Bücherverbrennungen 10. Mai 1933 |
Kalender der Brandstiftung |
Die "Feuersprüche" der Nazis 1. Rufer: Gegen Klassenkampf und Materialismus, für Volksgemeinschaft und idealistische Lebenshaltung. Ich übergebe der Flamme die Schriften von Marx und Kautsky. 2. Rufer: Gegen Dekadenz und moralischen Verfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Glaeser und Erich Kästner. 3. Rufer: Gegen Gesinnungslumperei und politischen Verrat, für Hingabe an Volk und Staat! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Friedrich Wilhelm Förster. 4. Rufer: Gegen seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens, für den Adel der menschlichen Seele! Ich übergebe der Flamme die Schriften des Sigmund Freud. 5. Rufer: Gegen Verfälschung unserer Geschichte und Herabwürdigung ihrer großen Gestalten, für Ehrfurcht vor unserer Vergangenheit! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Emil Ludwig und Werner Hegemann. 6. Rufer: Gegen volksfremden Journalismus demokratisch-jüdischer Prägung, für verantwortungsbewusste Mitarbeit am Werk des nationalen Aufbaus! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Theodor Wolff und Georg Bernhard. 7. Rufer: Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkrieges, für Erziehung des Volkes im Geist der Wahrhaftigkeit! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Erich Maria Remarque. 8. Rufer: Gegen dünkelhafte Verhunzung der deutschen Sprache, für Pflege des kostbarsten Gutes unseres Volkes! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Alfred Kerr. 9. Rufer: Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist. Verschlinge, Flamme, auch die Schriften der Tucholsky und Ossietzky!
|
von Erich Kästner:
Und im Jahre 1933
wurden meine Bücher in Berlin, auf dem großen Platz neben der Staatsoper, von
einem gewissen Herrn Goebbels mit düster feierlichem Pomp verbrannt.
Vierundzwanzig deutsche Schriftsteller, die symbolisch für immer ausgetilgt
werden sollten, rief er triumphierend bei Namen. Ich war der einzige der
Vierundzwanzig, der persönlich erschienen war, um dieser theatralischen
Frechheit beizuwohnen.
Ich stand vor der Universität, eingekeilt zwischen Studenten in SA-Uniform, den
Blüten der Nation, sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen und hörte
die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners. Begräbniswetter hing
über der Stadt. ...
Plötzlich rief eine schrille Frauenstimme: "Dort steht ja Kästner!"
Eine junge Kabarettistin, die sich mit einem Kollegen durch die Menge zwängte
hatte mich stehen sehen und ihrer Verblüffung übertrieben laut Ausdruck
verliehen.
Mahnmal auf dem Bebelplatz in Berlin
Mitte.
Durch ein Fenster im Pflaster des Platzes
schaut der Besucher in einen unterirdischen
Raum mit leeren Buchregalen.