Kriegsgründe im Zweiten Weltkrieg
 
Hallo M.Z.,

was den "Ausbruch" des Zweiten Weltkriegs anbelangt, wer also damit "gerechnet" hat und wer nicht, darüber lässt sich endlos spekulieren, denn das "Rechnen mit .." war schon selbst Spekulation aller, die ihn nicht selbst wollten.

Wenn ich mir überlege bzw. hier im Forum nachschaue, wie lange ich mir Zeit nahm, bis ich den US-Truppenaufmarsch nicht nur als "Drohung", dann als "Erpressung" und schließlich als "Kriegsvorbereitung" bereit war, anzusehen, da waren die ersten Raketen schon unterwegs.

So kann es letztlich immer nur darum gehen, wer einen Krieg in der Realität begann. 

Vor einigen Tagen dozierte ein ehemaliger Rechtsextremist in unseren Verlagsräumen über die "Mobilisierung der polnischen Armee". Es war hochinteressant. So viel "Faktenwissen", aber was er in seinem braunen Vorleben nicht vermochte, war die Unterscheidung zwischen politischer Show und Krieg.

Überdies könnte man sich Militärs sparen, würden sie nur Daumen drehend darauf warten, angegriffen zu werden. Einzig die an einen Allmächtigen Gott Gläubigen könnten sich im Beten Heil erhoffen, während die bloß Friedlichen noch kein Konzept auf die Beine stellten, sich ohne "militärische Übung" der Unfriedlichkeit anderer zu erwehren.

Das Dauerproblem an solchen Verteidigungsvorstellungen ist eben nur, ob neben der militärischen Übung nicht die eigene Friedlichkeit verloren geht. 
Ist man dessen nicht sicher, sollte man eher den Kriegsdienst verweigern als sich ihm einzuordnen.

Die traditionelle Friedenssicherung verzichtete jedenfalls nicht auf das Militär und hatte dieses sodann auch zu "üben", also jedes erdenkliche Szenarien "durchzuspielen", ansonsten macht das Militär keinen Sinn und "hinterher" würden Fragen gestellt, ob das Ungeübte und deshalb Gescheiterte "gewollt" gewesen sei, wenn es eingetreten ist, wie Rechtsextremisten beispielsweise im Nachhinein des 11.September im Kontext ihrer perversen Weltverschwörungstheorien der US-Regierung unterstellten, als gäbe es keinen militanten Hass gegen die USA, obwohl sie selbst ein Teil davon sind, sofern sie sich nicht selbst als "Erfindung von Juden" begreifen, wozu sie immerhin neigen, wenn es um die Größenordnung ihrer Kriminalität und Schandtaten geht.

Und nach diesem Schema ist auch die "Mitschuld-These" heutiger NS-Fans an die Adresse insbesondere Chamberlains, der den trotzdem angeblich nicht dusseligen Hitler in den 2.Weltkrieg gelockt habe.

Die NS-Logik solchen Vorwurfs lautet blödschlüssig: "Chamberlain hätte durch Krieg Hitler am Krieg gegen Polen hindern können und so hätte Hitler den Krieg nicht begonnen." - richtig:-) 

Dummerweise war es anders: Großbritannien hatte in aller Öffentlichkeit den Beistandspakt mit Polen geschlossen, weil der Aufmarsch der Wehrmacht unübersehbar war, Hitler sicherte sich noch rasch mit Stalin die "Freundschaft" - und fiel in Polen ein.

Der "Transitweg" nach Danzig dürfte ihm so unwichtig gewesen sein wie zuvor die Sudetendeutschen und im Moment des 1.September die Wolga-Deutschen unter der Knute seines frisch gebackenen "Freundes" Stalin.

Ganz sicher im Nachhinein würde zwar auch ich meinen, dass es besser gewesen wäre, Hitler schon den Einmarsch ins Ruhrgebiet zu verweigern und dort andere Weichen zu stellen, aber Europa wollte den Frieden und hoffte darauf, dass Hitler durch sich verändernde Verhältnisse in Deutschland zivilisieren würde. - Auch ich wäre da vermutlich zu nachsichtig mit dem Hitler-Regime gewesen.

So entscheidet sich die Frage nach der Kriegsschuld allein daran, wer den Krieg gewollt hat, was letztlich daran erkennbar ist, wer ihn begann.

Der Bruch des Versailler Vertrags war bereits ein Friedensbruch, denn so sehr der Versailler Vertrag ein "überzogenes Diktat" gegen den Verlierer des 1.Weltkrieges gewesen sein mag, so wenig taugte das als Rechtfertigung, ihn militärisch zu brechen. Die Alliierten des 1.Weltkrieges hätten intervenieren können. Dass sie es nicht taten, ist ihnen kaum vorzuwerfen und der Blutzoll wurde ihnen hoch daraus.

Die Vereinten Nationen versuchten aus diesen Desastern den Schluss zu ziehen, dass jede militärische Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele gegen das Völkerrecht verstoße und die Intervention von Streitkräften mit Mandat des Sicherheitsrats ermögliche. 

Der Ost-West-Konflikt verhinderte die Entwicklung dieses in der UN-Charta fixierten Plans und bildete zugleich die Supermächte aus, von denen eine übrig blieb, die nun versuchte, auf das Völkerrecht zu pfeifen.

Aber es mehren sich die Zeichen, dass die US-Regierung die Grenzen ihrer eigenen Möglichkeiten erkennt und für die Vereinten Nationen zurückgewonnen werden kann. Das unterscheidet den dummen Nationalismus eines George W. Bush von dem nicht verheerend dummen Nationalismus eines Hitler, dass der US-Regent in ein demokratisches System eingebettet ist, während Hitler eine Diktatur möglich wurde, die sich durch nichts korrigieren ließ.

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Was nun Leute hier im Forum und anderswo treibt, sich für den NS zu erwärmen, aber ähnlich scheinende Tendenzen in der US-Politik zu befeinden, sollte m.E. niemand unnötig für "unerklärlich" verklären, denn die meisten Reexes wollen "doch nur dürfen, was die anderen sich auch herausnehmen". 

Da es in der jüngeren deutschen Geschichte an im Ergebnis gelungenen Frechheiten fehlt, versucht man sich krampfhaft, den NS zu schönen und als Opfer böser Mächte darzustellen. 

Dass es schlicht im antiquiert nationalistischen Wettbewerb für "gleiche Größe" mit den inzwischen viel Größeren schon 1941 nicht mehr reichte, können sich solche Leute deshalb nicht gern eingestehen, weil sie zum Nationalismus und Militarismus keine der vernünftigeren globalen Alternativen sehen. - 

Antifaschismus hat deshalb zu leisten, diese behauptete Alternative von einer multikulturellen und solidarischen Welt zu beweisen, denn ansonsten lassen die Faschos von ihren Sperrzaun- und Schützengraben-Wunschträumen nicht.

Grüße von Sven

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