Menschenrechtskonferenz 2009 - Aus dem Westen nichts Neues
"Zum Schaden der UNO" - so titelte eine der führenden
Zeitungen mit Sitz in Berlin und meinte damit, dass Europa hätte geschlossen
die Menschenrechtskonferenz boykottieren sollen, weil Leute wie Holocaustleugner
Ahmadinedschad das Forum zu Ausfällen gegen Israel nutzen werde,
"Schlimmeres zu verhüten ist immer Entschuldigung für Mitmachen,
..." - so lebt da ein M. Stürmer sein binäres Weltbild aus, in das nicht
passt, wenn Feinde miteinander reden, wenn Leute vermitteln.
"Zum Schaden der UNO" - das klingt, als sei
da jemand besorgt, aber seine Würdigung der UNO liest sich dann eher so, als möchte
er ohne sie auskommen: "Für die meisten der mehr als 190 Mitglieder
der Uno ist ohnehin der Begriff Demokratie nichts als ein Etikett."
Also "Raus aus der UNO"? Das wagt er nicht auszusprechen, und
allein das unterscheidet ihn von seinen Berufskollegen in Teheran, aber die
Stimmungsmache ist gleichermaßen unversöhnlich, ohne dafür haften zu wollen,
denn ihn wie die dortigen Hetzer treffen die Embargos nicht, weil der Lohn für
die Hetzer stets höher ist als für die Verhetzten.
Und wie wäre es, wenn stimmte, dass die UNO auf den Hund gekommen sei. Dann
fragt sich, was sie zuvor war. Galt die Welt als in Ordnung, als sie in Ost und
West geteilt sich mal mehr, mal weniger offen androhte, die gesamte Menschheit
in den Abgrund zu reißen, also auch jene, die mit diesem Konflikt nichts zu tun
hatten? War die Zusammensetzung der UNO besser, als der Algerienkrieg tobte?
Und es stellt sich die Frage nach dem Wohin. Dazu meint M. Stürmer kaum
tiefsinniger als ein Knäckebrot und dennoch den Erdball greifend: "Konflikte
und Katastrophen rund um den Globus erfordern verantwortungsvolles und
konzertiertes Vorgehen." - Klare Fronten vermisst er, aber lässt
vermissen, wen er in diesem "konzertierten Vorgehen" sehen möchte. 47
Mächte gegen den Rest der Welt? Mit oder ohne China - oder vielleicht gar gegen
China? Und gegen Russland? Oder ist Ahmedineschad das einzige Problem? Möglicherweise
für M. Stürmer, weniger für die Tamilen, Kurden, weniger für die
afrikanischen Länder. Die haben andere Sorgen. Und: Fronten sind leicht erklärt,
überall, aber nicht, wie sie dem Frieden weichen.
Der Boykott unliebsamer Konferenzen steht jedem frei, aber wenn es
UNO-Konferenzen sind, dann ist deren Zweck, dass alle daran teilnehmen, ob sie
einander mögen oder verachten, ob sie gegeneinander hetzen oder ewige Treue
schwören.
Die Vereinten Nationen sind kein Schönwetterverein, sondern der Tisch, an dem
gestritten werden muss, damit weniger auf den Schlachtfeldern gestritten wird.
Wer die UNO boykottiert, schadet der UNO und zwar mehr als diejenigen, die dort
Hetzreden halten.
Und wie berichteten die öffentlich-rechtlichen Medien von der Konferenz? Da war
von "Eklat" die Rede, den viele westliche Delegationen mit dem
Verlassen der Konferenz quittierten, weil Ahmedineschad erwartungsgemäß nicht
von seinen Menschenrechtsverletzungen im Iran sprach, sondern sich zum
Verteidiger von Palästinenser-Interessen hochstilisierte. Und doch war der
Auszug der westlichen Delegationen ein Armutszeugnis, ein Beispiel für die Unfähigkeit,
Ahmedineschad zuzuhören und in der Sache zu widersprechen. Wenn andere
klatschen, kann man pfeifen, aber am Tisch muss man bleiben.
Der Westen hat sich blamiert. Der Westen versagte dem Konflikt die Diplomatie.
Das ist die Bilanz von Genf. Und das muss sich ändern.
Markus Rabanus - Dialogie.de >> Diskussion
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