Kompromiss und Kompromissfähigkeit

Wie kein fairer Handel ohne Kompromiss ist,
so ist auch kein Leben ohne Kompromiss möglich.


Faule Leute machen faule Kompromisse, gute Leute machen gute Kompromisse. 
Mit "Kompromisslosigkeit" kann mir jemand allenfalls imponieren, dem bloß eigener Nachteil daraus erwüchse.
Markus S. Rabanus 2020-11-06

Alter Text aus den frühen IniDia-Jahren: 

Arten des Kompromisses

Hallo Odysseus,

dein Beispiel gegen den Kompromiss ist zutreffend, aber lass es mich auch mal versuchen:

wenn ich mich in Alltag und Geschichtsbuch umschaue, dann finde ich schnell ganz unterschiedliche Arten von Kompromissen, so dass sich Abstufung und Unterscheidung lohnt.

1. "Kompromiss" = Einigung unter Abstrichen der eigentlichen Forderung

2. "erzwungener Kompromiss" = eigentlich keiner, aber Beispiele dafür sind alle Friedensverträge zwischen Siegern und Besiegten, was meist sehr schlecht ist 

3. "friedlicher Kompromiss" = Kompromiss ohne Gewalt und Gewaltdrohung

4. "guter Kompromiss" = die Beteiligten sind richtig zufrieden :-))

5. "gerechter Kompromiss" = die allseitige Zufriedenheit erweist sich als begründet

6. "fauler Kompromiss" = es steckt andere Absicht dahinter

7. "Kartell-Kompromiss" = Kompromiss zu Lasten Dritter, z.B. Hitler-Stalin-Pakt 


Der DIALOG stellt meines Erachtens eine zum KOMPROMISS selbständige Größe dar, ist also nicht nur dann Dialog, wenn er den Kompromiss erzielt. 

Dialogfähigkeit und Kompromissfähigkeit wird oft verwechselt und auch mir wird ersteres häufig abgesprochen, weil ich wie du für bestimmte Kompromisse nicht zu haben bin und das von vornherein sage. Ich glaube nicht an die "Goldene Mitte", ich glaube nicht 

Und grundsätzlich ist es so, dass dem Recht auf Kompromisslosigkeit gleiche Achtung gebührt wie der Fähigkeit zum Kompromiss, 
solange Kompromisslosigkeit nicht zum Diktat übergeht, sondern Stillhalten bleibt.
Beispiel: einigen sich Kaufinteressent und Verkäufer nicht, so bleibt die Ware, wo sie ist. 

Aber "grundsätzlich" heißt eben auch, dass es Ausnahmen gibt. Diese sind in Gesetzen als Gebote und Verbote normiert, staatlich zu schützen und individuell nur in Notwehr und Nothilfelagen und zudem in allen denkbaren Fällen noch limitiert durch Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit.

Extremisten berufen sich pausenlos auf die Notwehrsituation oder reden sich "revolutionär" aus ihrer Verantwortlichkeit für den Unfrieden, den sie stiften.

Extremisten erweisen sich bei alledem oftmals zum "Kompromiss" bereit: "aus "taktischen oder strategischen Gründen". So würden einige auch bei uns im Chat und in Foren "Verantwortung übernehmen und Abstriche an ihren Methoden" machen, was aber schon passiert nur teilweise auf wirklicher Einsicht beruht und sich wieder als "taktisches" Spielchen erwies. 

Mich kann Kompromissbereitschaft oft weniger überzeugen als eine davon unabhängige Dialogbereitschaft, die ich nur dann für ehrlich halte, wenn sie sich nicht nur uns gegenüber artikuliert, sondern vor allem gegenüber denen, die vom Dialog nur deshalb etwas halten, weil man ihnen sonst die Hände binden müsste. Unsere Dialogbereitschaft hingegen ist echt, einigermaßen gut begründbar, so oft sie ihr Ziel bedauerlich verfehlt. Glücklicherweise nicht immer, was zum Teil daran liegt, dass Extremisten nicht vom Fließband sind, sondern bei aller Sehnsucht nach Gemeinsamkeit in ihrer dennoch x-fach geteilten Ideologie passieren kann, dass sie die Individualität des Seins entdecken und darin die andere Hälfte der Freiheit erkennt und dass nur die soziale Hälfte keine war und daraus noch die "nationale" nicht nur in Unfreiheit, sondern in Feindschaft sich verrennt.

Im Dialog soll versucht werden, das Gegenüber als Menschen ernstzunehmen, was den Scherz noch gestattet. Ernstnehmen heißt für mich aber auch, dass ich nicht den Unterschied ignoriere, verwische, sondern zur Kenntnis nehme und zur Kenntnis gebe.

