Kriegssprache   perfekt in 30 Tagen
                                             Grund- und  Aufbauwortschatz
                                           
"Aufbauwortschatz" ist im Kontext von Krieg eher deplazierter Begriff.

Abrüstung  bedeutete bis Februar 2003, dass jemand seine Waffenbestände reduziert. 
Erst US-Präsident George W. Bush gab dem Begriff eine neue Bedeutung:  Man vernichte die Waffen des Feindes und zwar militärisch.
Früher nannte man eine solche Vorgehensweise nicht "Abrüstung", sondern "Krieg".
 
Befreiung  ist ein sehr vornehmes Anliegen.  
Aber man sollte zuvor folgende Frage beantworten können: "Wer will von wem, von was, wofür und wie befreit werden?"  -  
Oftmals ist die "kriegerische Befreiung" nicht das, was die Menschen wollen, weil es so viele von ihnen nicht überleben.
 

Chirurgische Präzision  bezeichnet gewöhnlich eine Genauigkeit, die bei medizinischen Eingriffen in den menschlichen Organismus geboten ist.  Mit gleicher Präzision versprechen Kriegsführers ihre militärischen Schläge auszuführen, was einen sauberen Krieg ermögliche (siehe Stichwort "sauberer Krieg").  Bei näherem Hinsehen bemerkt man, dass Militärs mit einer Chirurgie zu Werke gehen, die sich möglicherweise auf Amputationen versteht, nicht aber auf das Flicken von Wunden. 

 

Embedded journalists  werden truppenbegleitende Korrespondenten genannt, die ihre Berichterstattung von der Genehmigung der Militärs abhängig machen.  Stellungnahme
 
Enduring Freedom  (engl.) = Andauernde Freiheit.  Unter dem Motto der andauernden Freiheit wird in Afghanistan andauernd Krieg geführt. >> Afghanistankrieg
Gefallen hat umgangssprachlich drei Bedeutungen: 1. dass man Gefallen an etwas hat, z.B. weil es nett ausschaut, 2. dass man jemandem einen Gefallen tut, z.B. indem man ihm eine Last abnimmt, 3. dass gefallen ist, also z.B. gestolpert und dadurch gestürzt. In der Kriegssprache nennt man es ebenfalls "gefallen", wenn jemand durch jemand anderes getötet wird, was jedenfalls weder 1. dem Getöteten gefallen wird, 2. keine Gefälligkeit ist, 3. kein unglückliches Fallen, sondern Tötung ist. Von "Gefallenen" zu sprechen ist deshalb verniedlichende Kriegssprache.
 
Gerechter Krieg  bedeutet, dass jemand einen guten Grund zum Kriegführen hat.  Allerdings behauptete bislang noch jeder Kriegsführer, dass er einen "gerechten Krieg" führe.  Test
 
Friendly Fire  beschreibt den Unterfall eines Kollateralschadens, bei im kriegstypischen Durcheinander "Feind" und "Freund" verwechselt werden.
Beim "friendly fire" werden  also die eigenen Leute getroffen, obwohl man das eigentlich nicht soll.  Aber a) sind die Leute in den hinteren Reihen oft mutiger und b) schießt es sich leichter in die Rücken.
Wird jemand von einem Feind getroffen,  dann könnte man es
"unfriendly fire" nennen.  Das wäre auch als Befehl netter klingend.
 
Intelligente Waffen  suchen sich die Ziele ihrer Zerstörung selbst aus. Dazu müssen sie allerdings richtig funktionieren und richtig programmiert sein. Aber die "Intelligenz der Waffen" scheint ebensolche Aussetzer zu haben wie diejenigen, die sie für "intelligent" halten, ansonsten dürfte es keine Kollateralschäden geben.  
Tatsächlich "intelligente Waffen" würden also öfter 'mal "Nein!" sagen.
 
Kameradschaft  ist etwas, das viele junge Menschen vermissen. Sie sind nicht mehr Kind genug, dass Mama und Papa sie dauernd in den Arm nehmen und noch nicht Mann genug, dass sie ihre Frauen so glücklich machen könnten, um mit sich selbst glücklich zu sein. 
Deshalb neigen junge Menschen dazu, sich Horden anzuschließen. Diesem Bedürfnis kommt das Militär entgegen. Von wildfremden Leuten lassen sich Jugendliche in einem Ton rumkommandieren, bei dem sie zuhause sofort Ausreiß nehmen würden. Aber beim Militär wird gemeinsam gelitten. 
Dort fördert der Schmerz ihre Männlichkeit und "geteiltes Leid ist halbes Leid", was vielen Burschen schon gleich wieder Grund zum Feiern und Wohlfühlen ist.
 

