Mädchenbeschneidung 

03.02.2003 UNICEF: Jedes Jahr werden zwei Millionen Mädchen beschnitten - Internationale Konferenz gegen grausame Tradition

Jedes Jahr werden weltweit nach Schätzungen von UNICEF zwei Millionen Mädchen an ihren Geschlechtsorganen beschnitten, das sind 6.000 am Tag. Viele von ihnen leiden ihr Leben lang unter schweren körperlichen und seelischen Schmerzen. Anlässlich der heute (3.2.2003) beginnenden internationalen Konferenz gegen Mädchenbeschneidung in Addis Abeba (Äthiopien) ruft UNICEF Regierungen und religiöse Führer der betroffenen Staaten in Afrika, im Nahen Osten und in Asien dazu auf, den Kampf gegen diese grausame Tradition zu verstärken. Auch in den Industrieländern müssen Mädchen aus Immigrantenfamilien besser geschützt werden.

"Die Beschneidung von Mädchen ist eine krasse Menschenrechtsverletzung, die nur möglich ist, wo Frauen brutal unterdrückt und von Bildung ausgeschlossen sind. Würde eine vergleichbare Prozedur an Männern vollzogen, hätte es längst einen internationalen Aufschrei gegeben", erklärte die Schauspielerin Katja Riemann, die die UNICEF-Kampagne gegen Mädchenbeschneidung unterstützt und Aufklärungsprojekte im Senegal besuchte.

Von heute an bis zum 6. Februar diskutieren mit Unterstützung von UNICEF in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba Vertreter von Regierungen afrikanischer Staaten, der Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen über Strategien gegen die Beschneidung. Zum Abschluss der Konferenz soll der 6. Februar zum "Internationalen Tag gegen Mädchenbeschneidung" erklärt werden.

Eine stille Tragödie

Weltweit sind schätzungsweise 130 Millionen Mädchen und Frauen beschnitten. Die Praxis der Beschneidung ist in 28 afrikanischen Staaten sowie in einigen Ländern des Nahen Osten und Asiens verbreitet. Aber auch Mädchen aus Immigranten- und Flüchtlingsfamilien in Europa sind betroffen. Allerdings gibt es hierzu keine Zahlen und Untersuchungen. In Deutschland erfüllt die Mädchenbeschneidung den Straftatbestand der Körperverletzung, auch wenn die Eltern eingewilligt haben. Eltern, die ihre Töchter zur Beschneidung ins Ausland bringen, machen sich ebenfalls strafbar. Das Wissen über die Problematik bei öffentlichen Stellen, die mit ausländischen Familien arbeiten, ist jedoch noch gering.

Die Beschneidung ist ein massiver Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Mädchen. Er reicht von der Abtrennung der Vorhaut der Klitoris bis zu deren Entfernung gemeinsam mit den kleinen Schamlippen. Die schlimmsten Folgen hat die sogenannte Pharaonische Beschneidung oder Infibulation. Dabei werden die großen Schamlippen beschnitten und anschließend mit Dornen, Nadeln und Fäden verschlossen, so dass nur eine sehr kleine Öffnung der Vagina übrig bleibt.

Die Eingriffe erfolgen meist im Alter zwischen vier Jahren und dem Beginn der Pubertät. Manchmal werden sogar Babys beschnitten. In der Regel wird die Prozedur von traditionellen Beschneiderinnen durchgeführt - ohne Betäubung und unter unhygienischen Bedingungen. Als Instrumente dienen häufig Rasierklingen, Messer oder Scherben. Aber auch in Krankenhäusern werden Mädchen beschnitten: Untersuchungen in Ägypten ergaben, dass dort 60 Prozent der Beschneidungen mittlerweile von Ärzten durchgeführt werden – obwohl die Mädchenbeschneidung in Ägypten verboten ist und der Eingriff eindeutig dem ärztlichen Ethos widerspricht.

Schnitt in Körper und Seele

Beschnittene Mädchen und Frauen leiden häufig ihr Leben lang an körperlichen und seelischen Problemen. Der Eingriff selbst verursacht große Schmerzen, Schockzustände und starke Blutungen. Immer wieder sterben Mädchen an den Folgen. Häufig kommt es zu Infektionen, die chronische Becken- und Harnwegsentzündungen nach sich ziehen. Wucherungen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und Komplikationen bei der Geburt eines Kindes kommen hinzu. Beschneidungen sind eine der Hauptursachen für die hohe Sterblichkeitsrate von Frauen bei der Geburt in den betroffenen Ländern. Viele beschnittene Frauen leiden an Depressionen, Angstzuständen oder sogar Psychosen.

Weil es immer so war

Trotz der gravierenden Auswirkungen bringen die meisten betroffenen Frauen ihre Probleme nicht mit der Beschneidung in Verbindung. Der Eingriff wird auch nicht als ein Akt der Gewalt angesehen. Die Eltern sind vielmehr der Überzeugung, dass sie ihren Töchtern etwas Gutes tun. Der Ritus garantiert in den Augen der Eltern die Keuschheit und Jungfräulichkeit ihrer Töchter und verbessert die "Sauberkeit" des Genitalbereichs. In vielen Gemeinschaften haben unbeschnittene Mädchen keine Chance, zu heiraten.

Beschneidungen werden von Christen, Moslems und Angehörigen anderer Religionen praktiziert, obwohl keine der Weltreligionen sie vorschreibt. Allerdings wenden sich immer wieder religiöse Führer - vor allem auf der lokalen Ebene - gegen Aufklärungskampagnen zur Abschaffung der Mädchenbeschneidung.

Verbote reichen nicht

Nur neun Staaten auf dem afrikanischen Kontinent haben bis heute die Mädchenbeschneidung ausdrücklich verboten. Offizielle Verbote sind ein wichtiger Schritt. Doch die tief verwurzelte Tradition kann nicht dadurch überwunden werden, dass man die Menschen, die diese praktizieren, kriminalisiert. UNICEF führt deshalb in den betroffenen Ländern Aufklärungs- und Informationskampagnen durch, um die Bevölkerung davon zu überzeugen, ihre Töchter nicht länger beschneiden zu lassen. UNICEF mobilisiert dazu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus Politik, Religion und Gesellschaft.

Besonders erfolgreich ist die von UNICEF unterstützte Arbeit der Nichtregierungsorganisation TOSTAN ("Durchbruch") im Senegal, die ein breit angelegtes Bildungsprogramm für Mädchen und Frauen durchführt. In den vergangenen drei Jahren haben aufgrund der Arbeit von TOSTAN 1.200 Dorfgemeinschaften öffentlich erklärt, Mädchen nicht länger zu beschneiden.

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