Holocaust-Unbefangenheit

Hallo Kraftwerk,

es gibt bei uns keine Vorgaben, bei welchen Sprüchen "automatisch" der Rauswurf erfolgen würde. Wir Admins sind keine Automaten und durch nichts programmiert, denn alle internen Bemühungen um "klarere Regeln" scheitern zwangsläufig daran, dass "richtig"/"falsch" immer nur für den einzelnen Fall entscheidbar sein kann. Denn warum sollte man jemanden hinauswerfen, wenn man glaubt, dass man sich noch einigen kann?

Es ist zumindest vielen der Admins " vollkommen normal", wenn uns Leute, denen jegliche Antifa als Teil einer bösartigen "Weltverschwörung" erscheint, nicht grad mit "Guten Tag" auf uns zukommt, sondern eher glaubt, mit harten Sprüchen "austeilen" zu müssen.

"Jedem das Seine" kann als Provo aufgefasst werden. Fragt man als Admin nach, ob jemand damit für die Menschenverächtlichkeit werben will oder ob er den Spruch für das Recht des Menschen auf Individualität anbringt, dann kommen oft patzige Antworten, denn niemand will sich genötigt sehen, zeigen zu müssen, dass er es "gut" meint - und schon ist der Konflikt zwischen User und Admin da.

Für mich ist "Jedem das Seine" nicht einfach nur ein "kluger Spruch", weil ich Menschen kennenlernte, die Auschwitz, Sachsenhausen, Dachau, Ravensbrück überlebten. 

Weil ich solche Menschen kennenlernte und nicht nur in Büchern über sie las, darum wurde diese Geschichte "meine Geschichte" und ist daher für mich nicht "allgemeine Geschichte" wie aus "Band 8 der Weltgeschichte: Der amerikanische Bürgerkrieg". 

Für mich sind die Grauen des Faschismus noch "unmittelbar", weil ich Menschen beruhigen musste, die ich zu viel gefragt hatte.

Noch ist es also nicht vorbei. Und das ist aber nicht nur "schlimm", sondern auch "gut", damit wir genug darüber wissen, um ähnliche Dinge zu vermeiden.

GESCHICHTE ist manchmal wie höhere Mathematik: schwer zu begreifen. Und manche fangen deshalb an sie zu hassen (wie die Mathematik).

Und es gibt nicht nur schlechte Schüler, sondern auch schlechte Lehrer.

Ich hatte gute Lehrer, die allerdings keine Lehrer waren, sondern Menschen mit diesen schlimmen Erfahrungen. Aber gute Lehrer gehabt zu haben, heißt längst nicht, dass man selbst ein guter Lehrer würde. Also kann es sein, dass ich vieles falsch mache.

Aber was eben auch Schüler lernen müssen: dass sie trotzdem lernen sollten, selbst wenn die Lehrer schlecht sind.

Nun bin ich nicht Dein "Lehrer", aber die Überlebenden aus Nazi-Lagern - die habe ich Dir voraus, ansonsten würdest Du nicht "unbefangen" von "Jedem das Seine" sprechen.

Kraftwerk, noch mal ganz genau: AUCH ich will, dass wir "unbefangen" werden. Und das wird auch kommen. Aber aber wer Unbefangenheit erzwingen will, wer vergessen machen will, der ist mir vergleichbar mit solchen, die Liebe erzwingen wollen und das geht nun mal nicht, bewirkt das Gegenteil.

Und wieder bitte richtig verstehen: Faschos und Antifaschos machen mit diesem Erzwingen-Wollen häufig den selben Fehler aus nur unterschiedlichen Richtungen.

Ich werbe für den Dialog. Der Dialog selbst gelingt mir vielleicht nicht, aber dann mache es besser.

redaktion20040102

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