Kollateralschäden  soll Menschenopfer und Zerstörungen bezeichnen, zu denen es durch Zielverfehlungen infolge von zitternden Händen, technischen Pannen, ungeschickten Verhalten der Zivilisten kommt.  
Kriegsführer stellen Kollateralschäden als "unvermeidlich" dar.  Häufig werden Vergleiche zu Alltagserfahrungen bemüht wie beispielsweise:
"Wo gehobelt wird, fallen Späne."  -  Aber wer mal mit einem Hobel gearbeitet hat, wird sich den Unterschied  zwischen Hobel und und Raketenwerfer nicht ganz verwischen lassen. 
Und
"weil Krieg kein Spaziergang ist" (Rumsfeld), sollte man eben besser spazieren und nicht in Kriege marschieren.
Wer Kollateralschäden ernsthaft vermeiden will, dürfte also keine Kriege führen.  Führt jemand trotz dieser Einsicht Krieg, dann nimmt er Kollateralschäden "billigend in Kauf" und muss sie sich auch vorwerfen lassen.

Ich hörte den Begriff Kollateralschaden erstmals während des Kosovo-Krieges, als die in 5.000 Metern Höhe umherjagenden Bomber einen Flüchtlingskonvoi mit Raketen angriffen und töteten. Die Flüchtlinge waren für serbische Soldaten gehalten worden. - 
Werden Soldaten getötet, spricht man von "Verlusten".
 

Kriegsausbruch wird der Moment genannt, in dem jemand einen Krieg beginnt. "Ausbruch" klingt so, als sei der Krieg ein Vulkan, ein wildes Tier, ein Verbrecher, die sämtlich "ausbrechen" können, aber der Krieg kann nicht ausbrechen, denn er ist nicht Urheber, sondern Wirkung. Und zwar immer durch Angriff, also immer von Menschen entschieden und von Menschen gemacht. Wer von "Kriegsausbruch" spricht, denkt sich entweder nichts dabei oder will von seinen Urhebern ablenken.
 

Kriegshelden werden Soldaten genannt, die irgendwie Besonderes zum Krieg beigetragen haben. 
 
Es wurde beobachtet, dass Männer in Kriegen eigentlich nicht mutiger und heldenhafter sind als in Friedenszeiten. Stattdessen sind sie meist furchtsamer, jämmerlicher - und haben auch allen Grund dazu. 
 
Aber es gibt ein recht simples Rezept aus Feiglingen mutig vorwärts stürmende Soldaten zu machen:  
Man muss sie in eine Situation bringen, in der das Weglaufen gefährlicher ist als die Befehlsausführung. 

Armeen neigen in Kriegszeiten dazu,  die Entlassungsanträge von Spätverweigerern so lange zu bearbeiten, dass man die Antragsteller noch in hinreichend gefährliche Situationen bringen kann, aus denen sie dann mit etwas Pech umso eher herausgetragen werden. Mit einer Nationalflagge zugedeckt: als "Helden".
 

Kriegsverbrechen  sind Straftaten, die auch im Krieg nicht erlaubt sind. 

Wenn ich z.B. im Frieden jemanden losschicken würde, um einen zu töten, der mir eine Morddrohung zusandte, dann müsste ich dafür mit lebenslanger Haftstrafe rechnen.  

Wenn ich aber im Krieg über einer Großstadt Bomben abwerfen lasse, wodurch am Boden Leute reihenweise sterben, dann würde ich bei der Siegesfeier einen Orden bekommen und mir als Kriegsveteran lebenslanges Ansehen verdienen. - Das Töten ist also im Krieg richtiger als im Frieden.

Ein Kriegsverbrechen wäre laut Genfer Konvention jedoch, wenn man einen feindlichen Soldaten für sein  ordentliches Töten bestraft, obwohl sein Krieg  kein "gerechter Krieg" sein kann, ansonsten hätte man eigentlich nicht auf ihn schießen dürfen, sondern sich mit ihm verbünden müssen. Aber das wäre dann ja kein Krieg, sondern Frieden.  

