Wussten "die Deutschen" vom Holocaust?
Obwohl sich die Richter in den Nürnberger klar dazu bekannten, dass es keine Kollektivschuld gebe, weil die Schuld immer individuell ist, begegnen in den Diskussionen immer wieder Schuldvorwürfe gegen "die Deutschen", dass sie vom Holocaust gewusst hätten, also ihn "zumindest stillschweigend hingenommen" hätten.
Allein die Täter wussten vom industriellen Völkermord an den Juden, Sinti und Roma.
Nicht einmal diejenigen wussten davon, die in Auschwitz "an der Rampe selektiert" wurden, um ermordet zu werden.
Zur Bedeutung dieser Aussagen
Ist es ein "Versuch die Deutschen von der Holocaust-Schuld zu befreien"?
Schon in solcher Frage liegt die falsche Vorstellung einer Kollektivschuld. Ihr gilt es entgegenzutreten, denn aus ihr sind jene unheilvollen Schuldkomplexe, aus denen sich der Antisemitismus speist: "Die Deutschen werden den Juden den Holocaust nie verzeihen", bringt den Schuldkomplex auf den sarkastischen Punkt.
Die Schuld des Menschen kann nicht weiter reichen als seine Möglichkeiten etwas zu wissen und zu beeinflussen. Und die Möglichkeiten haben Zumutbarkeitsgrenzen, denn Heldenmut und Opferbereitschaft sind in aller Menschheit gleich seltene Eigenschaften.
So wenig es eine Kollektivschuld gibt, so wenig gibt es auch eine "kollektive Unschuld", denn Schuld entstand immer da, wobei mitgemacht wurde, zugesehen wurde, wogegen es keine Widerstandshandlungen gab:
- bei der Diskriminierung,
- bei der Verhaftung,
- bei der Internierung,
- bei der Zwangsarbeit,
- bei der Deportation,
- bei Folter, Mord und Massenmord.Die letzteren Teile dieser Verbrechenssteigerung hängen von den ersteren Teilen ab. Aber wer der ersteren Teil schuldig wurde ohne deren Bedeutung für die letzteren kennen zu müssen, kann nicht der letzteren Teile schuldig sein. Auch nicht "mitschuldig"?
Nein, warum so hartnäckig? Es kann keine Schuld ohne Wissen, Wollen und Können geben. Allerdings die Verantwortung dafür, dass es sich nicht wiederholt, denn spätestens mit Befreiung der Lager kann nun jeder wissen, was wie enden kann, wenn es nicht im Ansatz verhindert wird.