Krankenversicherung
Das System der Solidarität ist mir für ein funktionierendes Gemeinwesen unstreitig. Deshalb halte ich die gesetzliche Krankenversicherung noch immer für eine "soziale Errungenschaft", die es zu wahren gilt, was jedoch auch immer heißt, dass sie in ihren negativen Entwicklungen beobachtet, eingebremst und modernisiert werden muss. Zugleich geht dieses Bekenntnis bei mir einher mit der Ablehnung der gesetzlichen Versicherungsfreiheit für Freiberufler und Unternehmer, also auch für mich. Ich bin dafür, dass jeder in die gesetzliche Krankenversicherung gehört und dass die privaten Krankenversicherungen nur noch als Zusatzversicherungen statthaft sind. Dabei ist meine Ablehnung
"rein politischer Art", denn persönlich ist für mich die
private Versicherung meilenweit im Vorteil, weil die Beitragssätze so sehr viel niedriger
sind als diejenigen der gesetzlichen Krankenkassen. |
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Aber solche Freiwilligkeiten sind kein Rezept zu allgemein sozialen Verhältnissen, denn es liegt im lästigen Wesen der Solidarität, dass sie den Leistungsfähigen mehr kostet als sie ihm bringt, weil die Solidarität dem Bedürftigen gilt - ansonsten bräuchte man sie nicht. Warum jedoch muss die
Solidarität so teuer sein, dass sich ihrer so viele entziehen, was sie
wiederum verteuert und noch unattraktiver macht? Dazu muss zunächst
eine klare Sicht auf die beteiligten gesellschaftlichen Gruppen
herrschen, die sich frei von ideologischem Unfug und nicht minder
kontraproduktiven Parteiengezänk macht. Ich schlage folgende
Begriffsverwendungen vor: Und häufig ist ja auch so. Ich halte es innerhalb dieses Begriffssystems für denkbar, dass die Reicheren gut versorgt sind und die Ärmeren schlechter". Es ist aber im Vergleich der Beitragssätze von gesetzlichen Krankenkassen zu privaten Krankenkassen erwiesen, dass die vermutet bessere Versorgung die Reicheren in deren freiwilligem Solidaritätssystem weniger kostet als die schlechtere Versorgung der Armen im gesetzlichen Solidaritätssystem, das zu gleichen Teilen von den Ärmeren und von den Arbeitgebern finanziert wird, was immerhin auch ein Solidarbeitrag der Reicheren ist, wenn diese Arbeitgeber sind. Woran mag der Kostenunterschied liegen? 1. Ein wichtiger Grund ist, dass die privaten Krankenkassen ihre Beitragshöhen nach individuellen Gesundheitsrisiken bemessen können, die bei Vertragsschluss vorgefunden sind, so dass "kostentreibende Mitglieder" entweder sogleich höhere Beiträge zahlen oder "freiwillig" in einer gesetzlichen Krankenkasse verbleiben, sofern die private Krankenkasse den Beitrag höher bemisst als er in der gesetzlichen wäre, 2. wichtiger scheint jedoch der Kostenunterschied zwischen privaten und gesetzlichen Krankenkassen darin begründet, dass ihre Versicherten der privaten Versicherungen seltener "krank" sind und seltener medizinische Versorgung in Anspruch nehmen. Liegt das nun daran, dass die Reicheren gesünder leben als die Ärmeren? Würden wir die Lebensverhältnisse von Berlin-Dahlem mit jenen in den Slums von Kairo vergleichen, so wäre diese Frage zu bejahen, aber im Vergleich der Verhältnisse hierzulande sind die hygienischen, körperlichen und psychischen Verhältnisse nicht so verschieden, dass derjenige gesünder und sicherer leben würde, der im Sportwagen sitzt als derjenige im U-Bahnabteil, derjenige mit Klimaanlage und derjenige