Wenn sich aus dem Dialog eine Diskussion entwickelt, was wieder anderes ist, so halte ich für statthaft, mich über allzu Jugendliches oder Wildes zu amüsieren, was sicherlich Unzulänglichkeit in meiner Pädagogik ist, der ich mich allerdings auch nicht berühme. Aber ich sah nun 'mal an mir selbst, dass es nicht schädlich ist, wenn sich nach Teletubbie-Augen und Revoluzzer-Face das Weltbild nochmals weitet, vorausgesetzt man schaut. 
Ich erinnere mich nur zu gut, wie mich solche Sprüche früher nervten. Sie sind absolut "kontraproduktiv" und trotzdem nicht ohne wahren Teil.
Dennoch hält sich meine Arroganz in Grenzen, denn ich ahne schon, wie ich in drei Jahren über diesen Text denken werde, wieder vorausgesetzt, dass ich nicht inzwischen schlafe, sondern im Dialog für mich Neues hinzu gewinn. 

Unser Dialog ist also keine ausschließlich altruistische "Sozialarbeit", sondern wir haben selbst etwas davon. Deshalb gibt es für die meisten Aktiven keine fremde Meinung, die nur nerven könnte, es sei denn, sie kränkt einen persönlich oder andere allzu sehr, dass man sich zur Solidarität aufrappelt. 

Im Wissens-Nirwana sieht sich von uns wohl niemand (ankommen). 
Solches Selbstvermessenheit wäre dann wohl eher Irrtum diverser Adressaten, die sich als "Herrenrasse aussterben" sehen und sich allemal in höheren Geistessphären aufhalten müssen, wenn sie glauben, die 6-Milliarden-Welt für ein Arier-Rettungsprogramm begeistern oder zwingen zu können. Aber wenn sie sich nicht in jungen Jahren zu sehr verstricken, werden sich irgendwann verlieben und wenn die Menschheit Glück hat, mit ihr "mischen" und nicht mehr säuerlich ihren fehlenden Stolz durch Brüllerei ersetzend drüber oder daneben stehen :-))

Dialog ist also eine klasse Sache für alle, die Augen, Ohren und sonstige Sinne haben. Dann macht Politik nicht nur Sorgen, schon gar keinen Hass, sondern richtig Spaß, wenn sich im simplen Dialog der Bosheit kurzes Ende findet "bei aller Kompliziertheit für den Experten". Viele politische Konflikte mögen ihre Ursache in Ungerechtigkeiten haben, aber das Versagen zu ihrer Lösung kommt ohne die Ungerechtigkeit als Ursache aus. Politisches Versagen scheint dem Hunger ähnlicher, aber während die einen Hunger schreiend für uns trotzdem fast still verrecken, fehlt es politischen Versagern am Fressen fürs Gehirn und eben nicht so sehr am Geld und Waffen. Dann hört die Welt von denen. Und nicht nur von "Extremisten". 

Ich unterscheide Dialog und Kompromiss so, dass der Kompromiss von Fall zu Fall sein Gutes hat, also auch vermieden gehören kann, dass aber der Dialog ein permanentes Erfordernis ist, ohne das die Zivilisiertheit undenkbar ist.

"Humane Grüße" (zu mehr bin ich heut nicht bereit :-))

Doch, bin ich doch:

Humanistische Grüße
von Sven

>> Humanismus-Definition

 

vorausgegangene Anfrage

 

Wie sieht so ein Kompromiss aus? [ Antwort schreiben | Forum ]
 
von Odysseus am 12.Feb.2002 11:25 (vorlesen)


Beispiel: Ein Nazi will die Jüdinnen und Juden ausrotten, Ich aber nicht.
Kompromiss: Sie werden nicht ausgerottet, sondern werden nur als Menschen zweiter Klasse angesehen und in allem benachteiligt.
Ist das z.B. so ein Kompromiss? Nun, ich hab's vielleicht ein bisschen übertrieben dargestellt, aber so was stelle ich mir unter einem Kompromiss vor.

Ich höre mir ihre Meinung an, sage ihnen aber, was und warum es falsch ist. Aber aus Erfahrung weiß ich, dass die da mit ihren pseudowissenschaftlichen Dingen kommen, also Rassenlehre und Ungleichheit zw. den Menschen ("Zwischen mir und einem Pygmäen in Afrika soll es keine Unterschiede geben? Hahahaha!" höre ich da z.B.). Ich glaube, dass dieses Auf-die-Äußerlichkeiten-Achten sehr vom Zeitgeist beeinflusst ist. In dieser Welt von Werbung und ihren "perfekten Menschen" haben die Neonazis (weniger Altnazis) das zu ihrer Ideologie gemacht. Und die Medien fördern dieses blond-und-blauäugig-sein immer mehr. Faschismus und NS sind ja nichts anderes, als Kapitalismus bzw. Imperialismus. Aber das ist wohl nur ein Aspekt. Ich möchte keine Ursachenforschung betreiben, denn das ist nicht das Thema.

Inhumane Meinungen zu bekämpfen müsste eigentlich die Pflicht eines jeden Menschen sein. Denn weil es so ist, dass diese Dingen meist ohne Reaktionen stehen bleiben, verbreiten sie sich, wie eine Seuche. Rassismus ist ja heutzutage vielerorts schon der "Normalzustand".

Es gibt ja diesen alten Spruch: "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen."
Der italienische Faschismus war und ist genauso rassistisch, imperialistisch und undemokratisch, wie der dt. NS. Nur die Namen (nicht nur von Personen) waren und sind anders.

humanistische Grüße
Odysseus

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