Revanchismus  

Revanchismus bedeutet: Die Rache zum politischen Prinzip machen. 

Revanchismus gibt sich als Gerechtigkeitsstreben aus und verkennt, 
- dass es in der Vergangenheit keinen Zeitpunkt gibt, der allen gerecht sein könnte,
- dass sich Geschichte nicht rückändern lässt, ohne dass neues Unrecht passiert.

Revanchismus ist häufig mit Revisionismus verknüpft.

msr200608/201409

>> Offener Brief an den Bund der Vertriebenen v. 1.3.2009

>> Bund der Vertriebenen

>> Ostpreußen-Revanchismus

>> Braucht Deutschland einen Friedensvertrag ?

unfertiger Text, älter

Viele kennen die Gefühle, die aus ungerechter Bestrafung resultieren: Als "ungerecht" wird Bestrafung immer dann empfunden, wenn sie in ihrer  Wirkung über die Wirkung der vorangegangenen Tat hinausgeht oder mit dieser Tat wenig gemeinsam hat. 

Wer sich ungerecht behandelt fühlt, neigt dazu, für dieses Unrecht Rache bzw. Revanche zu nehmen.

In beiden Weltkriege des 20.Jahrhunderts spielte die Rache bzw. Revanche eine zentrale Rolle.  Beim 1.Weltkriegs wurde das Attentat auf einen Politiker zum Anlass genommen. Ein solcher Anlass taugt so wenig als "Kriegsgrund" wie "Bündnisverpflichtungen", auf die sich niemand bei provozierten Kriegen hätte berufen dürfen.
Aber es war wohl so, dass der deutsche Kaiser den Krieg wollte und ihm praktisch jeder Anlass für den Krieg passend erschien. 

Es mag sein, dass in anderen Ländern ebenfalls Kriegslüsterne an der Macht waren. Aber Fakt ist eben, dass Österreich und Deutschland den Krieg begannen. 

Als der Krieg endete, kam es zum "Diktat von Versailles", wie die Schlussakte des 1.Weltkrieges häufig genannt wird:    Deutschland verlor große Teile des Staatsgebietes und wurde mit enormen Reparationszahlungen belastet.

Das empfand man in Deutschland als "ungerecht", aber wer Gerechtigkeit haben will, sollte danach nicht in Kriegen suchen. Wer sich in das Kriegsgetümmel wirft, unterstellt sein Handeln den Gesetzen der Gewalt und die Gesetze der Moral werden suspendiert.

Wer einen "gerechten Friedensvertrag" zum Ende eines Krieges verlangt, versteht nicht das Wesen von Kriegen, denn Kriege werden nicht um der Friedensverträge willen geführt, sondern um der Eroberung und Diktate.

Die Unterlegenen eines Krieges können auf "Gerechtigkeit" niemals hoffen. So entsteht aus Kriegen spontan der Wunsch nach "Revanche". 
Der kleine Soldat Hitler konnte nun überhaupt nicht begreifen, warum die Bestrafung Deutschlands solche Dimension angenommen hatte, denn die Generäle hatten die Kapitulation zu einem Zeitpunkt eingeleitet, als das Kriegsgeschehen unmittelbar vor seiner dramatischen Wende stand. Die deutschen Ressourcen standen kurz vor dem Ende und damit würden die Kriegsgegner Deutschlands nun fast ungehemmt in Deutschland einfallen und dort Zerstörungen anrichten. Hitler fehlte es an Übersicht und Weitsicht, dass Schlimmeres nur durch Kapitulation abzuwenden war. Deshalb sah der Deutschland "verraten".

Im Grunde genommen deutete sich in seinem "Dolchstoß"-Gerede schon an, dass er militärische Wendepunkte ignoriert und nicht erkennt, wann es zu kapitulieren gilt. Hitler betrieb nicht nur eine mörderische, sondern auch selbstmörderische Politik. Kein Heerführer der Neuzeit ist mir bekannt, der es so sehr wie Hitler an politischer Verantwortlichkeit gegenüber "seinen" Soldaten und Staatsbürgern hätte ermangeln lassen. Für Hitler kam Kapitulation zu keinem Zeitpunkt in Frage. Er hätte Deutschland mit Mann und Maus in den Selbstmord mitgenommen, wenn er dazu Gelegenheit gehabt hätte.

In seinen Reden spielte das Revanchestreben insbesondere gegenüber Frankreich und Polen eine zentrale Rolle, denn gerade diesen beiden Staaten missgönnte er die Kriegsgewinne, denn sie waren diesen Staaten selbst eher durch alliierte Entscheidungen zugefallen als "erkämpft".  
Hitler verstand solche politischen Wirkungsweisen des Krieges nicht und verirrte sich in eine Legende von internationalen Verschwörungen. - 

Hitler wollte Rache, wollte Revanche, Hitler wollte den 2. Weltkrieg. Aber er wollte für diesen Krieg niemals offen die Verantwortung übernehmen. Deshalb suchte Hitler die Verantwortung bei anderen, beim "internationalen Judentum, das Deutschland den Krieg erklärt" habe usw.usf.  Der Überfall auf Polen wurde als Verteidigungshandlung dargestellt. Nur beim Überfall auf die Sowjetunion sparte man sich die Alibis.

Wieder endete der Versuch, Politik durch Krieg zu ersetzen, in einem Fiasko von Gebietsverlusten und Reparationsverpflichtungen, also mit Wirkungen die über den Kriegszeitraum hinausgehen und deren Zusammenhang den Verlierern nur leidvoll erlebbar, aber schwer nachvollziehbar ist.

Wieder stand am Ende des Krieges kein "Friedensvertrag", weil das auch niemals Sinn eines Krieges sein kann. Wieder folgte auf Unrecht neues Unrecht. Und wieder entspringt daraus der Wunsch nach Rache, Revanche.

Mehr Menschen als nach dem 1.Weltkrieg scheinen jedoch begriffen zu haben, dass sich die Zeit durch Rache nicht rückwärts drehen lässt. Der Blick auf die Landkarten, der Vergleich der Staatsgröße vor und nach den jeweiligen Kriegen lässt zwar noch immer viele Menschen nostalgisch auf vergangene Größe blicken, aber die Entwicklungen wären ohne militärische Erpressung und Krieg nicht umkehrbar.  Und Krieg wäre das Ende alles Wohlstandes und möglicherweise des gesamten Lebens. Nur Idioten könnten solches wollen.

Im heutigen Europa entscheidet sich das Wohlergehen der Menschen durch die Kooperation der Staaten, durch ihre innere und gemeinsame Organisation. 
Das war prinzipiell schon vor dem 2.Weltkrieg nicht erheblich anders, aber das politische Denken hatte sich in die Raubritterzeit verirrt. 

Wir heutigen Menschen müssen zu Rache und Gewalt in unserem Land und weltweit ein Denken durchsetzen, dass den Teufelskreis der Unrechtsvergeltung durch neues Unrecht durchbricht. - Rache ist die Fortsetzung von Unrecht, auch wenn sie aus dem Wunsch nach Gerechtigkeit entspringt.

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