Moralische Verantwortung eines ehemaligen SEW-Mitglieds |
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Verfasst von sven am: 16.02.2005 Antwort auf Fragen eines Nazis | |||||||||||||||||||||
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Die Kritik an uns ist nicht neu und in vielem berechtigt. Blamagen bleiben einem nicht erspart, wenn man Risiken eingeht.
Die "Karriereleitern" waren für viele studentische Parteimitglieder zu kurz, um ohne vorherige Jugendverbandsmitgliedschaft in der SEW sehr weit zu kommen. Manches Mal wollte ich "höher", aber die "Abstürze" kamen dann nur noch schneller:-)
Es gab gewiss viel "Steuerung", aber es wäre Unfug anzunehmen, dass die kommunistischen Parteien für ihr Handeln und Versagen nicht eigenverantwortlich waren. Desgleichen gilt für die DDR und jeden Einzelnen.
Scham, Ekel, aber auch Ekel gegenüber denen, die sich noch dann als Systemsieger gefreut hätten, wenn es jeden Tag solche Regimeopfer gegeben hätte. Zu oft sah ich reaktionäre Kommilitonen mit Flugblättern triumphieren, als hätten sie etwas "gewonnen". Und nicht selten strauchelten diejenigen, die "es geschafft" hatten, kamen zu mir, denn ich war stets offen für jeden.
Allerdings und unvermeidlich.
Genau, denn "Ausstieg" war es für mich weniger als vielmehr ein persönlicher Konkurs verabsolutierter Ideale.
Nein, das können wir gern gemeinsam tun. Die Gedenkstätten sind dafür da.
Nein, ich kenne schon zu viele Bedürftige - und das sind z.B. solche wie du, die es nicht allein schaffen und die zu große Entfernung zum Staat haben, um sich staatlich helfen zu lassen.
Nein, ich hoffe, dass es aus Steuergeldern geschieht und andere tun.
Eine schwierige Frage, wenn man sie richtig beantworten will, denn sie geht mir gegen den Strich, weil Gewaltherrschaft mir immer zuwider war und zwar in allen Erscheinungsformen und Größenordnungen. Ich wurde kein "Roter", weil mir die "Mauer" gefiel. Ich "musste kein Roter" werden, sondern wurde "rot" aus Scham für die Gewalt in der Welt und das Elend, nicht etwa meiner eigenen Familie. Das ist schon ein Unterschied, wenn es auch in vielem Irrtum wurde. Die Frage ist, wie weit ging der "Einsatz" und wem galt er? Dem Einmarsch der Sowjets in Afghanistan? Oder umgekehrt den Taliban, für die ich in der "Wahrheit" verlangte, dass sie nicht "Verbrecher" genannt werden, sondern mit ihnen zu verhandeln sei? So viel anders als heute war ich nicht, denn auch "Mutanten haben ihre Konstanten", wie ich dir schon einmal in Bezug auf deine Wandlungen schrieb. Immer gab es Möglichkeiten und immer auch zum Versagen: Als Tschernobyl havarierte? Die Sowjets ein vollbesetztes Zivilflugzeug abschossen? Oder als Blut auf dem "Platz des himmlischen Friedens" floss? Was meinst du, was ich dazu sagte und schrieb? Trotzdem: die Summe zählt > ich hielt dem Sozialismus drüben die Treue und entsprechend schockiert war ich, als er zerfiel. Aber zugleich auch war der Zusammenbruch alternativlos, weil die Unreformierbarkeit erwiesen war und man nur hoffen konnte, dass die aufbegehrenden Menschen nicht niedergeschossen werden, denn nach Peking gab es solche Töne auch in der DDR; die Ängste waren ebenso groß wie die Hoffnungen auf Gorbatschow, dass er eine weltfremde SED-Führung zumindest am Waffengang hindern könne. Das ging glimpflicher aus als von mir für möglich gehalten. Und überraschender mit dem 9. November: ein unfassbarer Abend. Ich fuhr still von Grenzübergang zu Grenzübergang, freute mich mit den Menschen, aber nicht mit ihnen Sekt trinkend, denn ich rechnete mir diese Freude nicht zu. Solche Freude der Menschen konnte mir keine "Niederlage" sein, aber es war eben auch nicht "mein Sieg". Nolde, dich interessiert das alles doch gar nicht, weil deine Fragen anderes wollen, aber trotzdem tue ich dir und mir den Gefallen, denn was könnte unser beider "Blamage" sein im Vergleich zu Tragödien und Triumphen der Weltgeschichte? Und es muss tatsächlich sein, dass ich mich auch deinen Fragen stelle. Grüße von Sven |
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