Kritik an der Anti-Ahmadinejad-Demonstration v. 28.1.2007 in Berlin
Trotz Kälte, Wind, Regen und des umstrittenen Demonstrationsaufrufs fanden sich viele Menschen zusammen, um gegen die Politik der iranischen Führung zu protestieren. Die Veranstalter sprachen sicherlich optimistisch von 3000 Demonstranten. Gleichwohl unter den Bedingungen beachtlich.
Viele Israel-Flaggen, viel Jubel über die zornigen Reden gegen den iranischen Präsidenten und die Kollaboration insbesondere der Bundesrepublik Deutschland gegenüber einem System, das mit den Worten "Ahmadinejad + Atomwaffen = Zweiter Holocaust" definiert wurde.
Verhaltenere Zustimmung bei Sprüchen gegen die Friedensbewegung, die sich bewusst werden müsse, dass solch Holocaust auch um sie keinen Bogen mache, womit der Friedensbewegung mal kurzerhand unterstellt wurde, sie würde sich mit einem Holocaust gegen Juden abfinden, wenn nicht gar schlimmer.
Viel Jubel bei der Forderung: "Kein Dialog mit dem Iran! Abbruch aller diplomatischen Beziehungen!", als habe sich solche Politik jemals bewährt, etwa die us-amerikanische Iran-Politik. Aber gegen deren Erfolg werde der "Antiamerikanismus in Anschlag gebracht", wobei immerhin nicht behauptet wurde, dass die Friedensbewegung an Teheran Atomtechnik verkaufe, was man endlich mal zurecht Wirtschaft und Regierungen vorwarf; Stichworte: Ausfuhrgenehmigungen und Hermes-Bürgschaften. Kein Thema der Redner war, dass auch die Energieverschwendung in globaler Wirtschaftskonkurrenz ihren Anteil an so viel Interessenkonflikt hat und nicht nur dem Iran die Mittel verschafft, aus denen trotz Technologie-Embargo Anmaßung und Waffen entstehen.
Ebenfalls zurecht wäre die Kritik an der Website des Auswärtigen Amts, wenn sie von Holocaust-Leugnung und Auslöschungsforderungen unbeeindruckt die Entwicklung der deutsch-iranischen Beziehungen loben würde, wie es in einer Rede hieß. Das hielt ich für möglich, aber finde beim Blick auf die Website zahlreiche Dokumente zum Streit mit dem Iran.
>> Themenliste des Außenministeriums
Nein, das war nicht meine Demonstration, auch wenn man mich mitgezählt haben wird, auch wenn ich vielen Demonstrierenden die gute Absicht anerkenne, denn die Verhältnisse im Iran und die iranische Politik gegen Israel und die USA, gegen die Menschenrechte sind genügend Gründe zum Demonstrieren und für Gegenmaßnahmen, aber eben auf Grundlage eines allen Staaten, Völkern und Menschen gleichen Rechts, um das diese Veranstalter nach dem Irak nun auch um den Iran einen Bogen zu machen empfehlen und alsbald um den nächsten Staat usw.
Solchen Leuten bleibt tatsächlich "Kein Dialog!", denn ihre Argumente auf der Basis eines ungleichen Rechts finden nur bei denen Zustimmung, die sich entweder des ungleichen Rechts nicht bewusst sind oder es zu bewahren versuchen.
Auf solche Weise verliert man moralisch auch gegen die übelsten Schurken. Wer politisch auf der Strecke militärischer Möglichkeiten bleibt, wird die Klüfte vertiefen, den Terrorismus und das Chaos anstelle einer Ordnung des Rechts etablieren. Die Siege sind dann keine Siege über die Unmenschlichkeit.
Die Ansprache von Matthias Küntzel zeichnete ich auf, aber ob ausgerechnet sie verbreitet werden sollte? Seine Rede, auf dieser Veranstaltung vergleichsweise "gemäßigt", enthält zwar viel Wahres, aber der Bauteile Einsturz wäre gewiss, wenn es kein Fundament hat und fehlende Statik darüber. Ohne Entwicklung des Weltrechts und einer darauf gegründeten Diplomatie wird kein stabiler Frieden.
Solange Waffen und Gewalt über Rechte entscheiden, wird ihnen das Hauptstreben gelten und nicht nach besseren Argumenten.
Wo bleibt die Friedensbewegung?
Auch sie stand gestern mit im Regen, doch auf der Bühne von niemandem vertreten und auf dem falschen Dampfer, wenn er ein Flugzeugträger sein will.
Die Friedensbewegung wird zu tatsächlichen "Großdemonstrationen" erst dann erstarken, wenn erneut zu spät für ihre Argumente ein "Präventivschlag" nicht mehr zu stoppen ist, weil sie in den entspannteren Zeiten notorisch anhängerschwach ist und verabsäumt, mehr Weltrecht durchzusetzen, was die einzig wirkliche Prävention gegen Kriege ist.
Solange sich das nicht ändert, bleibt die Menschheit auf das Glück angewiesen, dass die Kriegsmächtigen am Erfolg ihrer Waffen zweifeln und dass kein technisches Unglück passiert mit Waffen, die wir und unsere Politiker existieren lassen - anstatt wenigstens die schlimmsten weltweit durch Abkommen zu ächten und deren Abschaffung kollektiv zu garantieren.
Solche Abkommen halte ich auch mit dem Iran und Nordkorea für möglich. Aber diese überragend wichtige Frage dachten die gestrigen Veranstalter nicht einmal an. - Und wer solche Waffen erst hat, tut sich und allen mit solchen Abkommen schwerer.
Grüße von Sven20060128 >>