(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. zum Haß gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Haß gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, daß Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden,
a) verbreitet,
b) öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht,
c) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht oder
d) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder
2. eine Darbietung des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet.
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
(5) Absatz 2 gilt auch für Schriften (§ 11 Abs. 3) des in den Absätzen 3 und 4 bezeichneten Inhalts.
(6) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, und in den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt § 86 Abs. 3 entsprechend.
Stand 200911 zur Aktualitätskontrolle
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November 2009: BVerfG
bestätigt §130 Abs.4 StGB
Der Beschwerdeführer meldete im Voraus bis in
das Jahr 2010 jährlich wiederkehrend, darunter auch für den 20. August 2005,
eine Veranstaltung unter freiem Himmel in der Stadt Wunsiedel mit dem Thema
„Gedenken an Rudolf Heß“ an. Die geplante Versammlung wurde - gestützt
auf § 15 Abs. 1 VersG in Verbindung mit § 130 Abs. 4 StGB - unter Anordnung
der sofortigen Vollziehung verboten. Die Anträge auf vorläufigen
Rechtsschutz und die daraufhin erhobene Klage blieben durch alle Instanzen
erfolglos.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wandte sich der am 29. Oktober 2009
verstorbene Beschwerdeführer sowohl gegen § 130 Abs. 4 StGB selbst als auch
gegen dessen Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht im konkreten Fall
und rügte - unter anderem - eine Verletzung seiner Grundrechte der
Versammlungs- und Meinungsfreiheit sowie einen Verstoß gegen den
Bestimmtheitsgrundsatz.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts wies die Verfassungsbeschwerde -
unter anderem - im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 5 Abs.
1 und 2 GG und Art. 103 Abs. 2 GG als unbegründet zurück.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Über die Verfassungsbeschwerde kann aufgrund der objektiven Funktion der
Verfassungsbeschwerde, das Verfassungsrecht zu wahren, auszulegen und
fortzubilden, trotz des Todes des Beschwerdeführers entschieden werden.
Die erstrebte Entscheidung soll über die höchstpersönliche Betroffenheit
des Beschwerdeführers hinaus Klarheit über die Rechtslage für Meinungsäußerungen
bei einer Vielzahl zukünftiger Versammlungen und öffentlicher Auftritte
schaffen und ist von allgemeiner verfassungsrechtlicher Bedeutung. Überdies
war die Sache im Zeitpunkt des Todes des Beschwerdeführers entscheidungsreif,
der Senat hatte sie beraten und das Verfahren stand unmittelbar vor seinem
Abschluss. § 130 Abs. 4 StGB greift in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit
ein, weil die Norm an die Meinungsäußerungen der Billigung, Verherrlichung
und
Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt und Willkürherrschaft anknüpft
und diese unter weiteren Voraussetzungen unter Strafe stellt.
Grundsätzlich sind Eingriffe in die Meinungsfreiheit nur zulässig auf der
Basis eines allgemeinen Gesetzes gemäß Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG. Ein
meinungsbeschränkendes Gesetz ist unzulässiges Sonderrecht, wenn es nicht
hinreichend offen gefasst ist und sich von vornherein nur gegen bestimmte Überzeugungen,
Haltungen oder Ideologien richtet. Dies gilt auch für Bestimmungen zum Schutz
der Jugend und der persönlichen Ehre nach Art. 5 Abs. 2 Alternativen 2 und 3
GG. Die Allgemeinheit des Gesetzes verbürgt damit entsprechend dem Verbot der
Benachteiligung wegen politischer Anschauungen nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1
Alternative 9 GG für Eingriffe in die Meinungsfreiheit ein spezifisches und
striktes Diskriminierungsverbot gegenüber bestimmten Meinungen.
Das Grundgesetz vertraut auf die Kraft der freien Auseinandersetzung als
wirksamste Waffe auch gegen die Verbreitung totalitärer und
menschenverachtender Ideologien. Dementsprechend fällt selbst die Verbreitung
nationalsozialistischen Gedankenguts als radikale Infragestellung der
geltenden Ordnung nicht von vornherein aus dem Schutzbereich der
Meinungsfreiheit heraus. Den damit verbundenen Gefahren entgegenzutreten,
weist die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes primär bürgerschaftlichem
Engagement im freien politischen Diskurs zu.
Zwar ist die Vorschrift des § 130 Abs. 4 StGB kein allgemeines Gesetz im
Sinne des Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG, weil sie nicht dem Schutz von
Gewalt- und Willküropfern allgemein dient und bewusst nicht auf die
Billigung, Verherrlichung und Rechtfertigung der Gewalt und Willkürherrschaft
totalitärer Regime insgesamt abstellt, sondern auf positive Äußerungen
allein in Bezug auf den Nationalsozialismus begrenzt ist.
§ 130 Abs. 4 StGB ist aber auch als nichtallgemeines Gesetz ausnahmsweise mit
Art. 5 Abs. 1 und 2 GG vereinbar. Angesichts des Unrechts und Schreckens, die
die nationalsozialistische Herrschaft verursacht hat, ist Art. 5 Abs. 1 und 2
GG für Bestimmungen, die der propagandistischen Gutheißung der historischen
nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft Grenzen setzen, eine
Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts immanent. Das Grundgesetz kann weithin
geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen
Regimes gedeutet werden. Die Erfahrungen aus der Zerstörung aller
zivilisatorischen Errungenschaften durch die nationalsozialistische Gewalt-
und Willkürherrschaft prägen die gesamte Nachkriegsordnung und die
Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die Völkergemeinschaft bis heute
nachhaltig.
