Sterbehilfe Argumente

„Gott" von Ferdinand von Schirach zum Thema Sterbehilfe ist in Corona-Zeiten gewiss nicht der glücklichste Sendetermin (ARD), aber die Politik darf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht ignorieren.

Anderswo fand ich es ausführlich diskutiert und schrieb folgende Beiträge (hier etwas nachgebessert):

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Im Falle des Falles möchte ich nicht, dass mir meine Frau oder ich ihr eine letzte Pilzsuppe kochen muss, sondern wünsche Sterbehilfe von Profis (nicht Lindner)

Aber so gänzlich fest steht das nicht, denn es kann durchaus sein, dass ich meine Frau bitte, wenn sie es tun mag.

Wahrscheinlicher bleiben mir solche Entscheidungen erspart, denn auf Dauer stehen die Chancen auf Herzinfarkt besser.

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Dem Wert des Lebens gebührt das Recht auf Leben, jedoch nicht die Pflicht zum Leben.

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Warum ist es vielen unvorstellbar, dass jemand des Lebens glücklich müde ist?

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Auch wenn die Willens- und Gewissensprüfung Schnittmenge von Sterbewunsch mit der Wehrdienstverweigerung ist - und schwer zu überprüfen, liegen zwischen dem Töten anderer Menschen auf Befehl und dem eigenem Freitod zu viele Welten.

Ich stimme Herrn P. zwar zu, dass sich Irrtümer nicht ausschließen lassen, aber mir gilt "im Zweifel das Selbstbestimmungsrecht".

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Den Angehörigen nicht zur Last fallen zu wollen, ließe sich zwar sozialstaatlich abfedern, aber ich erlebte es mit dem eigenen Vater ganz ohne finanzielle Nöte, wie schlimm es ihm war, den Niedergang seiner körperlichen und geistigen Kräfte trotzdem bewusst zu erleiden, nicht mehr er selbst sein zu können, stattdessen umsorgte Hülle.
Da half ihm unsere Liebe wenig, war ihm zusätzlich Last.

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@Marcel, sterben zu wollen, setzt nicht immer eine psychische Krankheit voraus, sondern kann bestens überlegt sein, nicht länger leben zu wollen.

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Die niederländische Corona-Politik hat mir mit der Sterbehilfe weniger zu tun, denn solange uns keine Impfstoffe zur Verfügung stehen, geht es um den großen Unterschied zwischen Selbstgefährdung und Fremdgefährdung.

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@George, so recht ich dir gebe, was die Entscheidungsfreiheit anbelangt, so wäre mir an einer Prüfung schon sehr gelegen, denn vor Kurzschlüssen gilt es zu schützen - und ich fände Ärzte und Angehörige nicht gut, die sorglos zustimmen.

Und solche Gespräche lassen sich in Art und Weise führen, dass es auch der Lebensmüde nicht als Belastung, sondern als Wertschätzung empfindet.

Voraussetzung für kompetente Prüfung ist allerdings die Hochachtung für das Selbstbestimmungsrecht, so dass unqualifiziert ist, wer sich anmaßt, aus dem Recht auf Leben eine Pflicht zum Leben verordnen zu dürfen.

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Missfallen auch höchster Gerichtsentscheidungen dürfen vorkommen. Darum frage ich unseren Jörg D. M. lieber, ob denn gelesen und wie verstanden, dass sein Missfallen an diesem Urteil wenigstens verständlich würde.

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So sehr die Medizin der Heilung verpflichtet ist, so sehr zugleich dem Selbstbestimmungsrecht, denn auch der beste Arzt dürfte dir kein Herz implantieren, wenn du nicht magst.

Das Selbstbestimmungsrecht geht der Heilungschance vor.

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Viele dieser Argumente haben Gewicht, hingegen nicht, dass die Sterbehilfe-Zahlen steigen, denn weniger wünschenswert, dass Menschen vor Züge springen, um nicht von Angehörigen aufgefunden zu werden - oder gegen ihren Willen weiterleben sollen, wenn sie es zu den Gleisen oder auf die Brücke nicht schaffen.

Es bleibt ein schwieriges Thema, aber ich billige es der Gesellschaft nicht zu, z.B mir das Selbstbestimmungsrecht auf aktive Sterbehilfe abzusprechen und den Spalt geschlossen zu halten.

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Ich halte Stellungnahme dieser Ärzte für falsch, dass die eigentliche Fragestellung nicht "Recht auf Suizid", sondern "Recht auf assistierten Suizid" laute, denn das eine ohne das andere macht keinen Sinn, es sei denn für Leute mit eigenem Labor.

Und Recht auf Sterbehilfe heißt nicht, dass daran irgendwelche statistischen Erwartungen geknüpft werden dürften, denn das Selbstbestimmungsrecht geht den Ansprüchen Dritter vor, es sei denn - und das könnte man diskutieren, dass jemand noch Pflichten hat bspw. gegenüber unmündigen Kindern.

