"Aufstand der Anständigen"
Anlässlich antisemitischer Anschläge im Jahr 2000 rief die Bundesregierung zum "Aufstand der Anständigen" gegen den Rechtsextremismus auf.
Höhepunkt der antifaschistischen Proteste war eine Massendemonstration am 9.11.2000, auf der Paul Spiegel eindringlich fragte, ob sich Deutschland künftig von Neonazis terrorisieren lassen wolle.
Der "Aufstand der Anständigen" hatte seine Events, aber im Alltag änderte sich nichts: Neonazis dürfen fortgesetzt ihren Fremdenhass demonstrieren, in den Straßen provozieren und mit Parteien, die den NS heroisieren, an der staatlichen Parteienfinanzierung teilhaben.
Kritiker des offiziellen Antifaschismus forderten den "Anstand der Zuständigen", aber die "Zuständigen" versagten im NPD-Verbotsverfahren und verschleppten wichtige Prozesse gegen rechtsextremistische Straftäter verschleppt und oft aus Gründen kommunaler Image-Pflege unter den Teppich gekehrt.
Zwar wurden viele Projekte gefördert, die der Fremdenfeindlichkeit begegnen sollen, aber deren Erfolg scheitert nicht selten daran, dass sie in einer Art Paralleluniversum agieren und wenig Einfluss auf die Verhältnisse z.B. von Jugendzentren und Schulen haben - wiederum aus Image-Gründen, denn noch immer fürchten die "Zuständigen" vor Ort, dass konkreter Antifaschismus Rechtsextremismus-Probleme schürt und der Gemeinde Negativ-Schlagzeilen beschert. Dass solche Befürchtungen von Rechtsextremisten ausgenutzt werden, um sich die Handlungsspielräume zu erweitern, wird verkannt, ignoriert, geleugnet, bis es nichts mehr zu verheimlichen gibt, weil es zu Verbrechen wie im Juli 2003 kam.
Die Auseinandersetzung mit dem Extremismus ist eine gesamtgesellschaftliche Pflicht. Die Gesellschaft kommt nicht umhin, dem Rechtsextremismus im Alltag den Konflikt anzusagen, ansonsten reagiert die Gesellschaft zu spät - auch mit Appellen, ob nun zum "Aufstand der Anständigen" oder für den "Anstand der Zuständigen".