Diese Ausnahme nimmt die Meinungsfreiheit indes nicht auch inhaltlich zurück.
Die Meinungsfreiheit gewährleistet, dass sich Gesetze nicht gegen rein
geistige Wirkungen von Meinungsäußerungen richten. Das Ziel, Äußerungen
wegen ihrer Unvereinbarkeit mit sozialen oder ethischen Auffassungen zu
behindern, hebt das Prinzip der Meinungsfreiheit selbst auf und ist illegitim.
Das Grundgesetz rechtfertigt deshalb auch kein allgemeines Verbot der
Verbreitung rechtsradikalen oder nationalsozialistischen Gedankenguts schon in
Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhalts.
§ 130 Abs. 4 StGB genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
Die Vorschrift verfolgt mit dem Schutz des öffentlichen Friedens einen
legitimen Zweck. Der Schutz des öffentlichen Friedens ist hierbei in einem
begrenzten Sinn als Schutz der Friedlichkeit der öffentlichen
Auseinandersetzung zu verstehen, nicht aber als Schutz vor einer „Vergiftung
des geistigen Klimas“ oder einer Kränkung des Rechtsbewusstseins der Bevölkerung
durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der
Geschichte.
Der öffentliche Friede zielt auf einen vorgelagerten Rechtsgüterschutz, der
an sich abzeichnende Gefahren anknüpft. Dabei ist es eine
verfassungsrechtlich tragfähige Einschätzung des Gesetzgebers, dass ein
Gutheißen der Gewalt und Willkürherrschaft dieser Zeit der Bevölkerung
heute regelmäßig als Aggression und als Angriff gegenüber denjenigen
erscheint, die sich in ihrem Wert und ihren Rechten erneut in Frage gestellt
sehen, und angesichts der geschichtlichen Realität mehr bewirkt als eine bloße
Konfrontation mit einer demokratie und freiheitsfeindlichen Ideologie. § 130
Abs. 4 StGB ist in seiner Ausgestaltung auch geeignet, erforderlich und verhältnismäßig
im engeren Sinne. Weder verbietet er generell eine zustimmende Bewertung von
Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes, noch ein positive Anknüpfung
an Tage, Orte oder Formen, denen ein an diese Zeit erinnernder Sinngehalt mit
gewichtiger Symbolkraft zukommt. Seine Verwirklichung setzt vielmehr die
Gutheißung des Nationalsozialismus als historisch real gewordene Gewalt- und
Willkürherrschaft voraus. Diese kann auch in der glorifizierenden Ehrung
einer historischen Person liegen, wenn sich aus den konkreten Umständen
ergibt, dass diese als Symbolfigur für die nationalsozialistische Gewalt- und
Willkürherrschaft als solche steht.
Daneben steht § 130 Abs. 4 StGB auch mit Art. 103 Abs. 2 GG in Einklang.
Zwar kann die Vereinbarkeit der „Störung des öffentlichen Friedens“ als
strafbegründendes Tatbestandsmerkmal in Straftatbeständen mit Art. 103 Abs.
2 GG Zweifeln ausgesetzt sein, da dieser Begriff vielfältig offen und anfällig
für ein Verständnis ist, das der grundlegenden Bedeutung der Freiheitsrechte
in der grundgesetzlichen Ordnung nicht hinreichend Rechnung trägt. Allerdings
bestehen gegen das Tatbestandsmerkmal der „Störung des öffentlichen
Friedens“ in einer Strafnorm nach dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 GG
dann keine Bedenken, wenn dieses durch andere Tatbestandsmerkmale
konkretisiert wird, die bereits für sich allein die Strafdrohung zu tragen
imstande sind. Es wirkt dann als ein Korrektiv, das es erlaubt,
grundrechtlichen Wertungen im Einzelfall Geltung zu verschaffen. Insofern
durfte der Gesetzgeber die öffentlich oder in einer Versammlung zum Ausdruck
gebrachte Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der historischen
nationalsozialistischen Gewalt und Willkürherrschaft schon für sich
jedenfalls grundsätzlich als strafwürdig und hinreichend bestimmt ansehen.
Die Bestätigung des Verbots einer Versammlung zum „Gedenken an Rudolf Heß“
durch die angegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hält sich
im fachgerichtlichen Wertungsrahmen. Insbesondere unterliegt die Beurteilung
des konkreten Falls, nach der die vom Beschwerdeführer geplante Versammlung
zum „Gedenken an Rudolf Heß“ eine Billigung der nationalsozialistischen
Gewalt und Willkürherrschaft bedeutet hätte, keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken.
Pressemitteilung Nr. 129/2009 vom 17. November 2009
Beschluss vom 4. November 2009 – 1 BvR 2150/08 –
Kommentar: Diese BVerfGE
bestätigt endlich und deutlich das Antifaschismus-Gebot des Grundgesetzes.
>> Antifaschistische
Verfassungsordnung
>> StGB § 140 Belohnung und Billigung von Straftaten
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