete lässt sich für Vermieter erzielen.
Das mag sich für die Städte rentieren, macht das Vermieten weniger rentierlich, denn erzielen kann er nur, was sich Mieter noch leisten können.
Die Bodenrichtwerte als ausschließliche Besteuerungsgrundlage wären purer Wahnsinn, denn dann könnte auch ich mir nicht mehr günstiges Vermieten gestatten.

Die Höhe aller Boden- und Gebäudebesteuerung darf sich nicht an der statistischen "Ertragskraft" orientieren, wenn sie sozial sein will, sondern muss sich an der tatsächlichen Ertragskraft des einzelnen Grundstücks orientieren.
Anderenfalls verabschieden sich meinesgleichen Vermieter aus dem Markt, die es in Berlin massenhaft gibt, wie es sich an der Mietpreis-Spreizung zeigt.

Leider fehlen wissenschaftliche Studien, aber meine Erfahrung lasse ich mir genügen.
Die These lautet: "Je öfter die Immobilien den Eigentümer wechseln, desto öfter sind diese Immobilien mit Kreditdiensten belastet - und werden nie entschuldet.
Das treibt die Mieten, während entschuldete Mietshäuser günstiges Vermieten ermöglichen."

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Die Materie ist für Politiker zu kompliziert,
a) denn sie brauchen für die Wahlplakate einfache Slogans,
b) werden von Verbandslobbyisten beraten, die häufig ganz und gar nicht gescheit sind ;-)

Markus S. Rabanus  20190407

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