Sozialversicherungen auf Steuern umstellen
Das Sozialversicherungssystem ist ein gewaltiges Thema und die Debatte so sehr von Lobbyismus geprägt, dass sich Minister mit Reformen sogar auch dann noch schwer tun, wenn sie Große Koalitionen hinter sich wissen. Ein Grund ist die Entstehungsgeschichte des Systems, und jede soziale Einsicht bekam ihre eigene Organisation, also eine Gewachsenheit, aber ein unnötiger Wildwuchs. Der andere Grund für die Schwerreformierbarkeit ist, dass in den hochdotierten Vorständen des Pflichtversicherungssystems und der privaten Versicherungen die "Parteifreunde" sitzen, die schon jeden Reformgedanken im Ansatz zu ersticken betreiben.
Artikel 20 Abs. 1 Grundgesetz: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. ...
Aus Artikel 20 GG folgt, dass die
Grundsicherung für alle Bürger zu gewährleisten ist. Dem kommt die deutsche
Politik nach, aber mit einem System, das den Beitragszahler und den
Staatshaushalt (Verschuldung) in unsäglicher Weise belastet. Das Nebeneinander
von Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung und
Krankenversicherung realisiert Unübersichtlichkeit und
kostenintensive Bürokratie sowohl auf Seiten des Sozialsystems als auch auf
Seiten der Betriebe, in denen die Beiträge erwirtschaftet und ausgewiesen
werden.
Diese Mehrfach-Bürokratie abzubauen und das System zugleich solidarischer zu
gestalten, ist das Anliegen derer, die eine Bürgerversicherung
fordern. Aber auch das ist nicht der Weisheit letzter Schluss, denn die
Pflichtbeiträge könnten weit besser auf Einkommenssteuern umgestellt durch die
Finanzämter eingeholt werden.
Da sich die Sozialversicherungspflicht in ihrem Wesen nicht von der Steuerpflicht unterscheidet, gibt es auch keine Veranlassung, sie privatwirtschaftlicher zu organisieren.
"Wer mehr will" >> private Zusatzversicherung
Nun genügt selbstverständlich nicht allen
die Grundsicherung. Und das ist auch richtig, denn einer Gesellschaft geht es
nur gut, wenn sie zu Leistungen anreizt, also auch Mehrleistungen belohnt. Für
die Höhe von Sozialleistungen über die Grundsicherung hinaus wären zunächst
die geleisteten Steuern maßstäblich. Wem auch das nicht genügt, dem sollte
das Geschäftsfeld privater Zusatzversicherungen offen bleiben, die dann jedoch
nicht Teil des Pflichtsozialsystems sein dürfen, weil es sonst kaum zu
verhindern ist, dass sie aus den Steuermitteln ihren Wettbewerb finanzieren.
Mindestens
wäre schon jetzt durch die staatliche Aufsicht dafür zu sorgen, dass die
Imagekampagnen der Krankenversicherungen nur aus gesonderter Buchhaltung von
Zusatzbeiträgen und Zusatzleisten bezahlt werden dürfen, damit nicht länger die
Pflichtversicherten für das Geschäft mit den Zusatzversicherungen zur Kasse
gezwungen werden.
"Wie verteilt sich das?" >> Haushaltspolitik
Bislang werden die Beitragssätze von den einzelnen Organisationen des Sozialversicherungssystems selbst berechnet und durch die Politik genehmigt. Aber so wenig das Bundesverteidigungsministerium uns mit Beitragsbescheiden kommt, so wenig müsste das auch mit dem Sozialpflichtsystem sein, eben Verhandlungsgegenstand der Haushaltsentscheidung.
Markus Rabanus 20090503 Sozialforum
ps: Vorstehende Abhandlung betrifft nur die Einnahmeseite. Kaum weniger wichtig ist es, auf der Ausgabenseite Korrektive zu etablieren, denn der Ausplünderung der Solidarsysteme ist nicht mit "freiwilliger Selbstkontrolle" beizukommen.