Hallo Jörg,
ich hab noch schnell Deine Bitte erfüllt und Dich aus den "Bekenntnissen" heraus genommen.
Wir sollten dennoch bei Gelegenheit drüber diskutieren, ob ein Aussteiger aus der SEW nicht doch in eine Reihe mit Aussteigern aus der reexen Szene gehört. Zumal es sich um meine Person bei dem lieexen Aussteiger handelt
:-)
Zumindest würde ich heute nicht mehr bereit sein, einer Partei anzugehören, die für Stacheldraht, Stasi, Einparteiendiktatur mit Innendiktatur, Medienmonopol, sowjetischen Hegemonismus (es war so!) usw. eingetreten ist.
Heutige Sozialisten tun gut daran, sich von dieser unrühmlichen Vergangenheit zu distanzieren. Auch die PDS hat zumindest in ihrer Programmatik berücksichtigt.
Solche Dinge schmerzen, denn viele traten besten Willens als Kommunist an, damit
alle Menschen friedlich und chancengleich MITEINANDER leben.
In der politischen Praxis, wenn man von Weltfestspielen der Jugend und Studenten absieht :-)), war es jedoch entschieden anders. Die Verachtung des Partei-Apparates gegenüber dem Individuum und seiner natürlichen Einmaligkeit im Denken war
oft maximal und konnte zum Todesurteil werden, Theorien zur
"gerechten Gewalt" neigten dazu, die Mittel durch den Zweck zu
heiligen und führten zum praktischen Versagen in der Friedenspolitik, da sich
die realsozialistischen Staaten in praktisch aller Welt als Stabilitätsstörer
erwiesen, indem sie annähernd jede revolutionistische Bewegung unterstützten.
"Der Westen" war "auch nicht besser" und so legitimierte man
sich aus der antagonistischen Dialektik des globalen Klassenkampfes.
Die Bürokratie und die Karrieristen waren allmächtig und die Verteidigung des Individuums beschränkte sich weitgehend auf das Petitionsrecht, auf das die Mächtigen reagieren mochten wie Feudalherren und über alles Recht hinweg.
Für den "Idealisten" war der RealSoz entweder eine Katastrophe oder er fand sich damit ab, weil er an Besserung glauben wollte.
Für die vielen Mitläufer, für den bequemen Konformisten stellte der RealSoz kaum ein (politisches) Problem dar. Für diese Gruppen war der RealSoz allenfalls ökonomisch nicht die erste Wahl.
Dem Nonkonformisten bot der RealSoz keine Perspektive, jedenfalls keine in Offenheit und Freiheit.
Es geht beim Systemvergleich weniger um die Frage, ob man der Totalitarismus-Theorie anhängt, sondern ob man sich für totalitäre Machtausübung hergibt. Die dagegen gerichtete Totalitarismus-Theorie geht jedoch weit über diese eigentliche Fragestellung hinaus und versucht, gegensätzliche Motivationen und Wirkungen zu leugnen. Auf der anderen Seite macht die Faschismus-Theorie den prinzipiell gleichen Fehler, wenn sie den Faschismus aus dem Kapitalismus heraus erklärt, obwohl jeder mitbekommen haben sollte, dass sich faschistische Bewegungen unabhängig von der ökonomischen Machtverteilung entwickeln können.
Beide Theorien taugen wenig zur Klärung des Faschismus oder eben auch des Stalinismus, sondern sind Produkte ihrer Zeit, des Kalten Krieges. Beide Theorien dienten der Legitimation eigener Regime-Unzulänglichkeiten.
Entscheidend nochmals betont: beiden Theorien ist gemeinsam, dass sie ihren Schwerpunkt eben nicht in der Faschismus-Analyse und im Antifaschismus haben, sondern schlicht konzentriert wurden für den Ost-West-Konflikt. Also auch die Faschismus-Theorie, zumindest in der Prägung, in der ich sie "studieren" durfte, dient nicht dem Antifaschismus, sondern dem Antikapitalismus und ist damit eher geeignet, die Fehler der Weimarer Republik in ihrer Endphase zu wiederholen, nämlich die
antifaschistischen Strömungen, zu denen sehr wohl auch die Bürgerlichen gehören, zu spalten.
Neuinterpretationen der besagten Theorien vermögen nicht ihre klassische Funktionsbindung aufzuheben. Eine antifaschistische Theorie wird nicht umhinkommen, sich von beiden zu emanzipieren.
Grüße von Sven
iniDia20031002
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