Theodizee und Atheismus

Lieber Taner, nein, der Glaube ist nicht verboten, wie du doch wirklich weißt.

Im Gegenteil brüsten sich nahezu alle Regierungen der Welt mit religiösen Bekenntnissen und haben damit viel, viel Erfolg, mal gut, mal schlecht im Effekt.

Wie Universum als Zeit und Raum entstanden sind, gibt es viel Theorie mit offenen Fragen, aber die Antworten, wie sie uns beiden aus religiösen Erzählungen gelehrt wurden, sind halt aus Zeiten bloß phantasierter, unwissenschaftlicher und zu knapper Vergangenheit, so dass sich der Mensch ohne Vorgänger sah, die es mehrhundertfach länger gab und verschwunden waren in unserer Welt der Katastrophen und Wandlungen.

Ob Zufall oder nicht, aber doch ziemlich viel Glück, dass wir beide miteinander sprechen können, dass wir beide an anderen vorbei schneller an die Eizelle kamen, wie wir erst seit wenigen Jahrzehnten wissen. Während Millionen Mitstreiter auf dem Weg zur Eizelle den Tod fanden - und finden es vielleicht sogar ungerecht,
Das wussten Jesus und Mohammed nicht, konnten nichts davon ahnen, weil es fehlten die Mittel zur Erkenntnis.

Bin ich nun Zufall? Ich wollte es wissen und fragte irgendwann meinen Vater, denn ein bisschen verdächtig schien es mir schon, weil eigentlich genug Geschwister vor mir waren - und mit recht großem zeitlichen Abstand ein Nachzügler?

Mein Vater: "Nein, du warst mein Meisterstück. Du bist ein Wunschkind, was wiederum nicht heißt, dass du allen Wünschen recht geraten seist."

Ich musste lachen. Besser kann eine Antwort nicht sein - und so glaubwürdig wegen der Einschränkung.
Also bin ich nicht gänzlich Zufall, sondern immerhin Produkt eines Wunsches - meiner Eltern. Und obendrein auch noch "gottgewollt"? So glaubt meine Mutter.

Hmm, "ich gottgewollt" klingt natürlich verlockend, aber kann ein Gott gewollt oder nicht vorhergesehen haben, dass ich seine Existenz bestreite und seine Moral kritisiere?

Denn ich mag nicht für anbetungswürdig halten,
- wenn Gott alles erschaffen hat, die Freuden zwar, aber eben auch all das Leid, welches das Leben einander zufügt und tötet, um zu überleben,
- wenn Gott gerecht ist, dann aber Krankheiten, Verbrechen und Erdbeben harmlosen Kindern die Eltern nehmen, umgekehrt oder alle auslöschen,
- wenn Gott allmächtig ist und lässt es zu, dass sich sogar seine Gläubigen gegenseitig erschlagen. Jeden Tag. Und viele.

Es ist nicht Lüge, sondern meine Wahrheit von Moral, dass je größer die Macht ist, desto größer auch die Verantwortung für das Geschehen.'
Wer Gott von solcher Moral ausnimmt, weil Gott über solcher Moral stehe, dann bleibt mir die göttliche Moral Unmoral, denn sie genügt meinen Ansprüchen an Moral nicht.

Meiner Mutter (und dir vielleicht auch) tut es weh, wenn ich so rede, aber ich spreche nur aus, was fast jeden Gläubigen immer mal wieder in Kopf und Herzen quält, es dann lieber als großes Rätsel oder als Prüfung belässt und das Urteil darüber als Anmaßung, Anfechtung und Gotteslästerung.

Nun weiß jedoch meine Mutter von mir, wie gut ich die Schriften kenne, die Bibel und auch den Koran.
Meine Mutter weiß, dass meine Ungezogenheit bloße Aufrichtigkeit ist,
dass es mir im Unterschied zu ihr kein "großes Rätsel" ist,
dass mir solcher Gott nicht anbetungswürdig, sondern kritikwürdig ist,
dass mir suspekt ist, wenn Gott die Menschen liebt und Anspruch auf Anbetung hat, dann nicht solche Prüfungen auferlegen darf.