ohne, ... Der kranke Unternehmer Im unmittelbaren Vergleich meines Unternehmerdaseins mit demjenigen meiner Angestellten würde in meinem Betrieb auch hinter vorgehaltener Hand wohl jeder meinen, dass ich weniger gesund lebe als jeder von ihnen. - Und trotzdem bin ich weniger krank? Nein, sicherlich nicht. Aber ich nehme weniger "Auszeit" und weniger medizinische Versorgung in Anspruch als meine Angestellten, denn wenn ich "ausfalle", dann ist das zuerst und allein "mein Schaden". Würde ich im Krankheitsfall zu lange mit der Erholung brauchen, erst dann träfe meine Krankheit auch die Arbeitsplätze. Anders hingegen mit
Arbeitnehmern, Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern, die sich
wiederum in ihrer Situation voneinander unterscheiden und auch in ihrem
Verhalten. - Und es ist bei all diesen Gruppenvergleichen nicht gewollt,
sie pauschal zu diskreditieren, sondern den Kosteneffekt aus Interessen
und Interessenmissbrauch zu ermitteln, was ebenfalls im Interesse
derjenigen ist, die nicht "missbrauchen", denn nur deshalb
überlege ich dies hier, ansonsten könnte es bleiben wie es ist, aber
auch das bliebe so nicht. - Und nur so am Rande: in einem kleinen
Betrieb wie unserem Verlag herrscht maximale Verantwortlichkeit, d.h.
gegenseitige Verantwortlichkeit, weil es auch jeder rasch überblicken
kann, woran es fehlt und fehlen wird, wenn einer fehlt. So ist in
kleineren Betrieben die Verantwortung des Einzelnen natürlich
bewusster, aber umso verheerender, wenn jemand seine Rechte
missbraucht. Der kranke Arbeitnehmer Der Arbeitnehmer bekommt im Krankheitsfall, ob krank oder nicht, leicht erkrankt oder schwer, das Gehalt wird in unveränderter Höhe bezahlt. Auch der Arbeitsplatz bleibt. Es sei denn, dass der Betrieb zerbricht. Nun kann man auch als
Arbeitnehmer sich die Zeit nicht so "frei einteilen" wie ein
Selbständiger sich darin selbst verantwortlich ist oder seinen Kunden
gegenüber verpflichtet hat. Ich spreche von Gewissen in diesem Fall teilweise ganz ernst, teilweise ironisch, denn tatsächlich ist es so, dass auch vermeintlich "Abgebrühte" sich weit wohler fühlen, wenn ihnen ihr "Leid" bescheinigt ist. Doch auch diese Bescheinigung kostet die Kassen Geld und meist kommen noch Behandlungen hinzu, machen das Kranksein noch teurer. Dabei wäre auch bei wirklichen Krankheiten nicht immer mehr Behandlung nötig als der Patient sich selbst kurieren kann. Was also wären die Maßnahmen, um das "Kranksein", um die Inanspruchnahme des Gesundheitswesens zu reduzieren, wenn doch ganz offenbar einfach das INTERESSE des Arbeitnehmers im Vergleich zum Selbständigen an Schonung von Kassenbudgets geringer ist. Ist dann nicht doch
ein Gehaltsabschlag und ein Krankenkassenzuschlag im Maße der Krankheit
"angemessen"? Ich denke, solche Reaktionen wären
richtig und doch auch darlegungsbedürftig, denn sie erscheinen in ihren
Wirkungen nur schwer zu übersehen und regelbar zu sein. Das zu
Unionszeiten eingeführte und mit der rot-grünen Regierung wieder
abgeschaffte Recht, wonach die Lohnfortzahlung bei Kurzkrankheiten
reduziert war, hatte jedenfalls die Schwäche, dass dadurch
"längere Krankheit" provoziert wurde. Doch wie genau wurde
