Wie viele IM hat das Bundesamt für Verfassungsschutz?
Im April 2008 formulierte die Linkspartei eine Anfrage (BT-Drucksache 16/8819), aus dem nachfolgend zitiert wird:
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Anwerbeversuche hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in den letzten zehn Jahren im Bereich linker politischer Organisationen unternommen?
2. Welche Erfahrungen hat das BfV hinsichtlich der Reaktionen der Angesprochenen gemacht?
3. Wie viele Anwerbeversuche sind – aus Sicht des BfV – erfolgreich verlaufen?
4. Welchem Zweck dient die Anwerbung informeller Mitarbeiter aus antifaschistischen und antirassistischen Initiativen?
5. Ist sich die Bundesregierung darüber im Klaren, dass Anwerbeversuche des Verfassungsschutzes gerade bei jüngeren Aktiven Abschreckungseffekte bewirken können und daher einen Eingriff in demokratische Grundrechte darstellen können?
a) Sind solche Abschreckungseffekte bei antifaschistischen, antirassistischen oder antikapitalistischen Initiativen erwünscht?
b) Wie rechtfertigt die Bundesregierung unter diesem Gesichtspunkt das Bemühen des BfV, Spitzel zu rekrutieren?
6. Handelt es sich bei einer Entlohnung von 5 000 Euro für eine Zehn-Stunden- Woche um den normalen Satz für informelle Mitarbeiter des BfV?
7. Müssen informelle Mitarbeiter des BfV Honorare aus Spitzeltätigkeiten steuerlich veranschlagen bzw. (z. B. bei Hartz-IV-Bezug) etwaigen Leistungsträgern mitteilen, oder dürfen die Honorare aus Geheimhaltungs- gründen verschwiegen werden?
Berlin, den 9. April 2008
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion
Die Bundesregierung antwortete mit BT-Drucksache 16/8999:
Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages zur Informationssammlung über extremistische Aktivitäten unter den Voraussetzungen der §§ 8 Abs. 2, 9 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes befugt, nachrichtendienstliche Mittel zur heimlichen Informationsbeschaffung einzusetzen.
Die Bundesregierung äußert sich nicht öffentlich zu Methoden und Arbeitsweisen der Nachrichtendienste.
KOMMENTAR
An den Fragen der Linkspartei missfällt, dass der Linksextremismus ignoriert wird, den diese Partei in den eigenen Reihen und Bündnissen mitträgt, während an der Regierungsantwort missfällt, dass sie schlichtweg die Antwort verweigert, als bedürfe der Einsatz von geheimdienstlichen IMs nicht zumindest grundsätzlicher Darlegungen. Deshalb stehen die Antworten auf die Fragen 1 bis 7 aus.
Und es stellen sich weitere Fragen:
8. Auf welche Weise stellt die Bundesregierung sicher, dass die angeworbenen IMs keine Ausspähung innerhalb von Privatsphären betreiben, für die es beim Einsatz beamteter Spitzel richterliche Erlaubnisse brauchen würde?
9. Welche persönliche Qualifikation müssen angeworbene IMs mitbringen, um auf deren Information vertrauen zu dürfen, solange es keine Verfahren und Fristen gibt, innerhalb derer den Ausgespähten die jeweilige Veranlassung, die Methoden und die Folgen der Ausspähung darzulegen sind, um die IM-Angaben zu verifizieren oder zu widerlegen und um dem Verfassungsgebot zum rechtlichen Gehör zu genügen?
10. Wie viele ehemalige STASI-IMs wurden von Verfassungsschutzämtern übernommen?
Persönlicher Hintergrund: Der Verfassungsschutz ließ mich jahrelang durch den Kommilitonen J.T.M. bis in die Privatsphäre ausspähen, was mir nur deshalb bekannt wurde, weil sich J.T.M. in den Neunzigern gerichtlich dafür verantworten musste, dass er gleichzeitig für die STASI "gearbeitet" hatte.
Die Frage ist nicht, ob die freiheitlich-demokratische Grundordnung geheimdienstlichen Schutzes bedarf, sondern wie geheimdienstlicher Verfassungsschutz freiheitlich-demokratisch zu gewährleisten ist.
Verfassungsschutzbericht Dialog-Lexikon