Und so sehr mir die Gottesanbetung eher wie Teufelsanbetung erscheint, so sehr freue ich mich für meine Mutter, dass ihr der Glaube vielen Schmerz lindert, was ich oft nicht schaffen kann, zumal es auch nicht den Unterschied macht, dem Leid einen Gotteswillen zu unterstellen oder Zufällen die Schuld zu geben.

Anderswo oder in anderen Zeiten wurde und wird atheistische Aufrichtigkeit gesteinigt, gehängt usw. - Auch dort ist nicht der Glaube, sondern vielmehr die Aufrichtigkeit verboten.

Und die Gläubigen, die dann die Todesstrafe vollstrecken, halten sich für gut und gottestreu, wenn sie die Aufrichtigen richten.

Die Fatwa gegen Salman Rushdie ist weltbekannt, Todesurteile gegen all die Namenloseren bloß deren Hinterbliebenen.

Wer schreibt an die Mächtigen in Teheran und Riad, dass sie sich bessern sollen? Und eher die Heuchler richten, nicht die Aufrichtigen.

Wer kann verantworten, dass Kritik ausgerechnet von solchen Strolchen wie Trump kommt, der mir verdächtig ist, alle Muslime töten zu wollen, es sei denn, es geht um einen Waffendeal in Höhe von mehr als 100 Mrd. US-$, um denen zu gefallen, die ihn am Ruder halten.

Und Trump betet zu Gott, der ihm den Roten Knopf anvertraut habe.

Naja, ich würde denken, der Trump sei vom dummen Volk gewählt, von Naiven und seinesgleichen Schlechtigkeit - und wenn der Allmächtige existieren sollte, so schaut er mal einfach wieder bloß zu. Wie in Auschwitz, Hiroshima oder Pompeji.

Den Gottglauben vermag ich mir nur so zu erklären, dass die Menschen Neigung zu schier endloser Unbescheidenheit haben, wenn sie darauf bestehen, göttliches Produkt zu sein, göttlichen Sinn zu haben, göttlicher Bestimmung zur Macht über die Natur.

Solche Unbescheidenheit zu einer Demut verklärend, deren Sinn und Zweck gipfelt im unbescheidenen Wunsch nach einem "Ewigen Leben".

Für die letzten Fragen des Universum bin und bleibe ich also zu blöde, aber immerhin wissen und können wir heute mehr als unsere Väter und anders als es in Glaubensschriften steht.

Die Antwort "Gott" genügt vielen, mir beantwortet sie nichts, allenfalls die Ängste und Sehnsüchte von Menschen betreffend.

....

Noch ganz knapp zu deiner Vermutung, ich kenne mich in religiösen Geschlechterbräuchen nicht aus:

Dass ich manchen Tag lieber mit Burka rumlaufen würde, war Scherz, ansonsten würde man in Berlin öfter mal Burkas sehen.

Meine Kritik daran, dass sich Frauen das Schleiertragen einreden und einreden lassen, denn selbst erfunden hat es kaum eine, während oft mit Männern, die aller Welt und auch allen Frauen gern mehr von sich zeigen als sie eigentlich sind. Das hat Häufigkeit.

Nun meintest du, ich sei unwissend, denn auch Männer dürften "sich weniger zeigen". Aber mein Reden betraf nicht das Sollen, sondern das Sein. Und auch zeigte besonders im jüngerem Alter gern mehr von mir, was mindestens meiner Mama überhaupt nicht gefiel.

Wenn du solches Sein nicht glaubst, dann sei zu uns nach Berlin eingeladen und wir studieren es gemeinsam und sprechen mit allen, die sich ansprechen lassen.
Ich kann das recht gut. Kaum jemand verweigert sich mir. Auch die "Härtesten" nicht - und die vielen, vielen Braven und wirklich Gläubigen lassen ohnehin bestens mit sich reden.

Mich freut das einerseits, aber es tut mir andererseits leid, denn ich will allen lieben Menschen viel lieber exakt so loyal gegenüber sein wie meiner eigenen Mutter - und daraus ist das Dilemma von Rücksichtnahme und Aufrichtigkeit, denn im Koran steht, dass es nicht gut sei, sich mit Ungläubigen auf Diskussionen einzulassen.

