Patriarchat2005vorher
Hallo M.,
prima, dass Du aus solchen Negativ-Erlebnissen keinen späten Zorn hast werden lassen.
Auch in meiner eigentlich nicht
konservativen Familie gab es Tendenzen, die andere Lebensführung
verurteilten und noch meine älteren Geschwister hatten es längst nicht
so leicht wie ich. Die Zeiten und Sitten änderten sich seit den späten
Sechzigern immer rascher, wenn auch nicht in allen Regionen Deutschlands
oder Europas mit gleicher Geschwindigkeit - und natürlich auch nicht in
allen Familien gleichermaßen, aber insgesamt ist es unfassbar liberaler
geworden, wenn man es mit früheren Zeiten vergleicht.
Diese Liberalität macht auch uns "munterer". Deshalb bilde
ich mir nicht viel darauf ein, dass ich die elterliche Kritik an meinem
"unehelichen Lebenswandel" konterte, was meinen Geschwistern
nicht einmal im Traum eingefallen wäre. Jedenfalls nicht zehn Jahre früher.
Es zeigte sich in den Diskussionen dieser nun "offeneren
Gesellschaft", dass insbesondere die belastenden Sitten ganz oft
nur herzlich wenig mit dem Christentum zu tun hatten, sondern
patriarchiale Schemata waren, in denen sich sogar auch viele Frauen
sicherer fühlen, obwohl die Männerdominanz durch alle Geschichte bis
heute eben nicht nur Schutz, sondern eben auch Gefahr bedeutet.
Der Mann als Beschützer vor Männern kam mir unchristlich vor und als
ein Armutszeugnis für die gesamte Gesellschaft, denn es schien wie:
"Der Zuhälter beschützt vor den Freiern", während es besser
wäre, wenn die Gesellschaft die Männer bestrafen würde, die sich
Vorrechte anmaßen.
Beschauen wir uns die Familien, Medien, Wirtschaft und Politik, so sind
wir von Gleichberechtigung noch immer weit entfernt, denn die Menschen
sind wohl zu dumm, auch wenn es hier und da mal rasanter vorwärts geht.
Insgesamt hängen die Frauen zurück oder haben es leichter, wenn sie
die Männer nachahmen, anstatt die Männerprinzipien durch mehr
Frauensolidarität stärker in Frage zu stellen. Aber es kommt auch
damit schon vorwärts und zusätzlich durch den technologischen
Fortschritt bedingt, dass die Körperkraft gegenüber der Intelligenz an
Bedeutung verliert.
So kann man hoffen.
Grüße von Sven
200501
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Ich sah zwar, dass auch
Jesu Jünger sämtlich Burschen waren, aber die Schriften schienen mir
zu sehr von Männern geschrieben, die obendrein zu sehr ihrer Zeit
verhaftet waren und die Frauen in ihrer Bedeutung unterschlugen bzw. in
machtlosere Rollen drängten.
Jesus selbst sah ich "fortschrittlicher". Er war mir
"Mensch" und "Sohn Gottes allein durch seine Passion zum
Zweck der Sündenvergebung".
Ich verstand ihn mahnend zur Treue, Rücksichtnahme und mahnend zur
Vergebung.
All diesen Mahnungen kann auch sittliche Strenge (gegen sich selbst) förderlich
sein, aber ich verstand ihn gegen jene andere sittliche Strenge, die den
Stein werfen wollte, denn er sah sich vor allem in der Mission zur
Beendigung der Straferei.
Klar kenne auch ich die Widersprüche, die sich in den Testamenten über
Jesu Lehre finden, aber sie waren mir weniger Problem, weil ich für
ausgeschlossen hielt, dass "alles gleichwichtig" sei, denn
Jesus selbst gewichtete in seinen Lehren - und auch die Evangelien
gewichteten unterschiedlich. - Der Mensch kann gar nicht anders und das
ist
Und mir war auch nicht "alles gleichrichtig", weil Jesus in
meinen Augen Mensch war und irren konnte, zweifeln, verzweifeln,
Hoffnung schöpfen und verbreiten.
Ich "vergötterte" Jesus, "weil er so menschlich"
war und so war es ein anderes Vergöttern als die Anbetung Gottes.
Ich "vergötterte" Jesus, weil er "too smart to survive"
war, wie es ein polnischer Künstler auf ein Jesus-Bild malte.
Und ich wusste zu wenig über Menschheit und Geschichte, weshalb ich
Jesus für eine derart unfassbare Ausnahme hielt, dass mir seine religiöse
Verehrung überaus plausibel war.
Aber es gab zu allen Zeiten Weisheit und das Schicksal der darin sehr
konsequenten Altruisten war, dass auch sie "too smart to survive"
waren und doch nur weniger Andenken überlebte.
Kurzum: ich hatte es leichter und ich war auch ich nicht wenig hartnäckig
in Darlegung meiner Ansichten, so dass sich die vielen Christen meiner
Familie einerseits im Wettbewerb mit den nichtreligiösen
Familienmitgliedern sehen und genau deshalb sich gar nicht leisten können,
diesen Wettbewerb gegeneinander auszuleben, weil es so gut wie alles
gemeinsam zu tun haben.
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