Soll
sich der Bundestag selbstauflösen dürfen?
Bundesverfassungsgerichtspräsident
Hans-Jürgen Papier fordert ein grundgesetzliches Selbstauflösungsrecht
für den Bundestag.
Ich halte solche Grundgesetzänderung für sinnvoll, denn der Umweg über
die "Vertrauensfrage"
ist m.E. eine verfassungswidrige Umgehung, wenn Abgeordnete dem
Bundeskanzler das Misstrauen aussprechen sollen, obwohl sie ihm
eigentlich vertrauen.
Die zurückliegenden Geschehnisse haben nur deshalb und dann meine
Zustimmung aus zwei Gründen, die einzeln nicht ausreichen würden,
sondern zusammengehören, denn auf das fehlende Rechtsinstitut soll sich
nur berufen können, wer es auch generell will:
1. weil kein Selbstauflösungsrecht in der Verfassung steht,
2. wenn nun nicht nochmals getrödelt wird und endlich die Verfassung geändert
wird.
Dass manchen Leuten solche Dinge nur "Formalfragen" sind, lässt
kaum erwarten, dass ihnen in anderen Dingen ernster mit der Wahrheit
ist.
Die Diskussion muss sachlich geführt werden, denn sie ist recht
kompliziert und wichtig:
Gegen ein bloß mehrheitliches Selbstauflösungsrecht spricht immerhin,
dass sich die im Parlament ohnehin schon mit Mehrheit vertretene Partei
bzw. Koalition den ihr günstigsten Zeitpunkt allein aussuchen kann.
Für die Demokratie sollte jedoch nichts anderes gelten als für jede
andere seriöse Leistungsbilanz:
Nicht der allein vom Bilanzpflichtigen selbstgewählte Bilanzzeitpunkt
gibt ein zuverlässiges Bild, denn er würde mit Momentaufnahmen
(=Stimmungen) täuschen, sondern die gesetzlichen Fristen sollten die
Regel bleiben und die Zwischenbilanz nur Zwischenbilanz.
Daraus folgt m.E.:
Wer die Selbstauflösung
(="Zwischenbilanz") betreibt, soll durch die Neuwahl nur bis
zum Ende der unterbrochenen Legislaturperiode regieren dürfen.
Diese Bedingung wäre mir weit wichtiger als die in der öffentlichen
Debatte stehende Frage, ob es eine zur Selbstauflösung einer
Zweidrittelmehrheit bedarf. Auch das ist zwar wichtig, aber nicht annähernd
so wichtig wie die Bedingung, dass es nur um Restlegislaturperioden
gehen sollte.
Schließlich sollte noch die dritte Bedingung sein, dass sich die
Parteien nur für die turnusmäßigen Wahlen die Wahlkampfpauschalen
einstecken dürfen, damit die vermehrte Wahlen, die durch Selbstauflösungsrechte
entstehen, nicht zu Goldeseln für die Parteien verkommen.
Grüße von Sven
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