Luther + Antisemitismus
  
von Ralph am 6.Nov.2003 22:22 [ Antwort schreiben | Forum ]


Das Thema/ Die Person Martin Luther ist ja wieder in aller Munde durch den neuen Kinofilm, der auch seinen Namen trägt.
Doch erweist sich gerade diese Person oft als problematisch. Was ist von seinen antisemitischen Äußerungen zu halten? Welche Rolle spielen sie im zeitlichen Kontext? Worauf sind sie zurückzuführen?

Hier ein paar Zitate Luthers: (Passagen teilweise in veraltetem Deutsch)

"wenn nu Gott jtzt oder am Jüngsten tage mit uns Christen also wird reden: Hörestu es, Du bist ein Christ und hast gewust, das die Jüden meinen son und mich öffentlich gelestert und geflucht haben, du aber hast jnen raum und platz dazu gegeben Sage mir, Was wollen wir hie antworten?"
(Martin Luther, Text:"Von den Juden und ihren Lügen")

"Hieher zum Kusse! Der Teufel hat in die Hosen geschissen und den Bauch abermals geleeret Das ist ein recht Heilightum, das die Juden und was Jude sein will, küssen, fressen, sauffen und anbeten und soll der Teufel auch fressen und sauffen, was solche Jünger speien, oben und unten auswerfen können Hier sind die rechten Gäste und Wirthe zusammengekommen der Teufel frißt mit Lust, was der Juden oberes und unteres Maul speiet und spritzet"
(Martin Luther, Judenfreund)

»Ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist’s um diese Juden, so diese 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen. Das ist nichts anderes...«

»... dass man ihnen verbiete, bei uns ... öffentlich Gott zu loben, zu danken, zu beten, zu lehren bei Verlust Leibes und Lebens ...« (Martin Luther, von den Juden und ihren Lügen. Wittenberg 1543)

»Wenn ich könnte, wo würde ich ihn (den jüdischen Mitbürger) niederstrecken und in meinem Zorn mit dem Schwert durchbohren«

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Systematischer Plan zur Verfolgung der Juden
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Luthers 7-Punkte-Plan zur Judenverfolgung: (original Geschriebenes)
1.
"Erstlich, das man jre Synagoga oder Schule mit feur anstecke und, was nicht verbrennen will, mit erden überheufe und beschütte, das kein Mensch ein stein oder schlacke davon sehe ewiglich Und solches sol man thun, unserm Herrn und der Christenheit zu ehren damit Gott sehe, das wir Christen seien"
2.
“Zum anderen, das man auch jre Heuser des gleichen zerbreche und zerstöre, Denn sie treiben eben dasselbige drinnen, das sie in jren Schülen treiben Dafur mag man sie etwa unter ein Dach oder Stall thun, wie die Zigeuner, auff das sie wissen, sie seien nicht Herren in unserem Lande“
3.
“Zum dritten, das man jnen nehme all jre Betbüchlein und Thalmudisten, darin solche Abgötterey, lügen, fluch und lesterung geleret wird“
4.
“Zum vierten, das man jren Rabinen bey leib und leben verbiete, hinfurt zu leren“
5.
“Zum fünften, das man die Jüden das Geleid und Straße gantz und gar auffhebe“
6.
“Zum sechsten, das man jnen den Wucher verbiete und neme jnen alle barschafft und kleinot an Silber und Gold, und lege es beiseit zu verwaren“
7.
“Zum siebenden, das man den jungen, starcken Jüden und Jüdin in die Hand gebe flegel, axt, karst, spaten, rocken, spindel und lasse sie jr brot verdienen im schweis der nasen“
(Martin Luther, Von den Juden und ihren Lügen)

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Daraus ergeben sich mir folgende Fragen: Warum distanziert sich die evangelische Kirche nicht im Wesentlichen von Luthers Antisemitismus? Es wäre gar nicht zu denken, auf was für Ideen radikale Anhänger der evangelischen Kirche kommen könnten, und sich dabei noch auf Luther - den Gründer dieser - berufen.
Des Weiteren ist zu erwähnen, dass Martin Luthers Schriften heute wahrscheinlich wegen Volksverhetzung auf dem Index landen und eine strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen würden.

Interessante Quelle mit originalen Bildern der Textpassagen: http://www.kirchenopfer.de/dokumentation/02_luther.html 

Dieses Problem ist sicherlich eine Erörterung wert.
Mit freundlichen Grüßen, Ralph

von Sven Redaktion am 7.Nov.2003 15:26  
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Hallo Ralph,

die lutherischen Kirchen beziehen sich nicht auf den antisemitischen Luther, sondern 
a) auf den Bibel übersetzenden Luther, 
b) auf den Luther, der den Kirchen das Recht absprach, die Sündenvergebung zum Geschäft zu machen.

Wir können das gern noch ausführlicher diskutieren, aber jetzt vorab nur noch die Kritik an Deiner Webseite bzw. Initiative:

1. Sind die Begründungen für ein Kirchenopfer-Mahnmal so sehr der Holocaust-Debatte entlehnt, dass ich darin nicht nur ein Plagiat empfinde, sondern auch eine Zumutung für die Überlebenden des Holocaust, wenn ihre Trauerlogik auf eine Zeit projiziert wird, für die nun tatsächlich keine Person mehr haftet.

2. Vertust Du Dich herbe, was die Exegese des Neuen Testaments anbelangt, denn es "vollendet" das Alte Testament in "Aufhebung" i.S.v. Negation der alten Gesetze durch den neuen Bund, den Gott durch seinen Menschensohn Jesus hergestellt habe, also zur Vergebung der Sünde und durch Erlass des höchsten Gebots, dem zur Nächstenliebe.

Es geht darin also nicht um "Wiedergutmachung", wie Du das Christentum fälschlich darstellst, sondern um "Vergebung". ...

Grüße von Sven
Redaktion

Nachtrag 1: Gnade
Es ist vollkommen vermessen, den Antisemitismus Luthers mit dem  Antisemitismus der Nazis zu vergleichen, denn jedes Menschen Tun ist in seiner Zeit zu beurteilen, was zwar am Urteil über die Taten nichts ändert, wohl aber am Urteil über die Täter.

Nachtrag 2: und "nachtragend"
Die lutherischen Kirchen sollten sich vernehmbarer gegen Luthers Judenhetze positionieren, denn es wird keine Wahrheit, wenn man Personen idealisiert, denn das Risiko daraus ist, dass auch solche ihrer Taten ins besseres Licht gesetzt werden, die gegen unsere ethischen Gewissheiten verstießen.

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