Staatsterrorismus 

Während mit der Niederschlagung des NS-Regimes noch Einigkeit bestand, dass es Staatsterror gibt, z.B. die Novemberpogrome 1938, scheint sich die heutige Politik etwas davon zu versprechen, wenn sie den Begriff Staatsterrorismus meidet.

Motiv solcher Leugnung dürfte sein, dass sich nichtstaatlicher bzw. antistaatlicher Terrorismus häufig als Reaktion auf Staatsterrorismus zu legitimieren versucht. 

Aber wie hilflos und falsch die Staatsterrorismus-Leugnung ist, zeigt sich auch daran, wenn behauptet wurde, dass die Taliban mittels dem Staat Afghanistan einen staatlichen Terrorismus gegen die Welt veranstaltet hätten.

Der Terroristenpropaganda lässt nicht begegnen, indem staatlicher Terror bzw. staatliche Verbrechen geleugnet werden, denn zu offenkundig gibt den Staatsterrorismus und zu häufig besteht die Wechselwirkung zwischen Terrorismus und Staatsterrorismus, dessen Dimension mit untenstehender Liste nur angedeutet werden. 

Terroristenpropaganda lässt sich auf der abstrakteren Ebene nur mit dem Hinweis begegnen, dass sich das Unrecht mehrt, wenn Unrecht mit Unrecht vergolten werden dürfte.

Terroristenpropaganda lässt sich auf der konkreten Ebene nur mit dem Hinweis begegnen, wie häufig ausgerechnet Menschen einem "Kampf" geopfert werden, die mit dem Streit wenig bzw. nichts zu tun haben, während die eigentlichen Streitbetreiber bestens bewacht und geschützt ihr mörderisches Dasein fortsetzen können. 

Wo liegen die Unterschiede zwischen Terrorismus und Staatsterrorismus?

1. Der juristische Vergleich

a) Nichtstaatlicher Terrorismus setzt sich über das staatliche Recht hinweg.

b) Staatsterrorismus schafft sich die Paragraphen, mittels derer er zum Unrecht schreiten darf.

c) Es gibt überdies noch eine Menge von Mischformen halbstaatlichen Terrorismus, wenn der Staat beispielsweise nichtstaatlichen Terrorismus trotz gegenteiliger Gesetze gewähren lässt, aa) um Oppositionelle oder bb) Minderheiten zu unterdrücken, cc) um gegen andere Staaten "unerklärte Krieg" zu führen. 
Umgekehrt gibt es halbnichtstaatlichen Terrorismus, wenn beispielsweise die Mafia staatliche Strukturen durchdringt, um zusätzlich durch Staatswillkür die Widersacher des eigenen Terrors kalt zu machen.

2. Der qualitative Vergleich

Nichtstaatlicher Terrorismus und Staatsterrorismus wollen gesellschaftliche und/oder internationale Streitigkeiten nicht auf dem Wege des Rechts und demokratisch austragen, sondern mittels Gewalt.

Zunächst noch die Klarstellung, dass unter Staatsterrorismus ein Terrorismus des Staates gegen Oppositionelle und Unbeteiligte zu verstehen ist.

3. Der Ressourcen-Vergleich

a) Nichtstaatlicher Terrorismus verfügt über Menschen, die er sich quasi im "Schwarzmarkt der Meinungen" beschaffen kann, also in dem Maße, wie der Staat entweder an eigener Legitimation einbüßte und Extremismus/Terrorismus in der Bevölkerung ideologisch Raum greift.  

b) Staatlicher Terrorismus verfügt über Menschen per Einberufungsbefehl.

c) Nichtstaatlicher Terrorismus verfügt über Mittel, die er sich quasi im "Schwarzmarkt der Materialien" beschaffen kann. Seine Mordinstrumente sind für den "ordentlichen Krieg" meist zu klein dimensioniert und (vorerst) auch kleiner in der Wirkung, solange Terroristen der Zugriff auf staatliche "Errungenschaften" wie Atomwaffen und andere Massenvernichtungsmittel nicht gelingt bzw. es an Unterstützung seitens anderer Staaten fehlt, aber auch deren Hilfe wären durch Staatsgrenzen und Geheimhaltungen gehemmt.

d) Staatlicher Terrorismus hat den Zugriff auf die öffentlichen Finanzen einschließlich der Möglichkeit zur  Staatsverschuldung. Daraus kann der Staat den Wissenschaftsbetrieb, die Industrie und (siehe oben) den Einberufungsbefehl für seine Ziele aktivieren. Der Staatsterrorismus kann also in Dimension der Volkswirtschaft Gewaltanwendungen vorbereiten und realisieren, eine Diktatur errichten und zwischenstaatliche Kriege führen.

4. Der politische Vergleich

Nichtstaatlicher Terrorismus richtet sich gegen einzelne Interessengruppen innerhalb der Gesellschaft oder gegen sucht sich die Opfer willkürlich, um aus  gegen In den meisten Fällen erscheinen mir Terrorismus und Staatsterrorismus wie Kehrseiten der selben Medaille, die sich aus der Gegenseitigkeit zu legitimieren versuchen, aber letztlich nicht können, denn Terror war, ist und bleibt, was nach allem wahren Recht und Gewissen verboten ist: Gewaltdrohung und Gewaltanwendung ohne Notwehr, Nothilfe zu sein. 

Oder anders gesagt: Betrachten wir nichtstaatlichen und staatlichen Terrorismus in den Methoden und zugespitzt in seinen Zielen, so ist die Methode identisch Gewalt und das Ziel die eigene Macht.

Der nichtstaatliche Terrorismus riskiert den Bürgerkrieg und scheut keine Eskalation. Der staatliche Terrorismus riskiert die Diktatur und den zwischenstaatlichen Krieg. 

5. Der Moral-Vergleich

Nichtstaatlicher und staatlicher Terrorismus sind mir moralisch betrachtet gleichermaßen antiwertig.

6. Der Motive-Vergleich

Zu den vorstehenden Vergleichen 1, 2, 4 und 5 gehört immer auch die Betrachtung der Täter-Motive: Terror und Krieg dürften nur äußerst selten von "Idealisten" gemacht sein, auch wenn häufig Idealisten die unmittelbar ausführenden Mörder sind, an deren Idealismus die Anstifter und Ermöglicher appellieren. Einen Idealismus, der nicht nur über Leichen geht, sondern auch die Selbstaufopferung einschließt.

Das wahre Motive der Hinterleute politischer Verbrechen ist die rücksichtslose Gewinnsucht, sei es persönlicher Bedeutungsgewinn, Macht oder materieller Vorteil aus dem Streit und den Verlusten anderer.

Sven20051206

Beispiele für Staatsterrorismus

>> Antiterror-Terror der USA

>> Folter in irakischen Gefängnissen der US-Streitkräfte

>> Gezielte Tötung von Scheich-Ahmed-Jassin

>> Irans Terroraufruf gegen Israel 25.10.2005

Anm.: die Liste der "anerkannten Terrorregimes" ist zu lang, um sie darzubieten, während die hier getroffene Auswahl ihre Gemeinsamkeit in der besonderen Relevanz für den Weltfrieden hat.

Allgemeinere Themen

>> Terrorismus, Kriege, Menschenrechte

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