Kriegsspielzeug

Der Tigerpanzer

Ich hatte auf dem Teppich die Panzer in Stellung gebracht. Noch stand nicht fest, wer angreifen würde, als mein Vater unachtsam das Zimmer betrat und auf den vielleicht besten Panzer jener Zeit, die mit der Spielzeugindustrie mein Kinderzimmer erobert hatte. Mein Tigerpanzer allerdings war aus Plastik und irreparabel platt. Ich war sauer, aber mein Vater lachte und freute sich: "Das ist mir im Krieg nie geglückt!"

Hmm, er wollte mir sogar den Schaden in Geld bezahlen, aber irgendwie war es mir peinlicher als ihm - und tröstete mich tatsächlich.

Mein Vater war Menschen-Arzt. Es konnte keine direktere Berufung geben, um gegen Panzer zu sein. Aber auch mein Vater hatte als Kind "Krieg gespielt", auch er gegen den Willen seiner Eltern. - Im Kriegsspiel gegen die Eltern sollte sich wenigstens der Ungehorsam erlernen, den es zum Überleben braucht, wenn Leute den Krieg als Ernstfall befehlen.

Grüße von
Sven200701

Ich glaube, dass sich meine Geschwister an das Kriegsspielverbot hielten, aber ich fand z.B. das "Schlachtschiff Bismarck" interessanter als ein Passagierschiff. 
Mich faszinierte die "Schlacht" dieser einen Besatzung gegen so viele andere Kriegsschiffe und Flugzeuge.
Vielleicht musste ich da durch - diese Faszination am "letzten Gefecht", die Bereitschaft zu sterben, ohne nach dem Sinn zu fragen.

Ohne nach dem Sinn zu fragen - welch ein Luxus! Und Privileg. - Obwohl ich Eltern hatte, die mir beweisen konnten, wie unfreiwillig das angebliche Heldentum war. Und obwohl der Vater meines ältesten Bruders gegen seinen Willen mit U-456 im Nordatlantik ums Leben kam und seinen Sohn nie sah - und andere Schiffe versenkte.
Das wusste ich, aber ich wollte beim Spiel nicht an Auschwitz oder "Lebensraumgewinnung im Osten" denken, nicht an die jüdische Mitschülerin, die in der Schulklasse meiner Mutter "plötzlich fehlte", sondern die Schlacht der Bismarck wie ein isolierbares Ding betrachten, die ebenso hätte im 1.Weltkrieg stattgefunden haben können. Wie ein Film, eine spannende Geschichte, eben "nur als Spiel". In Wahrheit dumm und Illusion, "tragisch schön" - Jungs können so blöd sein. Mädchen oft in anderen Dingen. Oder bewundern die blödesten Jungen.

Hallo "kalk", vielleicht musst auch Du da erst durch. Ich wünsche Dir, dass Du die naiven Stationen heil überstehst, ohne anderen Leuten unnötig viel auf die Nerven zu gehen, denn das tat ich ausnahmsweise mal nicht. Meine Eltern hätten mir zu rasch Grenzen aufgezeigt und es in solchem Fall leicht gehabt, denn zumindest war mir bewusst, dass Kriegsspiel Schmuddelkrams ist - ähnlich wie später mit den Mädchenfotos im Bett, was man auch nicht unbedingt jeden wissen ließ.

Notfalls musst Du da aus eigener Kraft durch, denn mitunter hört man auf andere wenig, weil sie zu wenig Verständnis aufbringen oder so tun, als seien sie immer nur schlau gewesen. Oft haben sie aber nur ihre Dummheit vergessen. - Es ist keine Seltenheit, dass diejenigen, die ihre Dummheiten erinnern, irgendwann sogar schlauer als jene sind, die solche Dummheit gar nicht erst hatten und deshalb nicht vorstellen können. Solange man jedoch auf die Dummheit stolz ist, kann man kein Schlauer sein.

Grüße von Sven200701        >> Diskussion

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