die Gesetzesrealität untersucht? Der kranke Arbeitslose, der kranke Sozialhilfeempfänger Und wieder sind nicht "alle gleich", doch lässt ein Blick in die Wartezimmer der Ärzte den Eindruck entstehen, als seien "alle Sozialhilfeempfänger gleichzeitig krank", was zwar übertrieben, so doch einen tragischen wie kostentreibenden Wahrheitsteil hat. Ich bin mir aus Beobachtung sicher, dass sich Menschen kränker fühlen als sie sind, wenn sie abseits vom Arbeitsprozess stehen, aber dorthin gehören würden, also sich nicht in verdienter Freizeit, verdientem Urlaub, verdienter Rente befinden. Wenn sie nicht Gründe auf der Seite ihrer Untätigkeit haben, für die sie nichts können, etwa Behinderung oder "zu alt" und was sonst noch ihre Chancen mindert, obwohl sie sich selbst bemühen. Der Arztbesuch wird vielen Sozialhilfeempfängern zur "leidigen Pflicht", der Gesundheitszustand zum alleinigen Thema, entfernt von den Realitäten des Berufsleben. Die Inanspruchnahme des teuren Gesundheitswesens wird zur Ersatzbeschäftigung. Die Selbstbeteiligung Die gesetzlichen Krankenkassen sind mittlerweile derart geplündert - und natürlich nicht nur vom Patienten!, dass die Leistungen für die Beitragszahler immer weiter reduziert wurden und sich der Katalog seiner "Selbstbeteiligungen" und "Zuzahlungen" immer vergrößerte. Wie groß ist der
gewollte Kostensenkungseffekt dadurch wirklich? Grenzen der Solidarität, Teil A: Befreiung von Zuzahlung Ich befürchte, dass der einzige Effekt von "mehr Selbstbeteiligung" ist, dass sich der Versorgungszustand für die Beitragszahlenden fortlaufend verschlechtert, während die Nichtzahler über Befreiungen alle "Kostendämpfungen" zunichte machen, indem sie die sich durch Wissenschaft und Technik verbesserten und verteuerten Gesundheitsleistungen weiterhin beanspruchen. "Zweiklassenmedizin" Sollte diese Vermutung substantiierbar sein, so wäre durch Einschränkung von Befreiungen dafür zu sorgen, dass es den Nichtzahlern nicht besser geht als den Zahlenden, weil ansonsten die "Zweiklassen-Medizin" eben nicht mehr für eine "soziale Kälte" gegenüber den Ärmeren, sondern gegenüber den Arbeitenden zur Realität würde. Und das kann auf Dauer nicht funktionieren, denn Solidarität ist nicht, dass der Stärkere den Schwächeren stärker macht als sich selbst. Grenzen der Solidarität, Teil B: Selbstverschulden Die Solidargemeinschaft sollte nicht zur Kasse gebeten werden, wenn sich einzelne Gruppen in unnötiger Weise Gesundheitsrisiken aussetzen: Piercing, Extremsport, Raserei im Straßenverkehr, Rauchen, Alkohol, ... Die sofortige Grundversorgung sollte zwar gewährleistet sein, aber zumindest das Selbstverschulden auch zur Verschuldung des Patienten gegenüber der Krankenversicherung führen. Der Raucher und Trinker Die Steuern, die auf Tabak und Alkohol erhoben werden, sollten in vollem Umfang den gesetzlichen Krankenkassen zugute kommen. Nicht einmal die Umsatzsteuer dürfte dem Staat "gehören", da er ansonsten verführt sein wird, diese Süchte zu fördern, anstatt ihnen entgegenzutreten. Grenzen der
Solidarität, Teil C: Unbezahlbare Behandlung Angenommen, es wäre möglich, den bislang unheilbaren Tumor-Patienten mit einem Aufwand von "zweieinhalb Mrd. Euro" tatsächlich zu heilen, dann würden nach wenigen Patienten andere Patienten an weit ungefährlicheren Krankheiten sterben müssen, weil für sie keine Mittel mehr da wären. Möglicherweise haben wir schon solche "unfinanzierbare Medizin" im Programm unseres Gesundheitssystems, kleinteiliger und daher weniger auffallend als in ihrer Summe des Unfinanzierbaren. Grundversorgung |
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