Würde man hingegen jede Teilnahme an einem "ungerechten Krieg" bestrafen, so würden sich vielleicht kaum noch Soldaten zum Kriegführen finden. Und wer soll dann die Panzer fahren und die Bomben abwerfen?
 
Menschliche Schutzschilde ist eine gegensätzlich  verwendete Begrifflichkeit:
a) friedensbewegte  Menschen wollen dadurch Gewalt verhindern, dass sie sich vor die potentiellen Opfer stellen, was sicherlich ehrenhaft ist, aber nicht jeden Aggressor vom Töten abschreckt, weshalb das Opfer vergebens sein kann,
b) in der Bekämpfung von Diktatoren steht man vor einem ähnlichen Problem wie bei Geiselnehmern, denn auch Diktatoren stellen sich nicht auf das offene Schlachtfeld und rufen: "Hallo! Hier bin ich!", sondern nutzen die Nähe zu ihren Opfern inmitten der Städte, um die Befreiung zu behindern, zu verzögern, oft sogar unmöglich zu machen, so dass der Krieg nicht zur Befreiung taugt.  
 
Mutter aller Bomben  ist die Bezeichnung einer etwa 10 Tonnen schweren Bombe, die 2003 in den USA zur Vervollkommnung reifte und erstmals zu Befreiungszwecken (siehe oben Stichwort "Befreiung") eingesetzt wurde.  Ihre Zerstörungskraft ist größer als die aller anderen heutigen nichtatomaren Waffen. Wenn sie detoniert, bebt die Erde kilometerweit. Der Sauerstoff verbrennt in einem Feuerrauchpilz, der an Atombomben-Pilze erinnert.  Über der irakischen Hauptstadt Bagdad waren von diesen Pilzen gleich mehrere nebeneinander zu sehen. - Es gibt Mütter, die es ablehnen, dass solche Bomben "Mutter" genannt werden.
 
Präventiver Verteidigungskrieg ist das Zauberwort, mit dem jeder Krieg zu einer Verteidigung umdefiniert wird. Der Irak-Krieg wurde mit unter anderem der Behauptung des britischen Premiers Tony Blair begründet, dass der Irak "innerhalb von 20 Minuten Massenvernichtungswaffen einsetzen kann". Schon dieses "Können" sollte der Weltöffentlichkeit zum Angriff auf den Irak genügen. Auf ein "Wollen" kam es angeblich nicht an. Doch schlimmer: Der Irak verfügte überhaupt nicht über Massenvernichtungswaffen. Der "Präventive Verteidigungskrieg" war eine Lüge. KLICK
 

Sauberer Krieg  soll bedeuten, dass in einem militärischen Konflikt unschöne Vorkommnisse vermieden werden könnten. (ausführlicher)
Wenn beispielsweise Frauen und Kinder verhungern, verletzt oder getötet werden, gilt das als "schmutzig".  
Wenn hingegen Soldaten Soldaten töten oder von Soldaten getötet werden, so gehört das einfach zu ihrem Job und gilt als weniger schmutzig.
Damit die Menschen den Krieg nicht übermäßig ablehnen, informieren die Kriegführenden möglichst wenig über die schmutzigen Seiten des Krieges, allenfalls über die Gräuel des "Feindes" und verschaffen ihrem eigenen Treiben den Glanz von Sauberkeit und Gerechtigkeit.

    Krieg aus dem Fernsehsessel


>> "Schmutzige Bombe"
Sieg  bedeutet in Kriegen, dass jemand einen Kampf auf Leben und Tod gewonnen hat. Da freut er sich natürlich. Dummerweise bedeutet Sieg jedoch auch immer, dass jemand verloren hat. Viele verlieren sogar das Leben. Und eigentlich wäre nichts zu feiern, weil es eben neben den Siegern auch die Verlierer gibt, weshalb Krieg immer nur halb Friede, Freude, Eierkuchen bringt.  Weil aber vielen Menschen das eigene Leben so viel wertvoller erscheint als dasjenige ihrer Feinde, stört sie der Jammer der Verlierer beim Feiern nicht.
 

Überraschungsangriff  ist ein gebräuchliches Wort für einen eigentlich treffender als "hinterhältigen Angriff" oder "Überfall" zu bezeichnenden Aggressionsakt. 
 

Verteidigungsfall  ist eine Situation, in der man angegriffen wird oder ein Angriff unmittelbar bevorsteht. Klingt einfach, wird aber problematisch, wenn sich jeder selbst ausdenken dürfte, ob er und wovon er sich "angegriffen" fühlt.  