Es ist halt im Koran wie in der Bibel, dass ausgerechnet von der "Frucht der Erkenntnis" Gefahr ausgehe und Vertreibung aus dem Paradies folge.
Aber wozu dann hätte Gott dem Menschen Verstand gegeben?
Die Frucht der Erkenntnis sei des Teufels und Gift? Der Teufel im Paradies. Oder bloß wieder Prüfung. Ich hätte keine vergiftete Frucht ins Paradies gehängt, wenn mir all das existiert haben und existieren könnte, woran Milliarden Menschen glauben.

Du bist also nicht allein. Sonst wüsstest du nichts von Gott, Allah usw., sondern würdest vielleicht an andere Geister glauben, nicht bloß an dein Leben in ewiger Zukunft, sondern auch an ewige Vergangenheit, wie Menschen, die an Wiedergeburt glauben.

Wenn du es bis zu dieser Zeile schafftest, dann hast nun auch mal jemanden gehört, der sein Leben für kurz und endlich hält - und sich davon Zeit nahm, für Sinnliches, denn niemand lebt vom Brot allein, so wichtig es ist, dass alle vom Brot bekommen.

LG, Markus S. Rabanus,  2018-01-12

 

Lieber @Taner, die Nonnen taten mir schon immer leid, auch wenn sie sich für "glücklich" halten - und immerzu um Vergebung beten.

Du verkennst meine Liberalität, denn ich bin gegen (Kopftuch-)Verbote,
es sei denn zu Zwecken der Neutralität in staatlichen Ämtern und zu anderen gerechtfertigten Zwecken.
Ich bin gegen nahezu jegliche "Zwangsbefreiung",
es sei denn Heroin ohne medizinische Begründung, es sei denn gegen Waffen-Narretei usw.

Alles hat Grenzen - das macht vieles für viele Leut' recht kompliziert, die bloß Einfachstes begreifen wollen.

Du glaubst zu wissen, dass Gott sei und was er will? Und hast es aus Büchern - von Menschen erzählt, von Menschen geschrieben vor langer Zeit. Und vieles davon noch heute von Menschen nachgedruckt.

Darum ist der Glaube an Gott im Detail, was man Menschen glaubt, es sei von Gott.

Der Glaube mag GUT für Menschen sein, wenn sie charakterschwach sind und ohne Glauben an Lohn und Strafe kein Bemühen zum Guten haben. Denn solche gottlosen Schlechten gibt es, wie allerdings gottgläubige Schlechte ebenfalls.

Deine Glaubensfreiheit ist mir so wichtig, wie es mir mein Atheismus ist.
Wäre eines davon verboten, wie in so vieler Geschichte und Gegenwart, so wäre viel mehr an erbärmlicher Heuchelei, während es mir lieber ist, um Sinnliches mit den besseren Sinnen und Lustigkeit zu streiten als mit Böswilligkeit und Stricken.

Ich bin aus christlicher Familie. So wurde ich Christ per Muttermilch.
Nicht anders erging es meinen türkischen Freunden, dass sie Muslime wurden und keine Hindus, weil die Muttermilch ... und wir unseren Eltern selbstverständlich zunächst mal alles glauben, überall auf der Welt, denn unsere Eltern sind unsere erste Welt.

Irgendwann kommt die zweite Welt, aber wieder kommt es darauf an, wie man wem begegnet.
So kann sich das Weltbild ändern oder auch bleiben.

Ich lernte zu viel von vielen Welten hinzu, so dass meine Muttermilch-Welt nicht die einzige blieb - und sehe die Welten dennoch als gemeinsame Welt, wenngleich mit vielen Grenzen und zu falsch umstritten.

Es kommt weniger darauf, was wir beide glauben, zumal wir wenig wissen, sondern darauf, dass wir uns mühen, auf bessere Weise zu streiten als es andere tun - und zeigen, dass wir darin zusammenhalten - und vor allem denen gegenüber, die glauben und predigen, wir könnten es nicht und müssten einander die Köpfe einschlagen.

Mein Wort zum Sonntag ;-), nein, der Sonntag genügt für den Alltag nicht.

Markus S. Rabanus  2018-01-13

 

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