Abschreckungsstrategien

Abschreckung und Wettrüsten

von Sven Redaktion am 3.Apr.2002 13:23 (altes Forum)

Hallo JS,

ich habe nichts gegen Appelle wie "Werft die Waffen weg!",

aber fragen wir uns doch, wie in der Geschichte Waffen und Soldaten von den Schauplätzen verschwanden:

a) durch ihren Einsatz (schnellste + schlechteste Methode),

b) seltener durch Abrüstungsverhandlungen,

c) noch seltener durch wirtschaftliche Notwendigkeit,

d) noch seltener durch humanitäre Vernunft.

Die Abschreckungsstrategien erwiesen sich als Wettrüstungsfaktoren und machten aus der Erde ein Pulverfass.
"Friedlich" waren diese Strategien nicht, denn wachsende Bedrohung ist unfriedlich und die Suche nach Überlegenheit fand nicht nur in Schaffung einzelner Waffensysteme statt, sondern auch in Erlangung "geostrategischer" Vorteile, wodurch die Souveränität vieler Drittstaaten verletzt wurde, in denen Stellvertreterkriege geschürt und geführt wurden.
Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts bestand die Chance zur Abkehr vom Überlegenheitsdenken und der Abschreckungsstrategie, aber es gelang den Scharfmachern, aus den zuvor nachgeordneten Konflikten neue Unversöhnlichkeiten zu konstruieren, in denen wiederum militärische Logik den Verhandlungsweg blockieren.

Für den Nah-Ost-Konflikt und den Anti-Terror-Krieg sind meines Erachtens jeweils Souveränitätsverletzungen ursächlich: verletzte Souveränität des palästinensischen Volkes bzw. seines durch die UNO anerkannten Staatlichkeitsanspruchs, verletzte Souveränität arabischer Staaten durch die globale Militärpräsenz und den globalen Interventionsvorbehalt der NATO bzw. ihrer Führungsmacht USA.

Sollte die Friedensbewegung hier überhaupt ein Umdenken bewirken, was ich für immerhin möglich halte, so würden sich danach oder gleichzeitig weitere Anforderungen an die Politik stellen, für Chancengerechtigkeit in Handelsbeziehungen und Lebensbedingungen zu sorgen.

So sehr es lohnt und erforderlich ist, gegen die militärische Logik zu sprechen, weil sie selbst zu nichts taugt und Ausdruck höchster Unmoral ist, so perspektivlos wäre es, wenn nicht gelänge, die militärische Logik durch eine zivile Logik zu ersetzen.

JS, wenn ich in einem anderen Posting vom Recht auf Selbst- bzw. Fremdverteidigung (=Notwehr bzw. Nothilfe) spreche, dann liegt darin so wenig wie im Strafrecht die Befugnis, Bedrohungspotentiale (=Wettrüsten) zu schaffen. Im Strafrecht funktioniert es. Wenn es im Völkerrecht nicht funktioniert, dann wären die dortigen Normen zu konkretisieren, aber im Völkerrecht fehlt es an vielem oder aber es beschränkt sich auf "Kriegsrecht".

Solange sich die USA internationaler Gerichtsbarkeit entziehen und die Verbündeten der USA solche Haltung dulden, ist die Zivilisierung der internationalen Beziehungen kein systematischer Prozess, sondern von Willkürlichkeiten abhängig, die mit Rechtlichkeit unvereinbar ist.

Wenn den Verbündeten der USA mit der Rechtlichkeit, also auch dem IGH (=Internationalen Gerichtshof) ernst wäre, so dürften sie sich nicht durch den globalen Aktivismus der USA verschleißen lassen, sondern müssten sich zumindest allen gemeinsamen NATO-Handlungen entziehen, für die es kein Mandat der UN gibt.
Allerdings teile ich die Wahrnehmung der USA, wonach sich ihre Verbündeten in der Rolle "moralischer Bedenkenträger" gefallen und in tatsächlicher Hinsicht "Trittbrettfahrer" ihrer interessenverwandten Supermacht sind. Lernen müssen alle Seiten, dass Interessen dauerhafter gedient wäre, wenn sie zivil verfolgt würden. Sollten die USA und ihre Verbündeten hingegen der Ansicht sein, dass sich ihre Interessen nicht zivil verfolgen lassen, so wäre die Berechtigung solcher Interessen widerlegt.

So wichtig es wäre, die USA von ihrer Selbstgerechtigkeitslinie wegzuholen und sie auf Völkerrechtlichkeit einzuschwören, so sehr sinnvoll ist es, wenn die UN am Völkerrecht weiterarbeitet und damit auch für die stärksten Staaten an ziviler Glaubwürdigkeit gewinnt.

Grüße von Sven


Nachtrag:

"zivil" verwende ich in der Bedeutung von "handelnd nach allgemein verbindlichen Normen" mitsamt den demokratischen und sanktionierenden Implikationen

Der Pazifismus lehnt Militärstrategien, die auf der Abschreckungsdoktrin basieren, entschieden ab.

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