 

Ultima Ratio  heißt eigentlich "höchste Vernunft". Das versteht nicht jeder. Deshalb wird vom Krieg häufig als dem "letzten Mittel" gesprochen:  Wenn also alle Bemühungen gescheitert sind, dem Gegner einen anderen Willen aufzuzwingen, dann müsse man den Gegner eben umbringen. 

Damit die Menschen solch drastisches Vorgehen billigen, muss man 
a) so tun, als habe man sich um friedliche Einigung bemüht, 
b) als sei die andere Seite am Scheitern dieser Bemühungen schuld, 
c) dass diese andere Seite so bösartig ist, dass man letztendlich und unausweichlich Krieg machen muss.  

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass sich eine solche Situation zwischen beliebigen Parteien mit wenig Aufwand erzeugen lässt. Deshalb führen zuweilen Demokratien gegen Demokratien Krieg, Diktaturen gegen Diktaturen, während andererseits zwischen sehr vielen Demokratien und Diktaturen äußerste Harmonie vorkommen kann.  

Der Unterschied zwischen Diktaturen und Demokratien kann hinsichtlich der Ultima Ratio sodann noch schnell dahin sein, wenn in einer Demokratie knapp 25 Prozent der Bevölkerung eine Regierung wählten, die den Krieg für die Ultima Ratio hält, während die Opposition nur 24,9 Prozent errang und sich 50 Prozent der Wähler enthielten, die alle zusammen auch nicht 100 Prozent der Bevölkerung sein können, aber mit dem Krieg gleich auch noch über anderer Völker Leben entscheiden.
  

Was dann?  lautet die kritische Frage an alle, die an den Krieg als Mittel der Politik nicht glauben, obwohl doch auch der Faschismus nicht durch Betteln von der Bildfläche verschwand, sondern durch Waffengewalt.  
Das mag stimmen und deshalb tauge ich nicht zum Jesus-Fan, aber zum Pazifisten, denn für die höchste Vernunft steht der Krieg nie, sondern allenfalls für das traurige Eingeständnis, dass einem nichts Besseres eingefallen ist. 
STOPP!!!  Das ist genau die häufigste Lüge derer, die politisch versagten und sich dann für den Krieg entscheiden. Auf beiden Seiten. 
Doch in den meisten Fällen gibt es
Alternativen. Und dann wäre der Krieg auch als "letztes Mittel" vermieden.

Kommentar

Diese kleine Sprachschule ist längst nicht vollständig, soll nur andeuten, dass die Sprache des Krieges schon immer eine Sprache der sinnverfälschten Begriffe war: 

Aus den wahren "Untermenschen", nämlich aus soldatischen Befehlsempfängern verklärte die Kriegssprache den "Helden" bzw. "
Kriegshelden", wenn er nur möglichst widerspruchslos tötete und sich töten ließ,

aus der
Vaterlandsliebe machte die Kriegssprache den Hass und die Aggression gegen andere Vaterländer, 

aus dem
Stolz machte die Kriegssprache eine Beleidigung für andere und wollte deren Unterjochung, ...

 

Viele Begriffe wie "friendly fire" und "Kollateralschaden" sind neu.  

Die
Kriegstreiber benötigen neue Begriffe, denn der Krieg ist den Menschen heute nicht mehr so leicht schmackhaft zu machen wie früher: 

Der
Eroberungskrieg ist von den Menschen als Räuberei erkannt, denn die Menschen lernten zwar längst nicht genug, aber immerhin schon so viel, dass kein Mensch sich über den anderen erheben darf, auch wenn das noch immer und oft passiert.  

So wurden auch aus einst geachteten Kriegsministern nach und nach in allen Staaten "Verteidigungsminister".

Nicht mehr der Soldat mit blindem Gehorsam gilt in modernen Rechtsstaaten als tugendhaft, sondern derjenige, der sein Gewissen befragt und sich Befehlen widersetzt, wenn deren Durchführung gegen die Gebote der Menschlichkeit verstoßen.

Doch diese Entwicklung zum aufgeklärten und selbstbewussten Menschen erweist sich den Kriegstreibern als hinderlich. Deshalb:  Kriegstreiber versuchen sich durch neue Begriffe Argumentationsvorteile zu verschaffen.

Aber  KRIEG  ist  KRIEG.   Und daran ändern neue Begriffe nichts. 

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