Die Leistungen der Palliativmedizin und Suizidprävention sehe ich nicht in Abrede gestellt, denn ungeheuer wichtig und Hoffnung für viele, aber das ist ein anderes Thema, weil es bei der aktiven Sterbehilfe eben nicht immer um pathologische Fälle geht, wie die Stellungnahme ja auch mit dem "Recht auf Suizid" zumindest offen lässt und insofern nicht sonderlich schlüssig ist.

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Seit Jahren lebt meine Mutter bei uns und und wird am 2.12. uns gemeinsam erstaunliche 98 Jahre alt.

Mit 85 kletterte sie noch in Bäumen und nervte durch schnellen Schritt, aber inzwischen ist das anders - und es kommt vor, dass sie am Sinn noch längeren Lebens zweifelt, zumal im Unterschied zu mir religiös auf ein Jenseits hoffend.
Wenn wir es mitbekommen, halten wir sie bei Laune, denn wir sind Spaßvögel mit gemeinsamer Freude am Leben.

Also sei so lieb und nimm wenigstens mich von deinem schlimmen Verdacht aus, dass es um ein "subtiles Euthanasieprogramm" gehe, wenn ich der Gesellschaft nicht zubillige, mir und anderen für den Fall der Fälle das Recht auf Sterbehilfe abzusprechen.

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ja das sehe ich auch so, wenngleich ich meinen Vater (war 90 Jahre alt) nicht gehen lassen mochte - und wegen letzter Rettungsversuche Schimpfe bekam.

Das war ein Stück bewusster Übergriffigkeit, aber ich rede mich damit heraus, dass er mich wahrscheinlich auch nicht hätte gehen lassen, wenn noch Chance auf Rettung und längeres Miteinander.

Also im Leben oft komplizierter als in der Theorie - und Angehörige wie ich können anstrengend sein, wenn jemand schon so wehrlos ist, wie es mein Vater wurde.

Das ist das bleibende Risiko und lässt sich m.E. auch durch gescheiteste Patientenverfügungen nicht vernünftig auskehren, denn es kann zu anders kommen.

Es ist ein wichtiger Teil der Sterbehilfe-Debatte, aber auch wichtig, dass wenigstens den Wehrhaften das Selbstbestimmungsrecht zugestanden wird.

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ich wusste schon mehrfach von Suiziden abzuhalten und hatte im engeren Kreis mehrere Suizide, die ich sämtlich für fehlschlüssig hielt, aber ich streite dennoch für das Recht auf Sterbehilfe.

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Wie fügt es sich, dass Soldaten gegeneinander in den Tod geschickt werden und dafür beiderseits Ehren bekommen, wenn andererseits erbetene Sterbehilfe verpönt wird?

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Wie fügt es sich, wer lebenshungrigen Jugendlichen 320-PS-Autos verkaufen lässt und will Sterbehilfe für bittende 60-Jährige bestrafen?

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ein "Nonsensvergleich" ist, wenn Leut' die Sterbehilfe als Einstieg den Massenmord verleumden, den die Nazis mit dem Begriff Euthanasie verharmlosten.   

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Ja, wichtiges Schutzgut, aber auch die Selbstbestimmung von Sterbehelfern ist m.E. höheres Schutzgut - und darf nicht ausgetrickst werden, man wolle Sterbehelfern vor Traumata schützen, indem man die Sterbehilfe verbietet. .

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Wem die ethische Frage der Sterbehilfe juristisch unlösbar ist, dem sollte die Sterbehilfe auch nicht strafbar sein.

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was daran ist fürchterlich, wenn ein Wunsch legitim ist und erfüllt wird?

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Sie gehen offenbar davon aus, dass gefordert wäre, jeder dürfe Sterbehilfe leisten.

a) Das ist nicht der Fall, denn ohne hinreichenden Nachweis für einen gefordert qualifizierten Wunsch des Sterbewilligen, wäre Mordverdacht und womöglich lebenslängliche Haftstrafe.

b) Kann ich auch Hilfen befürworten, die ich nicht leisten kann, denn ich bin allenfalls Hobby-Chirurg und würde ihnen trotzdem kein Herz implantieren mögen, auch wenn es dringlich wäre, denn ich würde scheitern.

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Genauer überlegt würden Sie merken, dass es ethisch kein Widerspruch ist, denn Sterbehilfe ist gänzlich anderes als der Massenmord, wie er verharmlosend "Euthanasieprogramm" genannt wird.

Genauer überlegt würden Sie merken, dass es ethisch kein Widerspruch ist, denn Sterbehilfe ist gänzlich anderes als der NS-Massenmord, wie er verharmlosend "Euthanasieprogramm" genannt wird.

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@Herr Polenz, Liebeskummer ist filousophisches Marzipan, denn ob 17-jährig oder 71+, wäre Aufklärung fällig, dass sich Wahre Liebe nicht durch Suizid bewahrheiten lässt, sondern eher durch Verzicht auf Gegenseitigkeit

Oft genügt kleineres Format, ob der/die Betreffende dem eigenen Brüderchen/Schwesterchen im Falle untreuer Liebschaft den Suizid anraten würde.
Zur Antwort bekam ich immer bloß "Nein" - und so sollte es auch sein.

