EINSTIEG in die rechtsextreme Szene

Oft kommt die Frage auf, wie jemand dort hinkommt.

Die Wege in die rechtsextremistische Szene sind so verschieden wie die Menschen.

Es gibt viele Faktoren, die solche Fehlentwicklungen fördern, aber keiner dieser Faktoren hätte die Fehlentwicklung zum zwangsläufigen Ergebnis. Unter diesem Vorbehalt listen wir nachstehend einige solcher Faktoren auf, wobei die Nummerierung lediglich die Diskussion dazu erleichtern soll und keine Gewichtung darstellt:

1. wirtschaftliche und moralische Krisenhaftigkeit des Gesellschaftssystems, unabhängig von der politischen Ausrichtung links/rechts/bürgerlich;  insgesamt eine opportunistische auf bloße Macht- und Selbsterhaltung orientierende Politik, die nicht nur ganze Wirtschaftszweige von subjektiver Verantwortlichkeit, sondern den Menschen an sich von individueller Verantwortung "befreit" und damit zugleich in die Totalabhängigkeit zum Ganzen bringt.  
Der Mensch wird zum Subventionsobjekt, zum Konsumenten, während seine schöpferischen Qualitäten zwar gewünscht und "gefördert" werden, sich nicht aber mehr als notwendig darstellen, solange das Subventionssystem noch funktioniert.  Aber die Vermutung seines Zusammenbruchs ist für viele so naheliegend, dass die Neigung wächst, drohende Konkurrenz und Sozialkonflikte zu antizipieren.

2. multikulturelle Negativ-Erfahrungen in Gebieten, in denen Integrationspolitik vernachlässigt und Überfremdungsängste als nichts existent bzw. unbegründet übergangen werden; Globalisierung mit  Effekten für das bei vielen ohnehin gestörte Identitätsbewusstsein und mit Effekten bis hinein in die Lebensnahbereiche Kindergarten, Schule, Diskothek, Straße, Berufsleben, Arbeitsamt, Sozialamt.   Kommunikationsbarrieren, kulturelle Fehlinterpretationen, kulturelle Inkompatibilitäten - alles Faktoren, die nur im Wege problemanerkennender Integrationspolitik  überwindbar wären.  Der bessere Begriff wäre "Multikulturpolitik", denn es kann nicht zum Erfolg führen, die Minderheiten den Mehrheiten anzupassen, sondern auch die Mehrheiten müssen sich öffnen, nicht nur Toleranz entwickeln, sondern kulturelle Bereicherung erfahren lernen bzw. können,

3. soziale Randständigkeit oder Verwahrlosung der Familie,  personale Halt- und Perspektivlosigkeit,

4. Erziehungsfehler wie Gewalt, Lieblosigkeit, Vernachlässigung, die in Familien aller Schichten vorkommen kann;   dazu ein Bildungssystem ohne Tiefgang und zurückgehendem Erziehungsanspruch seitens vieler Lehrkräfte,

5. Generationskonflikt in der heutigen Spezifik, dass die 68'er-Generation nicht links-intellektuell zu überholen ist

6. historischer Abstand zu den Tätern und Opfern faschistischer Verbrechen bei nahezu unveränderter Methode, die "Vergangenheit zu bewältigen" = "Mahnmal-Politik" mit  Schuldkomplex-Effekten anstelle von Entwicklung eines Versöhnungsbewusstseins für politische Gegenwarts- und Zukunftsverantwortung,

7. Dialogunfähigkeit der Eltern- bzw. Entscheider-Generation, die sich  mit Ausgrenzungsversuchen behilft oder ihre Untätigkeit kaschiert und dabei übersieht, dass in den geistig-politischen Sperrbezirken die extremistische Szene wartet und sich um die Ausgegrenzten "kümmert" .

So viele Faktoren hier gelistet sind, würden noch viele anzufügen sein, aber all diese Faktoren haben gegenwärtig gesamtgesellschaftlich noch sehr unspezifisches Gewicht.  Einige Faktoren wirken in das Bewusstsein der breiten Massen, manifestieren sich dort in latenter Fremdenfeindlichkeit, in Freiheitsskeptizismus und latenter Demokratie-Kritik, die als Staatsverdrossenheit wahrnehmbar ist und sich durch das Fehlverhalten von Parteien (z.B. Spendenskandale, Politikabwesenheit)  noch verstärkt.  Der Glaubwürdigkeitsverlust herrschender Politik geht einher mit allgemeinen Argumentationsverlusten gegenüber radikalen Systemgegnern. 

Trotzdem "funktioniert" das Ganze noch einigermaßen und der "Zusammenbruch", so sehr er von Systemgegnern herbei gewünscht wird, lässt sich noch nicht datieren.

Politisches Gesamtanliegen im Widerstreit zum Rechtsextremismus, aber auch zum Extremismus insgesamt wird sein, deutlich zu machen, dass es zwar sehr wohl darum gehen muss, Alternativen zu schlechter Politik zu entwickeln, dass aber Extremismus gleichbedeutend ist mit der Übertragung von Entrechtungs-Ideologien in das Leben der Gesellschaft, der Menschen und deshalb keine "Alternative" sein kann.

Lesen sie achtsam, was die Aussteiger über sich selbst schreiben.  Autobiographien haben sicherlich ihre Tücken, denn der Mensch braucht ein Bild von sich, mit dem er leben kann. 
Vielfach gelangen aber Darstellungen, die anderen etwas eher die Augen öffnen könnten.   Ohne Garantien, denn die Menschen sind keine Automaten,  aber sie müssen uns den Versuch wert sein. 

sven2000/2002/200804

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Warum wird jemand Rechtsextremist?

Nenne uns die wichtigsten 3 Faktoren.

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