Wer den Sterbehilfewunsch nicht hinreichend nachweisen kann, stünde uns allen recht rasch unter Mordverdacht. Darum wäre Erben vom Sterbehelfen abzuraten.

Der Bundestag wird schon noch vernünftige Regelungen finden - darf ich hoffen.

entdecken Sie in dieser Diskussion hier irgendeine Sterbehilfe-Befürwortung, die verdächtig wäre, "das Recht auf Hilfe für ein lebenswertes Leben" in Abrede zu stellen?

Nein, deshalb ist mir Ihre Forderung überhaupt keine Alternative, sondern sicherlich allen hier Selbstverständlichkeit.

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Ja, das ist ein wichtiger Aspekt - und könnte mir Grund sein, die Sterbehilfe für jemanden abzulehnen, wenn bspw. noch unmündige Kinder, aber die Einzelfallprüfung wird ohnehin sein und Ausnahmen schließen mir die Forderung nach strafloser Sterbehilfe für viele andere Fälle nicht aus.

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Nicht lange her: Ein Klempner-Meister, sehr nett und zuverlässig, oft beauftragt, wurde vermisst gemeldet.
Er hatte seiner Frau und der erwachsenen Tochter einen lieben Abschiedsbrief hingelegt, dass er nicht gerettet werden möchte - und deshalb vielleicht schwer aufzufinden sein werde.

Trotz großräumiger Suche blieb sein Schicksal den Angehörigen über Monate schmerzliche Phantasie, ehe der grausige Fund in einem Wald unter einer Brücke Gewissheit verschaffte.

Sein Motiv war,
- dass er körperlich fit zu schlecht mit der Diagnose fortschreitender Demenz klar kam, seit Jahren für jeden Kleinkrams heimlich Merkzettel schrieb und ein Leben ohne seine Arbeit nicht wollte,
- dass er seiner Frau zutraute, auch ohne ihn zu umsorgen, ein glückliches Leben führen zu können, denn gesund und sozial bestens vernetzt.

Demenz schließt das logische Denken oft nicht aus. Vom ganzen Typus her war er ein Mensch, der immer sehr genau wusste, was er wollte, sich auch von mir nur höchst ungern ins Handwerk pfuschen ließ - meist zurecht.

Im Nachhinein lässt sich immer spekulieren, so auch ich und seine Gattin, dass Äußerungen wie "Rente ist keine erstrebenswerte Option" hätte anders interpretiert werden können, aber gegenüber selbstbewussten Menschen maßt man sich Deutungsrechte nicht so leicht an.

Folglich war keine Suizidsorge und erst recht keine Sterbehilfe im Gespräch, aber es war auch vor der BVerfGE - und ihm durchaus zuzutrauen, einen anderen Weg als den von der Brücke zu wählen, wenn es denn anderen Weg gegeben hätte.

Und das wünsche ich Menschen wie ihm - und seinen Angehörigen ebenfalls.

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Entdecken Sie in dieser Diskussion hier irgendeine Sterbehilfe-Befürwortung, die verdächtig wäre, "das Recht auf Hilfe für ein lebenswertes Leben" in Abrede zu stellen?
Nein, deshalb ist mir Ihre Forderung überhaupt keine Alternative, sondern sicherlich allen hier Selbstverständlichkeit.

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Okay, ich mochte trotzdem drauf hinweisen, dass diese auch unter Sterbehilfe-Befürwortern Selbstverständlichkeit ist.

Genießen wir die Gemeinsamkeit.

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Die Dialogie ist mir ein wichtiges Thema - und wir verstehen uns doch, denn Gegenrede ist zumindest mir nicht aus anderer Welt, eher bloß andere Ideologie.

Als Muttermilch-Christ und inzwischen Atheist verstehe ich sehr wohl, wenn noch immer viele Religiöse den Suizid für eine der Todsünden halten, folglich auch die Beihilfe.

Umgekehrt lässt sich mühelos wissen, dass es meinesgleichen Leut' gibt, die "Beihilfe zum Töten" mit Schärfe bestrafen, aber Suizid und Sterbehilfe so verschieden davon ist, wie einvernehmlicher Geschlechtsverkehr verschieden von Vergewaltigung.

Interessant daran, dass sich viele Konservative mit letztgenanntem Unterschied in der Ehe schwerer taten als viele Progressive.

Und wie beim Geschlechtsverkehr das Einvernehmen fraglich sein oder widerlegt werden kann, so kann es auch bei der Sterbehilfe passieren - und der Mörder käme ins Gefängnis.

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nicht gebraucht zu werden, sich nicht einbringen zu dürfen, würde wahrscheinlich noch nicht mal mir gefallen und viele mit Selbstzweifeln plagen, aber das lässt sich nicht solchen Leut' in die Schuhe schieben, die z.B. nach erfülltem Leben keine Lust auf Seniorenheim und assistierte Körperpflege haben, sondern nimmt diejenigen in die Pflicht, die ihnen gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen können.  

Markus S. Rabanus 23./24.11.2020

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